Klaus Kinski ist Emilio Bossi, Reporter der römischen Zeitung „Quest´ora“ – aalglatt und immer auf der Suche nach einer Riesenstory. Diese hat Bossi auch gefunden – er kennt die Identität des Frauenmörders Aurelio Morelli.
Morelli (Mel Ferrer), ein alternder Schriftsteller, hat in Rom die Prostituierte Hertha Enzian (dargestellt von Andrea Rau, die zwar immer sehr hübsch, aber leider nie sehr talentiert war, und Karriere als Dauerleiche in diversen´Derrick´-Folgen machte) umgebracht. Bossi ist per Zufall hinter sein Geheimnis gekommen und wittert nun seine große Chance. Anstatt zur Polizei zu gehen bietet er Morelli mehrere Millionen Lire für dessen Memoiren und die Exklusivrechte an. Morelli nimmt das Angebot an, hat jedoch seine ganz eigenen Pläne, was seine Zukunft anbelangt. In der Folgezeit entwickelt sich ein spannender Psychokampf zwischen beiden. Auf der einen Seite der sensationsgeile Reporter, der notfalls auch über Leichen geht … auf der anderen Seite der psychopathische Autor, der sie ihm frei Haus liefert und immer mehr zur lebendigen Zeitbombe mutiert.
In Rückblenden wird erzählt, wie aus dem biederen Schriftsteller Morelli ein eiskalter Killer wurde. Nach dem bescheidenden Erfolg seines letzten Buches war Morelli gezwungen, eine Stelle als Privatlehrer anzunehmen. Dabei lernte er sein erstes Opfer, Lucia, kennen. Obwohl erst im Teenageralter, war sie schwanger geworden und erhoffte sich von Morelli Hilfe. Morelli betrachtet sich jedoch als Revolutionär im Kampf gegen die Unreife, den Unrat und die Sittenlosigkeit. Anstatt Lucia zu helfen, tötet er sie, um sie – wie sein verdrehter moralischer Verstand ihm vorgaukelt – vor Schlimmeren zu bewahren. Seine Morde begeht er stets am 14. Oktober, seinem Geburtstag. Doch nun lauert im Hintergrund Bossi mitsamt seinem Fotografen Francesco und verfolgt jeden Schritt Morettis ...
Klaus Kinski tobt sich in der Rolle des Emilio Bossi voll aus. Er brettert mit einem roten Cabrio durch die Straßen Roms, immer lässig eine Kippe im Mundwinkel. Mit Ohrring, schulterlangem Haar, offenem Hemd und stets seine beliebte verschlagene Visage zeigend, möchte man ihm liebendgerne die selbige polieren. Er spielt nahezu perfekt den arroganten Schnösel, der nur an die nächste Schlagzeile und an seinen Profit denkt. Klaus Kinski bietet hier die wirklich grandiose Mischung aus seiner eigenen Person - stets arrogant und allwissend wirkend - und den ihm so verhassten Reportern, die ihn immer wie die Aasgeier umschwirrten. Kaum einer weiß besser Bescheid um die Hinterhältigkeit und die Hartnäckigkeit der schreibenden Zunft auf der Jagd nach einer neuen Skandalstory.
Und Kinski macht es sichtlich Spaß, diese Rolle zu spielen. Fast scheint er mal wieder sich selbst zu spielen, so unbekümmert und überzeugend stellt er diesen Bossi dar. Furchteinflößend und abstoßend wirkt er in einer Szene, in der er Elke Sommer in ihrer Rolle als Christa Sonntag brutal misshandelt. Ansonsten setzt er stets eine undurchschaubare, liebenswürdige Miene auf. Welch eine Ironie, dass ausgerechnet ein Klaus Kinski einen Satz wie „Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information“ in seinem Skript stehen hat.
In jedem Fall liegt mit „
Das Netz“ ein solider, spannender Thriller mit einer düsteren Grundstimmung vor, der in der Hauptsache durch das Duell der beiden Hauptdarsteller Kinski und Mel Ferrer lebt. Einer ist dem Anderen ausgeliefert. Ferrer/Morelli muss fürchten, von seinem Mitwisser an die Polizei verraten zu werden und Kinski/Bossi muss fürchten, dass Morelli gefasst wird und er seine wertvolle Story verliert.
Am Rande sei noch erwähnt, dass Klaus Kinski, zwölf Jahre nachdem er mit Gisela Uhlen für die Edgar Wallace-Verfilmung „Das indische Tuch“ vor der Kamera stand, nun mit deren Tochter Susanne Uhlen zusammen einen Film drehte. Dadurch wird einem erst einmal wieder bewusst, über was für einen langen Zeitraum sich die Karriere von Kinski bereits erstreckte. Drei Jahre später drehte übrigens Kinski erste Tochter Pola mit Mel Ferrer ihren bekanntesten Film „Zwischengleis“. So schließt sich der Kreis.
Bewertung :
8 / 10