Sisters - Schwestern des Bösen (USA 1973, Originaltitel: Sisters)
Hitchcockploitation und (viel) mehr...
Danielle Breton (Margot Kidder) lädt ihre neue Bekanntschaft Phillip Woode (Lisle Wilson) zu sich in die Wohnung ein, obwohl die beiden Turteltauben zuvor von Danielles Exmann Emil (William Finley) belästigt wurden. Nach einer berauschenden Liebesnacht kommt es zu einem fürchterlichen Übergriff. Auf der anderen Strassenseite wohnt die Journalistin Grace Collier (Jennifer Salt), die aus ihrem Fenster eine gute Sicht in die Bleibe von Danielle hat. Grace wird Zeugin der schrecklichen Bluttat, sofort informiert die junge Frau die Polizei. Bei den Beamten geniesst die für ein lokales Blatt schreibende Grace nicht den besten Ruf, ergo zeigen sich die eintreffenden Gesetzeshüter nicht sonderlich engagiert oder von ihren Ausführungen beeindruckt. Tatsächlich fördert die Durchsuchung des angeblichen Tatorts keinerlei Verdachtsmomente ans Tageslicht. Collier ist nach wie davon überzeugt einen Mord in Bretons Wohnung gesehen zu haben, sie beauftragt den Privatdetektiv Joseph Larch (Charles Durning) mit weiteren Ermittlungen. Darüber hinaus stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an, die gewonnenen Erkenntnisse führen die emsige Zeitungsfrau auf gefährliche Pfade...
Lässt man vorherige Gehversuche unberücksichtigt, darf sich
"Sisters" als Brian De Palmas Gesellenstück im Thrillersektor betrachten. Ganz bewusst wähle ich die Bezeichnung Gesellenstück, denn trotz seiner erstaunlichen Qualitäten ist
"Sisters" nicht De Palmas stärkster Beitrag zum Genre. Freilich zitiert das damalige Nachwuchstalent mit Ausdauer den unvergessenen Alfred Hitchcock
(der 1973 noch längst nicht unter der Erde weilte), doch De Palma verkommt nie zur leeren Kopie, da er sich nicht ausschliesslich auf den britischen Großmeister bezieht, ferner über ein hervorragendes Gespür für Atmosphäre, Spannung, Kameraeinstellungen und Ausleuchtung verfügt. Später trieb der Filmemacher seine Lieblingsthemen auf die Spitze, hier scheint mit
"Dressed to Kill" (1980) ein geeignetes Beispiel herzugeben, aber bereits
"Sisters" konfrontiert den Zuschauer mit Voyeurismus
(drängt uns geschickt in die Rolle des Spanners), verzerrter Wahrnehmung, schwarzem Humor und einem sich über den Betrachter ergiessenden Füllhorn aus Zitaten und Huldigungen, selbstverständlich inklusive umwerfend gut gemachter Split Screen Momente, obendrauf gibt es in der finalen Phase bizarre Traumsequenzen auf die Augen. Lediglich auf die für De Palma typische Plansequenz müssen wir verzichten, vermutlich wegen nicht allzu üppiger Finanzmittel der Produktion.
"Sisters" erstarrt nicht zur künstlerischen und handwerklichen Fingerübung ohne Seele, Unmengen Herzblut fliessen aus jeder Szene, überdies versammelte Brian De Palma ein kleines und feines Ensemble vor der Kamera. Margot Kidder erlangte später durch ihre Mitwirkung in
"Superman" (1978 und mehrere Fortsetzungen) grössere Bekanntheit, sie spielte des Superhelden liebstes Weiblein Lois Lane. Da ich Spoiler vermeiden will, kann ich nicht näher auf Kidders Darbietung eingehen, ihr gelingt es zweifellos den Zuschauer zu berühren und nicht minder zu schockieren. Ihre
"Gegenspielerin" Jennifer Salt sollte keine allzu grosse Filmkarriere vergönnt sein, sie war später allerdings in diversen TV-Produktionen zu sehen. Salt wandelt auf einem teils hauchdünnen Seil, droht mehrfach in den Abgrund der Nervensägen zu stürzen, fängt den einsetzenden Taumel angenehmerweise stets zum richtigen Zeitpunkt ab. Nicht ohne Würdigung darf der liebenswert-schrullige Auftritt von Mary Davenport bleiben, die ihrer Filmtochter den
"fragwürdigen" Beruf ausreden will, wer braucht schon Journalistinnen, jede Frau gehört an Herd und die Kette eines wohlwollenden Ehegatten. Davenport ist in der Tat die echte Mutter der putzigen Jennifer Salt, dies zu wissen wertet die gemeinsamen Szenen der Damen
-zumindest aus meiner Sicht- noch weiter auf. Den Herren der Schöpfung geht es auf unterschiedlichen Ebenen an den Kragen, der nette Kerl wird zum Opfer, die anderen Bürschlein passen entweder prima in die Geisterbahn oder dürfen sich die Kappe mit der Aufschrift Esel aufs hohle Haupt setzen. William Finley schleicht und schleimt gar schröcklich durch die Kulissen, erneut verbietet mir akute Spoilergefahr weitere Bemerkungen. Charles Durning brummelt als Karikatur eines Privatschnüffles umher, Dolph Sweet macht uns den wenig motivierten Bullen. Lisle Wilson fällt die Rolle des Sympathieträgers zu, keine gute Vorausetzung einen De Palma Thriller lebendig zu überstehen!?
Ja, ich mag auch die bekannteren
"Mainstreamsausen" (seltsames Wort) des Herrn De Palma. Beispiele gefälllig? Das Epos
"The Untouchables – Die Unbestechlichen" (1987), den sträflich unterschätzten
"Fegefeuer der Eitelkeiten" (The Bonfire of the Vanities, 1990) oder den häufig verprügelten
"Mission to Mars" (2002). Am liebsten sind mir jedoch seine Genrefilme aus den Bereichen Thriller oder Horror
(oder einer Kombinations daraus). Erneut ein paar Beispiele:
"Carrie – Des Satans jüngste Tochter" (Carrie, 1976),
"Teufelskreis Alpha" (The Fury, 1978),
"Dressed to Kill" (1980) und
"Der Tod kommt zweimal" (Body Double, 1984). Der 1973 in den Kinos gestartete
"Sisters" sollte keinem Fan von
"Dressed to Kill" und
"Body Double" mißfallen, im Gegenteil, dieser Streifen ist ein unverzichtbarer Beitrag aus dem Werk des nicht immer unumstrittenen Regisseurs, der in meinem Herzen mit jedem Jahr ein grösseres Stück erobert.
"Sisters" zeigt eindrucksvoll auf, wie man abseits von Gigantomanie, mit vergleichsweise geringen Finanzmitteln, einen visuell beeindruckenden, stilsicheren, packenden und nahezu formvollendeten Film auf die Beine stellt! Danke dafür, ich verneige mich!
epiX hat den Flick bereits vor einigen Jahren dem deutschen Markt zugeführt, die DVD mag nörgelnde Zeilenzähler nicht befriedigen, von technischer Perfektion bleibt sie fraglos deutlich entfernt, kleine Schludrigkeiten inklusive. Ich kann mit der Scheibe gut leben, wäre einer höherwertigen Veröffentlichung trotzdem zugeneigt. Im Bonusbereich gibt es interessante Texttafeln und diverse Trailer zu entdecken.
Sehr gut =
Dicke 8/10
Lieblingszitat:
"Ich brauche diese idiotische Polizei nicht, ich kann Karate!"