Die Falle - Giulio Questi (1967)
Verfasst: Sa 16. Jan 2010, 17:10
Originaltitel: La morte ha fatto l'uovo
Herstellungsland: Frankreich / Italien / 1967
Regie: Giulio Questi
Darsteller: Gina Lollobrigida, Jean-Louis Trintignant, Ewa Aulin, Jean Sobieski, Renato Romano, Giulio Donnini, Cleofe Del Cile, Vittorio André, Biagio Pelligra, Monica Millesi und Ugo Adinolfi
Ich hab den Film nun kürzlich erstmalig auf deutsch gesehen. Giulio Questi hat hier ja einen seeehr eigenwilligen Film mit Jean-Louis Trintignant, Ewa Aulin und Gina Lollobrigida geschaffen, der sicherlich nicht jedem Giallo-Fan gefallen dürfte. Mir hat aber durchaus gefallen.
Und ich ja gerne schreibfaul bin, zitiere ich einfach mal den Keßler:
Über Giulio Questi und seinen bodenlosen Nihilo-Western TÖTE, DJANGO ist bereits im Western-Artikel ausführlich berichtet worden. Daß sich Questi aber auch im Giallo-Bereich (zumindest in einer Randzone) umgetan hat, macht seine Erwähnung auch hier erforderlich.Jean-Louis Trintignant spielt einen ehrenwerten Geschäftsmann. Eine Nutzheirat hat ihn in die Lage versetzt, einen angemessenen Lebensstil zu führen. Seiner Frau, Gina Lollobrigida, gehört nämlich ein riesiger Hühnerhof, in dem glückliche Hühner zu lateinamerikanischer Muzak von Fließbändern mit Körnern gefüttert werden. Wissenschaftler arbeiten bereits daran, Hühner ohne Flügel, Köpfe und Beine zu züchten. Die ersten Resultate sind schauerliche, wabbelnde Schreckensgebilde. Eierfressen langt eben noch nicht, man muß die Biester auch noch demütigen. Vorm Werktor schauen Arbeiter traurig über den Zaun: Eine neue Maschine hat alle wegrationalisiert. Derweil die Hühnlein traulich picken.Aber auch innerhalb des Mikrokosmos, den der Familienbetrieb darstellt, ist einiges im Unreinen: Jean-Louis liebt seine Frau nicht mehr wirklich. Dafür springt er um so lieber mit ihrer süßen Kusine Ewa Aulin durchs Getreide und phantasiert über den Reiz des Desperadotums. Einmal draußen vor stehen...
Dann sind da noch Geschäftsmänner, biedere, liebe Menschen, die zu Prostituierten gehen, um dort Psychokiller zu "spielen". Als so ein Spiel etwas zu weit geht, fällt dem untersuchenden Kommissar auch nichts Besseres ein, als sich über die "Unmoral" des Ganzen zu mokieren. Draußen penetrieren aufdringliche Reklamesäulen die Gemüter der Menschen. Überall nur grelle Gefühlssimulationen, aufgesetzte Künstlichkeit, gespieltes Leben.
Natürlich geht Questi auch in diesem Film dem betulichen Leben der Reichen an den Kragen; ein ähnlich wütender, krasser Film wie der vorangegangene Western. In einer schwer entzifferbaren Folge surreal-düsterer Bilder bietet er einen Ausblick in eine Welt, in der die perversen Bluttaten des Mörders vollkommen untergehen in der allgemeinen Zeichenwüste. Die Menschen haben ihre Bestimmung verloren und taumeln durch ihre sinnlos gewordene Existenz. Der Hühnerstall wird zum unfreundlichen Sinnbild für die automatisierten Menschlein, die vom Fließband mit Plazebos ruhiggestellt werden.Geht man noch etwas weiter, dann ist der Killer das Menschlichste am ganzen Film. Zwar ein Produkt der Perversion, greift er als einziger die Gefühllosigkeit der Zivilisation an, wirft Sand in das Getriebe. Erst die Perversion, so scheint es, ermöglicht einen Ausgang aus dem Labyrinth der Versteinerung. Selbst die Musik dokumentiert diesen hoffnungslosen Zustand: Die atonalen Akkorde des modernen Komponisten Bruno Maderna wirken einerseits beängstigend, dann aber wieder wie der einzige Aufschrei, die einzige Lebensäußerung in einer nur zum Schein lebendigen Welt.Es ist schwierig, diesen merkwürdigen Kunst-Giallo vollständig zu entwirren, vielleicht unmöglich. Der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit liegt vielleicht im Vorspann, der eine Mikrokamera durch den menschlichen Organismus fahren läßt. Das Lebendige wird im weiteren Verlauf des Filmes immer mehr ausgeklammert, weggeschlossen, peinvoll verschwiegen. Die Lollobrigida bemerkt an einer Stelle: "Manchmal wünsche ich mir, wieder weich zu sein!" Sicherlich handelt es sich bei dem Film NICHT um ein ausgesprochenes Party-Tape. Der Film ist - ähnlich wie TÖTE, DJANGO - nur schwer verdaubar, noch doppelbödiger in seinen bizarren Bildern. Hat man aber Lust, sich auf einen schwierigen, intelligenten Film einzulassen, ist der Film mehr als lohnend. Starker Tobak, genau wie Keoma, aber brillant gemacht.
Habe ich was vergessen? Ach ja: der Titel! LA MORTE HA FATTO L'UOVO heißt der Film im Original, bei uns hieß er DIE FALLE. Übersetzt lautet der O-Titel "Der Tod legte ein Ei"!
Auch Giulio Questi hat mit diesem Film ein Ei gelegt, und zwar ein goldenes. (2001: Dieses Ei ist bei uns auch unter dem Titel PSYCHO-TERROR auf einem obskuren Label namens "Solitär Video" erschienen...)
http://www.christiankessler.de/giallo1a.html