Originaltitel: Commando Mengele
Produktionsland: Italien 1987
Regie: Andrea Bianchi
Darsteller: Howard Vernon, Jack Taylor, Antonio Mayans, Fernando Rey, Suzanne Andrews
"Sadistic, surgeon of demise
Sadist of the noblest blood
Destroying, without mercy
To benefit the Aryan race"
Slayer, Angel of Death
Aus gegebenem Anlass… ein völlig in Vergessenheit geratenes Werk des Andrea Bianchi, gedreht im Jahre 1987, das heißt wenige Jahre nach GIOCHI CARNALI, der in mir vor allem Befremden, wenn nicht gar Ekel ausgelöst hat. Sein Titel lautet – und jetzt sollte erstmal jeder einmal kräftig durchatmen – COMMANDO MENGELE…
Gleich nach dem Prolog, in dem eine auch im restlichen Film nicht wesentlich näher definierte Spezialeinheit, deren Spezialkommando es ist, in Lateinamerika untergetauchte NS-Kriegsverbrecher ausfindig und dingfest zu machen, sich in Kampfhandlungen mit einem gewissen Dr. Hess und dessen Schergen verwickelt, bei dem es sich, was sich später als falscher Verdacht herausstellen wird, angeblich um den gefürchteten KZ-Arzt Dr. Josef Mengele handeln soll, liefert COMMANDO MENGELE eine Szene, die mich durchaus beeindruckt hat. Die Kamera fährt beinahe elegisch langsam von einem aus einem Fenster zu sehenden Panorama hinein in das Interieur, das zu diesem Fenster gehört. In einer recht hübsch eingerichteten Stube kauert ein Liebespaar auf einem Sessel. Sie bewegen sich nicht, wirken wie zwei aneinandergeschmiegte Statuen. Es ist so eine Stimmung in dem Raum wie man sie kennt, wenn man lange und intensiv Sex gehabt hat und danach von einer unaussprechlichen Melancholie überfallen wird. Als die Kamera nach ihrem Schwenk endlich zum Stillstand kommt, erkennt man über ihnen ein Gemälde an der Wand. Es zeigt eine nackt im Bett liegende Frau, die dem Betrachter ihren Rücken zuwendet. Ein bisschen erinnert es an eine der bare-back-Studien Millets. Genau erklären kann ich es nicht, aber dieser Schwenk zusammen mit der Bildkomposition und der angenehmen Musik hat bei mir einen Eindruck hinterlassen, den man am besten als schön beschreiben kann. Dass ich das einmal über einen Bianchi-Film der späten 80er sage, erstaunt mich zugegebenermaßen selbst am meisten.
Die nächste Szene ist ebenfalls eine, die ich mir mit rotem Textmarker unterstrichen habe. Unser Liebespaar – der männliche Part ist, wie sich bald herausstellen wird, Agent im Auftrag oben genannter Spezialeinheit, seine Eltern sind im KZ gestorben, er selbst dort geboren, und in ihm pulst unstillbarer Rachedurst, der weibliche Part ist, wie sich bald herausstellen wird, nicht viel mehr als Kanonenfutter, das die Handlung vorantreiben soll – zuckt hoch, als im scheinbar die ganze Zeit über angeschaltet gewesenen Fernsehapparat ein dringlicher news report gebracht wird. Sein Inhalt: Mutmaßungen zur Folge soll sich Dr. Mengele in Paraguay aufhalten, das in Bianchis Paralleluniversum übrigens am Meer liegt. Statt dass man jedoch einen Nachrichtensprecher sieht oder Bildmaterial, das unmittelbar mit dieser Meldung zu tun hat, besteht der gesamte Beitrag aus Archivaufnahmen, die die Gräuel in den Lagern des Dritten Reichs bebildern. Ausgemergelte Leichenleiber, Photographien von angeblichen Mengele-Versuchskaninchen, sezierte Babys, ein Großteil davon schrecklich genug, nicht mal einem Industrial-Album der 70er als Cover dienen zu dürfen. Allerdings kann selbst der Laie in den mehreren Minuten, die der off-Sprecher braucht, um so grob, als spreche er zu Zuschauern, die keinen Hauch historischen Bewusstseins besitzen, darüber aufzuklären, was nun eigentlich am Dritten Reich so schlimm gewesen sein soll, altbekannte Bilder entdecken, die nicht wirklich in einen KZ-Kontext gehören, beispielweise das des namenlosen kleinen Jungen, der beim Aufstand im Warschauer Ghetto verängstigt die Arme vor der Waffe eines SS-Manns hebt. Viel wichtiger ist aber, dass COMMANDO MENGELE in dieser Szene sozusagen von seinen eigenen Bildern überlistet wird. Dieser Nachrichtenreport soll betroffen machen, den Betrachter sensibilisieren für die Thematik, ein Statements sein für Menschlichkeit und gegen Faschismus. Dadurch aber, dass man gerade Photographien auswählt, von denen eine schauderlicher ist als die andere, untergräbt man sein vorgeblich hehres Vorhaben gleich wieder. Es ist so wie wenn Sergio Garrone den Vorspann eines seiner berüchtigten Lagerfilme mit Originalaufnahmen eben aus einem solchen Lager unterlegt. Das Deckmäntelchen der politischen Korrektheit ist derart dünn, dass es gar keiner großen Anstrengung bedarf, ihn dem Film von den Schultern zu streifen, um darunter zu erkennen, dass ein Film namens COMMANDO MENGELE sicherlich alles sein wird, nur keine seriöse Geschichtsstunde.
Womöglich hat das aber der renommierte Fernando Rey geglaubt, der als Chef der Spezialeinheit in einem Büro irgendwo in Europa ernster und seriöser als ein solches Werk eigentlich erlaubt den alten, weisen Juden Felsberg spielt. Dort nämlich, fernab des eigentlichen Geschehens, bekommt er nicht mit, wie Marc, unser nomineller Held, mit seiner Freundin auf Verdacht einen Abstecher zu einem nahegelegenen Schloss unternimmt, in dem sie Dr. Mengele vermuten. Wie sie darauf kommen? Man fragt sich eher: wieso sind sie die Einzigen, die es verdächtig finden, dass besagtes Schloss wie eine Festung fernab der Zivilisation aufragt und dabei von einem wahren Heer an Leibwächter umzingelt ist, die allesamt Armbinden mit der Aufschrift 4R tragen? 4R, das steht tatsächlich für Viertes Reich, das nämlich will Dr. Mengele – der ist es nämlich wirklich, der hinter den Mauern weiterhin seinen menschenverachtenden Experimenten frönt – in Südamerika ausrufen, natürlich unter Vorherrschaft einer von ihm herangezüchteten Herrenrasse, unterstützt von einem ehemaligen Vietnam-Soldaten, den die Schrecken des Kriegs in den Wahnsinn getrieben haben und der nun als seine rechte oder linke Hand fungiert, d.h. beispielweise dienlich dabei ist, junge Nachtclubmädchen in die Fänge des verrückten Wissenschaftlers zu locken, damit er sie mit manipuliertem Arier-Sperma befruchten kann. Eine davon lernt Marc kennen, nachdem seine Freundin Opfer der sogar mit Helikoptern ausgestatteten Leibgarde geworden ist, und sie berichtet ihm Dinge, bei denen selbst mir die Haare zu Berge stehen. In Rückblenden wie aus einem vergessenen Hitchcock-Thriller erzählt der Film lang und breit wie besagter Ex-US-Soldat namens Wolfgang von Backey sie zunächst ködert, ihr viel Geld verspricht, sie in Mengeles Schlösschen bringt und wie sie dort zur Mätresse des greisen Arztes wird. Eines Nachts indes erwacht Eva außerplanmäßig. Aus der Ferne hört sie seltsames Gebrüll, das sich anhört wie von einem wütenden Hund. Sie geht dem nach, hinab in die Kellergewölbe. Es ist Hitler selbst, der da so schreit, während ihr sugar daddy in einem Zimmer voller Hakenkreuze und Führerportraits vor einem Bild des Adolfs strammsteht, als sei er von diesem hypnotisiert. Spätestens da ist Eva, die im Übrigen von Mengele für ihre Neugierde einige Ohrfeigen kassiert, klar, dass sie in eine Sache hineingeraten ist, die sie besser meidet. Sie flieht, lernt Marc kennen, man bekommt Zuwachs von den typischen Helfershelfern wie einem Technikspezialisten, einem Kung-Fu-Kämpfer und einem bärenstarken Bärenjuden, und versucht nun im Alleingang, das Nazinest auszuräuchern.
Warum im Alleingang?, wird sich der eine oder andere nun zurecht fragen, denn immerhin ist man doch Teil einer offenbar international operierenden Spezialeinheit. Das wiederum liegt an Felsberg, der erst einhundertprozentige Beweise dafür geliefert werden möchte, dass es sich bei dem Arzt, der Eva so in Schrecken versetzt hat, tatsächlich um Mengele handelt: vorher will er kein Grünes Licht für einen Vernichtungsschlag geben. Er rechtfertigt das damit, dass schon viel zu viel unschuldiges Blut vergossen worden ist, nimmt aber andererseits in Kauf, dass Marc und die anderen ihr Leben ziemlich leichtfertig aufs Spiel setzen, wenn sie beispielweise in die zugegebenermaßen plötzlich gar nicht mehr so schwer bewachte Festung eindringen, um ein Glas zu stibitzen, das der vermeintliche Mengele nachweislich in den Fingern gehabt hat. Das reicht jedoch noch immer nicht. Die Identität kann nicht eindeutig festgestellt werden. Da Fernando Rey gefühlte fünfzigmal den Satz wiederholt: „I need proof!“, soll nun Eva zu Mengele zurückkehren, um dessen Anwesen nach einem solchen Beweis zu durchsuchen. Sie erklärt ihre Abwesenheit dadurch, dass sie entführt worden sei, becirct den Alten, dass der sogar einmal geschmeichelt lächelt, und darf sogar der Experimente ansichtig werden, die in den Katakomben des Schlosses betrieben werden. Ich weiß nicht, ob das ein anerkennendes Kopfnicken in Richtung LA BESTIA EN CALORE sein sollte, aber Mengeles Hauptexperimentierfeld ist zurzeit das Generieren von Affenmenschen. Seine Opfer, stöhnend und jammernd auf Pritschen gepfercht, haben eine kahle und eine völlig behaarte Gesichtshälfte, unglaublich buschige Augenbraunen oder Affentatzen. Der Schimpanse, mit dessen Sperma ihre Mütter zwangsbefruchtet worden sind und der demnach aus biologischer Sicht ihr Vater ist, hüpft dazu munter im Krankensaal umher.
Wem das noch nicht reicht, um COMMANDO MENGELE völlig aus jeglichem ernsthaften Diskurs herauszunehmen, dem darf ich kurz schildern wie in Bianchis Welt Autoexplosionen funktionieren. Einmal werden unsere Helden von Gegenagenten gehetzt. Der Fahrer, der oben genannte Bärenhüne, springt aus dem Fahrzeug, in dem sich Marc und Eva verstecken, und wartet auf die Nazis hinter einem Baum mit gezückter Handgranate. Als sie ihn passieren, wirft er ihnen diese voller Freude hinterher. Es folgt ein Schnitt und schon brennt das Auto lichterloh. Dass es sich bei diesem auf einmal um ein wesentlich älteres Modell handelt als zuvor, das erkennt selbst jemand, der so wenig Ahnung von Autos hat wie ich, dem man kürzlich erst erklärt hat, was denn eigentlich Felgen sind. Eine ähnliche Kerbe kratzt das Grande Finale, das mich eher an Pfadfinderübungen erinnert hat. Man wirft Granaten, irgendwo explodiert etwas, Männer fliegen durch die Luft. Das Budget hat immerhin gereicht, einen echten Helikopter anzumieten.
Aber sowieso scheint mir COMMANDO MENGELE indes vor allem ein Schauspielerfilm sein. Christopher Mitchum als Wolfgang von Backey mit 80er-Metal-Frisur, Antonio Mayans, unter anderem bekannt aus Francos unvergesslichem OASE DER ZOMBIES, Fernando Rey, vor allem aber die Recken des Euro-B-Kinos Jack Taylor und Howard Vernon, die sich als Geheimagent Aaron Horner und Dr. Mengele gegenüberstehen, erheben den durchaus temporeich und abwechslungsreich inszenierten Film dann doch über einen handelsüblichen Actionthriller, dem man ein paar Swastikas umgebunden hat. Eine Lesart COMMANDO MENGELEs, die mir besonders behagt, wäre die, den gesamten Film als ein Suchen und Finden zwischen Jack Taylor und Howard Vernon, der sich als Mengele beinahe um den Verstand zu spielen scheint, zu verstehen. Beide begegnen sich im Laufe der knapp neunzig Minuten kein einziges Mal, erst im Finale treffen sie aufeinander, und selbst das nur für Sekunden, denn dann, scheint es, löst
sich der Film in einer Explosion auf, als habe er selbst einen Selbstzerstörungsknopf betätigt. Im Covertext der New-Vision-VHS klingt das dann in herrlicher Naivität so: "Nach vielen vergeblichen Versuchen können Marc und seine Männer den Gesuchten in einer schwerbewachten Villa stellen und umzingeln. Doch als sie die Festung stürmen wollen, explodiert plötzlich eine Bombe."
Ich muss sagen: mit COMMANDO MENGELE hat mich Bianchi, was seine Person betrifft, wieder versöhnlicher gestimmt. Dieses Machwerk mag kein LE NOTTI DE TERRORE sein, er ist indes aber auch meilenweit von einem Gruselkabinett wie GIOCHI CARNALI entfernt. Ich empfehle einfach einmal, freilich ohne Gewähr.