Das Phantom von Soho - Franz Josef Gottlieb (1964)

Moderator: jogiwan

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sid.vicious
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Das Phantom von Soho - Franz Josef Gottlieb (1964)

Beitrag von sid.vicious »

Phantom von Soho.jpg
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Alternativer Titel: Phantom of Soho
Produktionsland: Bundesrepublik Deutschland
Produktion: Artur Brauner
Erscheinungsjahr: 1964
Regie: Franz Josef Gottlieb
Drehbuch: Ladislas Fodor
Kamera: Richard Angst
Schnitt: Walter Wischniewsky
Musik: Martin Böttcher
Länge: ca. 97 Minuten
Freigabe: FSK 16
Darsteller:
[center]Dieter Borsche: Chefinspektor Hugh Patton
Barbara Rütting: Clarinda Smith
Hans Söhnker: Sir Phillip
Peter Vogel: Sergeant Hallam
Werner Peters: Dr. Dalmar
Helga Sommerfeld: Corinne Smith
Hans Nielsen: Lord Harald Malhaus
Elisabeth Flickenschildt: Joanna Filiati
Stanislav Ledinek: Clubmanager Gilyard
Otto Waldis: Leberfleck
Hans W. Hamacher: Capt. Muggins
Kurt Jaggberg: Jussuf[/center]

In London geht ein Mörder um, der in der Umgebung einer Striptease-Bar von Soho zuschlägt. Dieser Messermörder wird von der Presse das Phantom von Soho genannt. Die Bar ist ein Lokal in dem u. a. auch reiche Herrschaften ihrer Vergnügungen mit jungen Damen nachgehen. Die Spur führt Scotland Yard unweigerlich zur Barbesitzerin Joanna Filiati.

„Das Phantom von Soho“ startet recht viel versprechend im nebeligen Rotlichtmilieu von Soho, welches von netten Schattenspielen optisch bereichert wird. Leider verlässt der Film diesen guten Eintritt und verliert sich in einem recht tristen Gesamtbild.

Franz Josef Gottlieb macht in seinem Film nämlich nicht gerade viel richtig. Der Film kommt so gut wie gar nicht in Fahrt und kann den Zuschauer somit auch recht wenig einbinden. Die Vorraussetzungen für einen guten deutschen Kriminalfilm sind somit als recht schlecht zu bezeichnen. Atmosphäre und Spannung lassen sich kaum innerhalb von „Das Phantom von Soho“ finden. Selbst die Morde sind eher belanglos dargestellt und die dabei verwendeten Handschuhe des Mörders lassen eher an eines Sandstrahlers oder an die eines prähistorischen Außerirdischen erinnern, als an eine Figur vor der sich der Zuschauer fürchten soll.

Auch die Darstellerriege ist nicht sonderlich überzeugend. Dieter Borsche macht seine Sache als Chefinspektor Hugh Patton recht ordentlich, gefällt allerdings in den Rollen des Bösen, den er häufig verkörperte, wesentlich besser. Peter Vogel gibt als Sergeant Hallam den oberschlauen Gehilfen von Patton. Was man beachten sollte ist: dass Peter Vogel in Gottliebs „Das siebente Opfer“ in der Rolle des Butlers Irving sein Potential wesentlich besser ausspielen konnte. Innerhalb „Das Phantom von Soho“ kommt der spätere Adolf Kottan irgendwie nicht so richtig zum Zug. Schön ist es allerdings, dass dem Zuschauer ein Clown Marke: Chris Howland erspart blieb.

Barbara Rütting präsentiert in der Rolle der Clarinda Smith ein eher aufgesetztes Selbstbewusstsein. Das Gleiche gilt auch für die Undurchsichtigkeit von Elisabeth Flickenschildt in der Rolle der Joanna Filiati. Bleibt noch zu sagen, dass Hans Söhnker als unsicherer Sir Phillip äußerst enttäuscht. Einen Chef von Scotland Yard stellt man sich schon ein wenig anders vor. Gerade wenn man bedenkt, dass Gottliebs Film ernst gemeint ist. Also bitte keine Anspielungen auf Schürenberg.

Fazit: Eine schwache Bryan Edgar Wallace Verfilmung, die erst in den letzten fünf Minuten Fahrt aufnimmt und eine passable Lösung präsentiert. Kein Schiffsuntergang, aber doch knapp davor.

5/10
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buxtebrawler
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Re: Das Phantom von Soho - Franz Josef Gottlieb

Beitrag von buxtebrawler »

Soll heute Pidax noch einmal auf DVD erscheinen, diesmal voraussichtlich ungekürzt (laut OFDb-Shop):

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Extras:
- Booklet mit vielen Bildern und Infos (Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne)
- dt. Werberatschlag (PDF)
- Interview mit Regisseur Franz Josef Gottlieb
- dt. Trailer
- Bildergalerie

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=104303
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Diese Filme sind züchisch krank!
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Maulwurf
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Re: Das Phantom von Soho - Franz Josef Gottlieb (1964)

Beitrag von Maulwurf »

 
Das Phantom von Soho
Deutschland 1964
Regie: Franz Josef Gottlieb
Dieter Borsche, Barbara Rütting, Hans Söhnker, Peter Vogel, Helga Sommerfeld, Werner Peters, Hans Nielsen, Elisabeth Flickenschildt, Stanislav Ledinek, Otto Waldis, Hans W. Hamacher, Emil Feldmann


Das Phantom von Soho.jpg
Das Phantom von Soho.jpg (139.5 KiB) 125 mal betrachtet
OFDB

Franz Josef Gottlieb ist im klassischen Krimi-Umfeld eigentlich eher bekannt als der Mann für das Biedere. DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS oder DAS 7. OPFER gelten beide nicht unbedingt als Highlights deutscher Krimi-Unterhaltung, und auch für etwa DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE muss man schon ein klein wenig Liebe mitbringen. Umso erstaunlicher ist DAS PHANTOM VON SOHO, das inszenatorisch so dermaßen am Rad dreht, dass man in den Regie-Credits eher einen Namen wie Zbigeniew Brynych erwarten würde. Inszenatorisch, wohlgemerkt, denn die Story ist hanebüchen hoch drei. Ein Mörder geht im Umfeld des Nachtclubs Sansibar um, und nach und nach werden viele Gäste oder Personen aus dem Umfeld von einem unheimlichen Handschuhmörder erstochen. Ende der Inhaltsangabe …

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Aha, denkt sich der Connaisseur, ein früher Giallo, und liegt damit gar nicht so verkehrt. Dem Produktionsjahr geschuldet ermittelt hier zwar noch die Polizei und keine Privatperson, und die Szenerie ist natürlich ganz klar im Edgar Wallace-Umfeld zu verorten, aber sonst? Keine einzige Figur ist lebensecht, alle sind mindestens ein klein wenig übertrieben, wenn nicht sogar völlig grotesk, die Stimmung ist sinister und verrucht, die Musik ebenfalls, es sind mehrere Male nackte Damen zu sehen, und die roten Heringe könnten ein ganzes Aquarium bevölkern, so reichlich werden sie gefüttert. OK, der Blutgehalt ist natürlich extrem gering, aber dafür hat man das Vergnügen, jedem Mord in Form von Handschuhen, Messer und schreckgeweiteten Augen live beizuwohnen. Eine Darstellungsweise, die in dieser Konsequenz erst die Italiener ab etwa 1969 wieder verfolgten. Und wenn dann das Phantom tatsächlich am Ende das erste Mal zu sehen ist, dann hat es immer noch eine gruselige Maske auf. Auch wenn der Zuschauer bis dahin längst weiß wer sich unter der Maske verbirgt, so ist der Moment dank dieser Maske trotzdem nochmal eine Ecke spannender als nur ein schlichter Kameraschwenk.

Das Spannendste und Aufregendste in DAS PHANTOM VON SOHO ist aber die entfesselte Kamera von Routinier Richard Angst! Der Mann, der vor dem Krieg Großartiges wie DIE WEISSE HÖLLE VOM PIZ PALÜ unter Arnold Fanck und Georg Wilhelm Pabst, und nach dem Krieg Klassiker wie WIR WUNDERKINDER oder ICH DENKE OFT AN PIROSCHKA filmte, wurde hier offensichtlich mit reichlich Drogen abgefüllt, damit er diese abgedrehten Ideen verwirklichen konnte. Der Messerwerfer Jussuf, der seine Messer auf eine sich drehende Scheibe mit Helga Sommerfeld in der Mitte wirft, wird nicht nur aus Jussufs Perspektive gezeigt, sondern auch aus Helgas Blickwinkel. Und dabei sich drehend, immer schneller und schneller und schneller, bis zum kreiselnden Wirbelwind der fliegenden Messer. Oder die Idee, die Kamera in ein Regalfach zu legen, und ein Telefongespräch quasi aus Sicht des Telefons zu filmen. Überhaupt ist die Kamera gerne einmal hinter den Dingen – Ein längerer Dialog zwischen Werner Peters und der Flickenschildt findet hinter einem Gitter statt. Das Gefängnis wirft da seine Schatten ganz weit voraus …
Helga Sommerfeld verdreht einem völlig die Sinne und die Perspektive gleich mit, die Kamera versteckt sich unter einem Tisch und fotografiert nach oben, alternativ auch gerne über einer Statue mit Blickrichtung nach unten. Überwältigend auch der Moment, wo Hans Söhnker sich so vor einen goldenen Teller stellt, dass sein Kopf ausschaut als ob lauter Blitze auf ein eindreschen. Oder aus ihm herauszucken, je nachdem …
Auch der Teaser ist bemerkenswert, in dem die Kamera eine Mauer entlangfährt die mit Werbeanzeigen von Prostituierten vollhängt, und während dieser langsamen Fahrt hört man von der Tonspur die Verlockungen der Damen, das Gekicher, die kessen Sprüche.

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Mit solchen Ideen im Gepäck wird das Problem, dass der Ermittler eigentlich viel zu alt ist um als Identifikationsfigur für das Publikum zu taugen, und nicht einmal eine Liebesgeschichte stattfindet, dieses Problem wird geschickt umgangen. Dieter Borsche als bösartig-ältlicher Inspektor, dem Peter Vogel als Sergeant an die Seite gestellt wird (dem man hier mehr Ernsthaftigkeit und damit verbunden auch mehr Screentime gewünscht hätte, denn humoristische Tiefflieger wie Eddi Arendt stellte Vogel allein mit einem Zwinkern seiner Augenbraue problemlos in den Schatten). Hans Söhnker als Chef von Scotland Yard – Hochgradig verdächtig und ominös. Barbara Rütting als blonde Krimiautorin, die so gerne mal bei einem richtigen Fall dabei wäre, und natürlich Elisabeth Flickenschildt als fiese Herrin hinter der Kulissen, die, im Rollstuhl sitzend und mit einem Tuch um den Kopf, nur durch ihre Augen, ihre Ausstrahlung und ihre Bosheit wirkt, sowie Werner Peters als Heilpraktiker – Klein, rund, gemein. Wie man ihn kennt und liebt. Dieses Personal, eingerahmt von Charaktergesichtern wie Stanislaw Ledinek oder Hans Nielsen, lässt die völlig idiotische und, wenn man mal ehrlich ist, nebensächliche Krimihandlung zur Gänze in den Hintergrund treten. Wer hier wie und warum gerade ermordet wird? Unwichtig! Viel spannender ist das Mienenspiel von Hans Söhnker, der so seine kleinen Geheimnisse gerne für sich behalten will, und der nassforsche Dieter Borsche (hah, das reimt sich!), der seinen Chef mächtig angeht um ebendiese Geheimnisse zu erfahren. Barbara Rütting entpuppt sich wieder einmal als eine der aufregendsten Frauen des deutschen Kinos der 60er-Jahre, der man gerne eine größere Karriere im Exploitation-Film gegönnt hätte, und Helga Sommerfeld im extremst kleinen Schwarzen wird von Szene zu Szene schöner und sinnlicher.

DAS PHANTOM VON SOHO spielt eindeutig nicht in der 08/15-Klasse der Krimis vom Fließband, dafür steckt hier viel zu viel Liebe zum Detail. Wenn man denn erst einmal einen Zugang zum unsympathischen Kriminaler gefunden hat, und sich mit der Künstlichkeit dieser Welt arrangiert hat, dann stellt man voller Verwunderung fest, dass hier Ideen für mindestens wenn nicht noch mehr Filme drinstecken. Was vielleicht auch der Grund für die oft nicht so guten Bewertungen ist – Der Film ist einfach zu vollgestopft um wirklich zu überzeugen. Aber Spaß macht er richtig …

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Und einen ausgesprochen lasziv dargebrachten Titeltrack hat es auch:


8/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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buxtebrawler
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Re: Das Phantom von Soho - Franz Josef Gottlieb (1964)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 24.03.2023 noch einmal bei Pidax innerhalb der "Bryan Edgar Wallace Krimi-Collection"-9-DVD-Box:

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Beinhaltet:
Das Geheimnis der schwarzen Koffer
Der Würger von Schloss Blackmoor
Der Henker von London
Das Phantom von Soho
Das Ungeheuer von London-City
Das 7. Opfer
Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
Der Todesrächer von Soho
Das Geheimnis des gelben Grabes

Bemerkungen:
9 DVDs in einem Keepcase mit Wende-Inlay (inwendig ohne FSK-Logo)

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=122221
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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