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Thirsty for Love, Sex and Murder - Mehmet Aslan (1972)

Verfasst: Sa 28. Apr 2012, 17:24
von jogiwan
Thirsty for Love, Sex and Murder

Bild

Originaltitel: Aska susayanlar (Seks ve cinayet)

Herstellungsland: Türkei / 1972

Regie: Mehmet Aslan

Darsteller: Kadir Inanir, Meral Zeren, Yildirim Gencer, Eva Bender, Nihat Ziyalan, u.a.

Story:

:kicher: siehe hier: http://deliria-italiano.org/phpbb/post1 ... 0wien#p111

Re: Thirsty for Love, Sex and Murder - Mehmet Aslan (1972)

Verfasst: Sa 28. Apr 2012, 17:27
von jogiwan
Bild

eigentlich lustiges Filmchen, das recht lose Szenen aus Sergio Martinos "Killer von Wien" recyclet und dabei ziemlich trashy daherkommt. Dauert knapp 60 Minuten, und bietet die ähm... ausgeborgte Musik von "Citta violenta" und gibts als türkischen Beitrag zum Giallo-Genre als Double-Feature auf der Onar-DVD, die im obigen Bildchen abgebildet ist. Freunde von obskuren Filmen und Giallo-Trashheads können durchaus einen Blick riskieren. Hab die Sache jedenfalls recht kurzweilig in Erinnerung...

Re: Thirsty for Love, Sex and Murder - Mehmet Aslan (1972)

Verfasst: Fr 9. Okt 2015, 17:45
von Salvatore Baccaro
Dass sich die türkischen Filmproduzenten der 70er und 80er mit Vorliebe auf zumeist US-amerikanische Blockbuster einschossen und diese dann kostengünstig in ihrem Heimatland, und vermutlich ohne sich die Rechte hierfür zu sichern, einfach noch einmal drehten, ist, glaube ich, allseits bekannt, und Werke wie DÜNYAYI KURTARAN ADAM (1982), die türkische Variante von STAR WARS, oder TURIST ÖMER UZAY YOLU’NDA (1973), die türkische Variante von STAR TREK, oder SÜPERMEN DÖNÜYOR (1979), die türkische Variante von SUPERMAN, dürfen, finde ich, in keiner gutsortierten Sammlung kinematographischer Kuriositäten fehlen. Bislang völlig an mir vorbeigegangen ist allerdings der Umstand, dass die irgendwo zwischen absolutem Trash und hoher Avantgarde hin und her pendelnden, und manchmal sogar beides spielerisch mit einer Klappe schlagenden, Filmschaffenden des Bosporus sich nicht bloß an seinerzeit international erfolgreichen Kinohits vergriffen, sondern ihre Fühler ebenfalls nach etwas unbekannteren Nischenerzeugnissen ausstreckten, die heute eher für ein bestimmtes Genre-Klientel als Klassiker gelten. ASKA SUSAYANLAR: SEKS VE CINAYET von 1972 jedenfalls ist, man mag es glauben oder nicht, ein reichlich schamloses Remake (oder Rip-Off?) des ein Jahr zuvor in die italienischen Lichtspielhäuser gelangten Meister-Giallos LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH von Sergio Martino.

Das Konzept ist so ökonomisch wie brillant: statt die eigene Kreativität wenigstens ein bisschen ins Spiel zu bringen – wie das beispielweise bei DÜNYAYI KURTARAN ADAM oder TURIST ÖMER UZAY YOLU’NDA der Fall gewesen ist, die ihre US-amerikanischen Vorbilder zwar nicht verhehlen, trotzdem aber durchaus eigene, mitunter sehr originelle Akzente setzen können -, kopiert Regisseur Mehmet Aslan den ihm vorliegenden Film nahezu 1:1. Im Grunde alles, was einem in LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH begegnet, findet sich in ASKA SUSAYANLAR: SEKS VE CINAYT in der einen oder anderen Form wieder. Edwige Fenechs und George Hiltons Sightseeing-Motorradfahrt durch Wien ist, wenn auch in Istanbul gedreht und auch wenn die Charaktere nun nicht mehr Julie und George heißen, sondern Mine und Yilmaz, ebenso vorhanden wie eine mörderische Duschszene, eine atemberaubende Verfolgungsjagd in einer Tiefgarage, die Photokamera, die Alberto de Mendoza im Original in Ivan Rassimovs Appartement findet und auf der sich angeblich nur ein einziges, den vermeintlichen Killer zeigendes Bild befindet – nur eben, dass die Charaktere hier nicht auf die Namen Neil und Jean hören, sondern auf Metin und Tarik usw.

Da diese Reihe endlos fortgeführt werden könnte, weise ich vielleicht besser auf die Differenzen beider Filme hin. Zunächst ist der Schauplatz, wie gesagt, nicht wie ein Martinos Film Wien, sondern Istanbul – und zwar ein Istanbul vor winterlicher Kulisse, mit Schneehaufen an den Straßenrändern und vielen entlaubten Bäumen, die dem Film, gerade im Vergleich mit den prachtvollen Wien-Aufnahmen des italienischen Originals, einen wesentlich trostloseren Anstrich verleihen. Auch sticht die Laufzeit ins Auge: bei LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH immerhin weit über eineinhalb Stunden, während ASKA SUSAYANLAR: SEKS VE CINAYT Mühe hat, überhaupt die volle Stunde zu erreichen. Letzteres führt dann freilich dazu, dass die türkische Kopie kaum Zeit für Feinheiten und ausschweifende Nebenschauplätze hat. Um Ernesto Gastaldis Drehbuch in knapp achtundfünfzig Minuten unterzubringen, muss gestrafft werden, was gestrafft werden kann: das Tempo ist somit ein wesentlich höheres, die Dialogpassgen aufs Wesentliche zusammengestutzt, Außenaufnahmen bekommen so gut wie gar keinen Raum – und wenn, bestehen sie aus den bereits erwähnten kahlen Bäumen. Storytechnisch wurde das Ende ein bisschen gnädiger gestaltet – es ist nur Mines Mann, Metin, der es auf ihre Lebensversicherung abgesehen hat, ihr Lover, Tarik, gehört nicht zum Komplott, steht auf ihrer Seite und rettet sie in einer völlig übertriebenen Finalschießer- und schlägerei vor einer ganzen Bande verbrecherischer Gesellen -, der Subplot um, im Original, Julies millionenschwere Freundin Carol wurde gänzlich fallengelassen – sie betritt als Oya zwar den sogenannten Belgrad Park, ein bemitleidenswerter Ersatz für den des Schönbrunner Schlosses, um dort Mines Erpresser zu treffen, kann diesem aber bis zum Abspann lebend entkommen -, und schließlich hat man die Figur des ermittelnden Inspektors etwas stärker gewichtet – wo er in LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH eigentlich erst gegen Ende überhaupt nennenswert in Erscheinung tritt, darf er in ASKA SUSAYANLAR: SEKS VE CINAYT ab etwa Filmmitte ein Verhör nach dem andern führen.

Dieser Inspektor führt uns nun zu den wenigen Eigenheiten der türkischen Adaption. Ich weiß nicht, ob Herr Aslan und sein Team dies intendiert haben, doch schaffte diese überzogene Figur es permanent, mich zum Lachen zu bringen. Seine völlig verrückte Masche, um aus seinen Gästen die Wahrheit hervor zu kitzeln, ist, ihnen so viele Fragen wie möglich so schnell wie möglich hintereinander in der Hoffnung zu stellen, sie verhaspeln sich, versprechen sich, verwechseln ein Ja mit einem Nein. Dass er damit, von meinem hüpfenden Bauch abgesehen, kaum weiterkommt, versteht sich fast von selbst. Ebenso eigen, weil nicht von LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH herrührend, ist die Eröffnungsszene. Was in den ersten beiden Minuten bei Martino passiert, kann man in diesem Forum an entsprechender Stelle nachlesen, in vorliegendem Film wird die Begegnung einer Anhalterin (wohlgemerkt: keiner Prostituierten!) mit dem Istanbuler Rasiermesserschlitzer ausgedehnt zu einer dem Wahnsinn verpflichteten Hetzjagd über Stock und Stein. Meine liebste Szene: das arme Opfer steht mitten auf einer Lichtung, hat freie Sicht in alle Richtungen. Trotzdem springt der Killer plötzlich wie ein Frosch von links in Bild und packt sie sich, so, als hätte es dort irgendwelche Büsche geben, um sich dahinter zu verstecken. Das Finale nimmt dieses Delirieren bereitwillig auf und stellt Hauptheld Tarik, um seine Liebste Mine zu befreien, gleich einem halben Dutzend schwerbewaffneter Feinde gegenüber, von denen sich zumindest mir nicht ganz erschlossen hat, wer diese denn nun sind und in welcher Beziehung sie zu Hauptbösewicht Metin stehen sollen. Ebenfalls idiosynkratisch bis zum Anschlag gebiert sich die Tonspur, auf der vertraute Morricone-Melodien - hauptsächlich aus Sergio Sollimas CITTÁ VIOLENTA – mit nervenzerreibendem Elektro-Gefiepse und sonstigem Klangchaos wechseln, und das manchmal mehrmals in einer einzigen Szene.

Es fällt mir schwer, meine Begeisterung zu unterdrücken. So sehr sich ASKA SUSAYANLAR: SEKS VE CINAYT darin mit Dreistigkeit hervortut, einen großartigen Film zu plündern und daraus einen, objektiv betrachtet, eher miserablen Film zu machen, so unterhaltsam ist das Endergebnis. Dieser Film schaut einen mit naiven, großen, unschuldigen Säuglingsaugen an, und ich kann nicht anders, als ihn in mein Herz zu schließen. Ein perfekter Film: mit Verfolgungsjagden, Schießereien, Prügeleien, Brüsten, Blutfontänen gegen Duschvorhänge, geklautem Score, geklauten Ideen en masse, einem Inspektor zum Verlieben, viel Schnee, einer besonders betrunkenen Tanzszene und dem nicht genug zu würdigenden Potential, ihn, zum Intensivvergleich, in einer Doppelvorstellung mit LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH zu zeigen. Nein, es fällt mir wirklich schwer, meine Begeisterung zu unterdrücken.