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The Sadist with the Red Teeth - Jean-Louis van Belle (1970)

Verfasst: So 19. Feb 2012, 09:26
von jogiwan
The Sadist with the Red Teeth

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Originaltitel: Le Sadique aux dents rouges

Herstellungsland: Belgien / 1970

Regie: Jean-Louis van Belle

Darsteller: Daniel Moosman, Jane Clayton, Albert Simono

Story:

Nach einem schweren Autounfall ist der Werbefachmann Daniel trotz psychiatrischer Behandlung überzeugt, zu einem Vampir mutiert zu sein. Trotzdem wird er Monate danach als geheilt entlassen und sorgt danach mit seinem seltsamen Verhalten in seinem Umfeld für einige Aufregung. Während er wildfremde Menschen anfällt und immer wieder seltsame Visionen hat, beginnt er sich zum Mißfallen seiner hübschen Freundin Jane auch zunehmend wie ein Vampir zu verhalten. Daniel steht aber weiter unter ständiger Beobachtung der Ärzte und als es die erste Leiche gibt, wird auch die Polizei auf den seltsamen Mann aufmerksam...

Re: The Sadist with the Red Teeth - Jean-Louis van Belle (19

Verfasst: So 19. Feb 2012, 09:30
von jogiwan
Sehr seltsamer Film des belgischen Filmemachers Jean-Louis van Belle, der in den 60/70ern wohl eine Handvoll seltsamer Filme gedreht hat, die bisher von der breiten Masse ignoriert wurden. "The Sadist with the Red Teeth" ist aber trotz kostengünstiger Machart sehr interessant ausgefallen und bietet eine seltsame Geschichte, die in teils sehr strangen Bildern eingefallen ist. Auch die Erzählweise ist mitunter ungewöhnlich und bietet farbverfremdete und rückwärts laufende Bilder, sowie S/W-Inserts, die das Seelenleben des Protagonisten beschreiben. Erinnert etwas an Jean Rollin mit weniger Nudity, ist aber ansonsten weniger zurückhaltend und aufgeschlossenen Zuschauern hiermit auch empfohlen: 7/10

Re: The Sadist with the Red Teeth - Jean-Louis van Belle (19

Verfasst: So 19. Feb 2012, 15:33
von jogiwan
hier noch ein paar Pics der US-Scheibe:

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Re: The Sadist with the Red Teeth - Jean-Louis van Belle (1970)

Verfasst: Mi 8. Mai 2019, 22:11
von Salvatore Baccaro
Nachdem ich mir vor einigen Tagen Jean-Louis van Belles mondo-esquen Streifzug durch die französische Hauptstadt PARIS INTERDIT zu Gemüte geführt habe, widmete ich mich gestern seinem ersten Langspielfilm, einer obskuren Produktion des Jahres 1971 mit dem schönen Titel LE SADIQUE AUX DENTS ROUGES, die nun wirklich, wie auch Jogi bereits angedeutet hat, selbst für eingefleischte Freunde des gepflegten Psychotronic-Kinos ein Erlebnis darstellen dürfte...

Bei einem Autounfall hat Daniel nicht nur seinen besten Freund verloren, sondern außerdem ein derartiges Trauma davongetragen, dass er geraume Zeit in einer Nervenheilanstalt zubringen musste. Die Schuldkomplexe des jungen Manns manifestieren sich in dem Wahn, er sei Angehöriger jener Klasse von Blutsaugern, die mit Fledermausflügeln durch die Nacht flattern. Obwohl noch nicht geheilt, entlässt sein behandelnder Arzt ihn zu Beginn des Films in die treusorgenden Arme seiner Freundin Jane und den (Arbeits-)Alltag. Wenn Daniel allerdings nicht seiner Profession als Angestellter einer Webeagentur nachgeht oder die Freizeit in Pariser Lichtspielhäusern verbringt, wird er von Tagträumen, Halluzinationen, Spukbildern verfolgt, die ihm allesamt vorgaukeln, seine Umwelt sei vampirisch verseucht, und er selbst müsse endlich auch einmal seine Zähne in einen Frauenhals schlagen. Da seine Fangzähne freilich kaum ausgebildet sind, besorgt Daniel sich im örtlichen Kostümverleih erst einmal ein Paar Pappbeißer, was indes nur ein erster Schritt auf dem Weg der völligen Vampirisierung ist: Vom Geschlechtsakt mit Jane hält ihn alsbald deren Kreuzkette ab, und als er im Kino Jean-Louis van Belles PARIS INTERDIT sieht, ist es vollends um unseren Held geschehen. Dort nämlich gibt es ebenfalls ein Segment, das sich mit einem modernen Vampir mitten in Paris beschäftigt – einem Herrn mit Fledermausohren, der im Schlachthaus das Frischgezapfte eines Rinds genießt. Genau diesen Mann sucht Daniel auf, um von ihm in die Gilde der Blutsauger aufgenommen werden, was seine Zwangsvorstellungen, wie man sich denken kann, nurmehr verfestigt. Während Jane herausfindet, dass Daniels Arzt und sein unter nervösen Ticks leidender Assistent ihren Liebsten offenbar permanent beschatten, werden auch einige andere Personen auf die sich bald häufenden Schandtaten unseres Protagonisten aufmerksam. Schön fasst der Mediziner den Reigen skurriler Figuren in einer Szene zusammen: Da ist ein Polizeichef, der den Vampir von Paris dingfestmachen will, um eine Beförderung zu bekommen; da ist der ermittelnde Kommissar, der den Posten des Polizeichefs anstrebt; da ist ein Journalist, der mehr als nur ein Auge auf Jane geworfen hat; und da ist sogar ein Zirkusdirektor, der davon träumt, den Vampir als Attraktion für sein Publikum gewinnen zu können. Aber auch der Medicus selbst scheint etwas im Schilde zu führen, und Daniel ganz bewusst mehr und mehr in seine Hirngespinste hineinzudrängen…

Die erste Referenz, die einem bei französischen/belgischen Vampirfilmen der frühen 70er einfällt, dürfte natürlich Jean Rollin sein. Obwohl LE SADIQUE AUX DENTS ROUGES es niemals anstrebt, jene lyrisch-melancholische Note zu treffen, die Rollins beste Momente auszeichnet, ergeben sich zwischen van Belles Spielfilmdebut und dem Oeuvre dieses immer noch viel zu verkannten Filmemachers doch einige Überschneidungen, die über die bloße Halsbeißer-Thematik hinausgehen, (die van Belle sowieso auch, im Gegensatz zu Rollin, konsequent als pathologisches Problem behandelt.) Gerade Werke wie LE VIOL DU VAMPIRE oder LÈVRES DE SANG mit ihren sich überstürzenden, an Stummfilmserials wie Groschenroman-Topoi gleichermaßen geschulten Plot-Volten voller Verschwörungen und Verfolgungen sprangen mir mehr als einmal in den Kopf, als LE SADIQUE AUX DENTS ROUGES mit zunehmender Laufzeit sukzessive in einen Strudel kruder Einfälle gerät. Genau diese separieren den Film dann aber auch von der zwischen Pulp und Poesie oszillierenden Schauerromantik eines Rollin: In seinem Kern zielt van Belle nämlich wesentlich mehr auf Gesellschaftssatire, auf Genre-Dekonstruktion, auf (durchaus politisch interpretierbares) Experimentalkino ab, wenn beispielweise der Pariser Polizeiapparat als Ansammlung geltungssüchtiger Individuen gezeichnet wird, wenn sich Daniels Hausarzt als heimtückischer Manipulator herausstellt, der mit seinem eigenwilligen Patienten wie mit einem Versuchskaninchen hantiert, oder wenn die ganze Chose in einer überzeichneten Maskenballsequenz kulminiert, die keine fünf Zentimeter von der expliziten Parodie trennt. LE SADIQUE AUX DENTS ROUGES ist deshalb auch überhaupt nicht gruselig, nicht mal wirklich spannend oder dramaturgisch aufreizend, schon gar nicht erotisch - (die insgesamt drei blanken Busen wirken vielmehr reichlich forciert) -, sondern ein befremdliches Stück Zelluloid zwischen allen Stühlen, den gute Gründe genauso in die Kategorie des hanebüchenen Trashs wie in die der durchdachten Satire einordbar machen.

Dabei findet van Belle allerdings durchaus ansprechende Wege, uns mitten hineinzuversetzen in die derangierte Weltsicht seiner Titelfigur. Ein wunderbares Stilmittel beispielweise ist es, dass in emotional aufgeladenen Situationen immer wieder auf schwarzweißes Found-Footage-Material zurückgegriffen wird. Wenn Daniel von seinem vampirischen Mentor dental entjungfert wird, zeigt van Belle uns Archivaufnahmen eines Sturms, der irgendeine Kleinstadt zerlegt, und wenn unser Held zu Beginn beinahe vor ein Auto läuft und dadurch den Unfall, der ihm die Seele zerrüttet hat, noch einmal Revue passieren lassen muss, sehen wir Hauszeilen, die in die Luft gesprengt werden. Ebenso arbeitet van Belle aber auch mit einem ganzen Arsenal an Tricksequenzen: Mal läuft das Bild rückwärts, dann wieder werden, wie schon in der Exposition von PARIS INTERDITS, Negativbilder verwenden; es gibt Überblendungen, bei denen Daniels Augen durch Spinnen und Schlangen ersetzt werden, und auf der Tonspur dürfen sich auch mal schrille Vogel- und Äffchenstimmen austoben. Da wenigstens mir sich nicht erschlossen hat, worauf der Film nun eigentlich – abseits seines juvenilen Übermuts – hinauswill, gewinnt LE SADIQUE AUX DENTS ROUGES gerade durch seine offen zur Schau gestellte Heterogenität, und steckt voller memorabler Szenen, die ich einfach nur herzen und küssen möchte: Die Wände im Treppenhaus von Daniels Wohnung, die so feucht sind, dass sie zu schwitzen scheinen; die Großaufnahmen schreiender und blutender Gesichter, die völlig unvermittelt in den Film hineinmontiert sind; die haarsträubende Séance bei einem Hypnotiseur, der Daniels vampirisches zweites Ich hervorkitzeln soll, und in der Dinge geschehen, die sich mir derart wenig erschlossen haben, dass ich sie nicht mal profund beschreiben kann; nicht zuletzt die augenzwinkernde Selbstreflexivität, mit der van Belle sein eigenes Vorgängerwerk zum eigentlichen Vehikel der Handlung macht.

Hach, was soll es an dieser Perle abseitigen Zelluloids nicht zu mögen geben...!

Re: The Sadist with the Red Teeth - Jean-Louis van Belle (1970)

Verfasst: Mi 8. Mai 2019, 22:31
von jogiwan
Danke Salvschi für den interessanten Text, der im Gegensatz zu meinem "seltsamen" Geschreibsel vor sieben Jahren dem Film auch eher gerecht wird.

Re: The Sadist with the Red Teeth - Jean-Louis van Belle (1970)

Verfasst: Do 9. Mai 2019, 18:05
von Salvatore Baccaro
jogiwan hat geschrieben:Danke Salvschi für den interessanten Text, der im Gegensatz zu meinem "seltsamen" Geschreibsel vor sieben Jahren dem Film auch eher gerecht wird.
:verbeug:
Aber Film ist ehrlich "seltsam"! Das restliche Oeuvre des van Belle scheint man offenbar nicht so einfach bekommen zu können, oder hat da jemand noch was in der zugenagelten Kiste seines Bettkastens?

Ich habe nun auf einer einschlägigen Schmuddelseite lediglich noch seinen expliziten Fleischfilm namens MADE IN SEX aus dem Jahre 1976 aufgestöbert - mal schauen, ob der etwas taugt. Ansonsten schweigt sich das Netz über etwaige Heimmedien-Veröffentlichungen eisern aus.