● PSYCHO II / PSYCHO 2 (US|1983)
mit Vera Miles, Robert Loggia, Dennis Franz, Hugh Gillin, Claudia Bryar, Robert Alan Browne, Ben Hartigan und Meg Tilly
eine Produktion der Universal Pictures | Oak Industries | im Verleih der UIP
ein Film von Richard Franklin
»Lass die kleine Hure nicht wieder in mein Haus!«
Nach 22 Jahren wird der siebenmalige Mörder Norman Bates (Anthony Perkins) aus der Psychiatrie entlassen. Trotz heftiger Proteste und einer Kampagne von Lila Loomis (Vera Miles), der Schwester eines der Mordopfer, kann Norman ins normale Leben zurückkehren, da er aus klinischer Sicht als geheilt gilt. Obwohl er ein Motel besitzt, das allerdings in der Zwischenzeit von Geschäftsführer Toomey (Dennis Franz) zu einem gewöhnlichen Stundenhotel umfunktioniert wurde, beginnt er zunächst eine Arbeit in einem Schnellrestaurant, wo er die junge Kellnerin Mary (Meg Tilly) kennenlernt. Da sie von ihrem Freund den Laufpass bekam und momentan ohne Bleibe ist, lädt Norman sie ein, übergangsweise bei sich zu wohnen, doch das große, alte Haus samt Besitzer erscheinen ihr schnell ziemlich unheimlich. In den nächsten Tagen geschehen merkwürdige Dinge, denn Norman bekommt mysteriöse Telefonanrufe und Kurznotizen auf Zetteln. Das ungewöhnliche daran ist, dass sie von seiner, damals von ihm ermordeten Mutter zu sein scheinen...
Die einführenden Bilder zu "Psycho II" versprechen mehr, als nur ein Déjà-Vu für den Zuschauer zu werden, denn gleich zu Beginn wird man mit ungemütlichen Szenen konfrontiert, die aus Alfred Hitchcocks berühmten Klassiker von 1960 stammen, und den Mythos von "Psycho" aufgreifen. In Schwarz-Weiß-Bildern, die Filmgeschichte geschrieben haben, beobachtet man plötzlich Janet Leigh unter der Dusche im legendären Bates-Motel, bis sie von einer beängstigenden Gestalt mit mehreren Messerstichen niedergestreckt wird. Diese kleine Gedächtnisstütze wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen, kündigt aber selbstbewusst an, dass "Psycho II" nicht nur ein Abziehbild werden möchte. Szenen am Gericht führen sogleich zwei gute alte Bekannte ins Szenario ein, die bereits in der Urversion zu sehen waren, nämlich den wieder einmal irritierend ruhig wirkenden Norman Bates und Lila Loomis, die Schwester der damals ermordeten Marion Crane, die gleich als zu allem entschlossene Gegenspielerin aufgebaut wird und lautstark auf die tödlichen Gefahren einer Entlassung hinweist. Richard Franklins Film ist durchzogen mit Verknüpfungen zu Hitchcocks Klassiker, die nicht nur thematischer Art, sondern auch stilistischer und inszenatorischer Natur sind. Dennoch wird schnell deutlich, dass diese Fortsetzung versucht, vollkommen auf eigenen Beinen zu stehen und das auch eindrucksvoll unter Beweis stellen wird. So kommt man in den Genuss einer Geschichte, die angebrochene Gedanken weiterführt und dabei fährt die Regie eine beeindruckende Doppelstrategie, die Verlauf und Ausgang der Geschichte unberechenbar bleiben lassen, was sich letztlich komplett innerhalb bestehender Gesetze von Horror-Filmen gehobeneren Niveaus bewegt. Der neue Weg innerhalb vorhandener Rahmenbedingungen wird von einer sehr ansprechenden Besetzung geebnet, Bezüge zur 1960er-Version werden tatkräftig von Anthony Perkins und Vera Miles hergestellt, aber vor allem verfeinernd weitergeführt.
Perkins gestaltet seine Rolle wieder einmal sehr facettenreich, sein Wesen wirkt nervös, gehemmt, zerbrechlich und eigentlich undurchschaubar. Nach seiner Entlassung aus der Haft läuft er dem Empfinden nach ins Leere, oder vielmehr gegen eine Wand, die Alltag heißt und den er schon vor mehr als über 20 Jahren nicht bewältigen konnte. Im Haus seiner Mutter kommt es ohne Umschweife zu Situationen, die mehrere Möglichkeiten offen halten und zunächst ist es nicht genau zu deuten, ob es sich um rezidivierende Wahnvorstellungen handelt, oder um die hässlichen Gesichter eines Komplotts. Perkins, der den Verlauf so gut wie zu jedem Zeitpunkt trägt, macht einen hervorragenden Eindruck und provoziert geschickt Eindrücke beim Zuschauer, die zwischen Zutrauen und Skepsis hin und her pendeln. Vera Miles fällt bereits bei ihrem ersten Erscheinen durch ihre aggressive, und Zweifel schürende Rhetorik auf, als sie die Gerichtsverhandlung und deren Urteil zu unterwandern versucht. Auch diese gerne gesehene Interpretin schafft es sehr nachhaltig, dem Zuschauer zwiespältige Empfindungen aufzuzwingen. Eigentlich müsste Lila Loomis in die Kategorie der Personen fallen, mit denen man weitgehend sympathisieren kann, aber das ist irritierenderweise nicht der Fall. Vielmehr nimmt man eine hartherzige und selbstgefällige Frau wahr, die zu allem entschlossen sein könnte. Auch sie ist es, die der ambivalenten Figur Norman Bates auf unbestimmte Art beim Thema Mitfiebern zuträglich ist. Die frisch aufspielende Meg Tilly wirkt einerseits wie das klassische Äquivalent zu ihrer Film-Tante Janet Leigh, doch andererseits liegt es auch in ihrer Macht, vollkommen konträre Züge anzunehmen. Abrundende Leistungen servieren Robert Loggia, Dennis Franz oder Claudia Bryar und insgesamt bleibt der Eindruck über weite Strecken bestehen, dass die Skizzierungen aller Beteiligten das verwirrende Element vorantreiben können, wenngleich manche Personen in voller Absicht Schablonen bedienen.
Naturgemäß steht eine derartige Geschichte unter keinem guten Stern für die meisten Beteiligten und man wittert von der ersten Minute an Blut, Spektakel und Wahnsinn in der Luft. Der Spannungsbogen funktioniert auch ohne frühe Kniffe dieser Sorte sehr gut, sodass ein vollkommen unbehagliches Element die Szenerie nach Belieben dominieren kann. Der erste Mord wirkt daher wie vorprogrammiert und überhaupt sind die Inszenierungen dieser Inhalte sehr atmosphärisch mithilfe extravaganter Kamera-Einstellungen und beißender Akustik festgehalten worden. Die Frage, ob Norman Bates nur Opfer eines perfiden, doppelten Spiels ist, oder er die Geschehnisse aus dem Hinterhalt selbst antreibt, wird nahezu in Whodunit-Manier zurückgehalten und später vorangetrieben. "Psycho II" funktioniert sehr eigenständig und überzeugend, ohne sich selbst mit halsbrecherischen Methoden zu überholen. Mysteriöse Anrufe und handgeschriebene Zettel mit der Unterschrift von Normans verstorbener Mutter heizen die ohnehin schon aufgeladene Stimmung mit psychologischem Gehalt an, Trugbilder und Stimmen werfen die Frage auf, ob es mit Bates wieder so weit ist, oder immer schon so weit war, nämlich dass es mit seinem Geisteszustand nicht zum Besten gestellt ist. Franklin nimmt sich schließlich den Luxus vieler Spielräume und lässt dabei so manches Hintertürchen offen, um ein überraschendes, sowie spektakuläres Finale anzubahnen, beziehungsweise zu präsentieren. Wenn der Spuk dann endlich leider vorbei ist, kann die Regie sogar noch buchstäblich eine ungemütliche Schippe draufsetzen und am bitteren Ende fühlt man sich verwirrt und leer, aber insgesamt auch aufgeklärt. "Psycho II" ist eine rundum gelungene Fortführung eines legendären Alptraums geworden, der mit neuem Schwung und eigenständigem Charakter mehr als überzeugend ausgefallen ist. Unterm Strich bleibt nach persönlicher Ansicht eine der formvollendetsten Brücken im Horrorfilm-Bereich. Immer wieder gerne gesehen, immer wieder begeisternd!