Cherry 2000 - Steve De Jarnatt (1986)
Verfasst: Di 5. Jun 2012, 22:45
Britische Auflage. Die DVD ist mit der deutschen Ausgabe identisch.
Cherry 2000 (USA 1986, Originaltitel: Cherry 2000)
Puppenpopper
Wir schreiben das Jahr 2017. Längst ist die Endzeit angebrochen, Arbeitslosigkeit, Rohstoffmangel und Elend bestimmen den Alltag, ausserhalb der Städte erstreckt sich endloses Ödland, beherrscht von kriminellen Subjekten. In dieser tristen Welt hat sich Sam Treadwell (David Andrews) seine kleine Wohlfühlnische geschaffen, er hat einen Job und eine gepflegte Wohnung, stets wartet die hübsche Cherry sehnsüchtig auf ihren Liebsten. Für Sam ist seine Cherry die perfekte Frau, jederzeit willig und eine Granate im Bett. Doch der schöne Schein trügt, denn Cherry ist keine Frau aus Fleisch und Blut, Cherry ist ein Liebesroboter! Beim Räppelchen erleidet die Lustorgel einen heftigen Wassereinbruch, anschliessender Kurzschluss und Kabelbrand fügen Cherry irreparabele Schäden zu. Immerhin ist ihr Gedächtnischip noch brauchbar, Sam benötigt daher "nur ein neues Gehäuse". Leichter gedacht als beschafft, die Cherry-Baureihe wird seit längerer Zeit nicht mehr produziert, Restbestände sollen in der berüchtigten und verbotenen Zone 7 lagern. Unglücklicherweise befindet sich dieses Gebeit weit, weit draussen in der Wüste, auf eigene Faust hat Sam keinerlei Chance auf eine neue Gespielin. Der junge Mann engagiert Edith Johnson (Melanie Griffith), eine erfahrene und wehrhafte Jägerin mit besten Kenntnissen und Fähigkeiten. Dummerweise betrachtet sich ein gewisser Lester (Tim Thomerson) als Herrscher über das Territorium, eine Hatz auf Leben und Tod nimmt ihren Lauf...
Schon der Blick auf die Opening credits könnte kaum eindeutiger sein, "Cherry 2000" ist durch und durch ein Kind der achtziger Jahre. Stimmungsvolle Endzeit-Optik und die gute gewählte Besetzung machen Laune, jedoch kann sich der Streifen nicht für eine konsequente Marschrichtung entscheiden. Humor trifft auf Action und kleine Fiesheiten, zum Erscheinungsbild der Achtziger gesellen sich Rückblicke auf den dystopischen Film der siebziger Jahre. Ein Kessel unter Dampf, letztlich reduziert auf eine vorhersehbare Liebesgesichte, ohne Mut ausklingend. Wollten die Macher den Weichspüler? Musste man sich unter die Knute der Massentauglichkeit begeben? Sicher, unterhaltsam ist das Treiben in der tristen (und manchmal schrillen) Welt von Morgen. Aber mit ein wenig mehr Feuer im Hintern und Boshaftigkeit im Hirn, hätte "Cherry 2000" eine echte Prachtsuhle für Endzeit-Fanatiker werden können. Uff, damit könnte ich meinen Kurzkommentar bereits beschliessen und 6,5/10 auspacken. Zu früh gefreut, ganz ohne weitere Würdigung soll das Ensemble nicht zurück ins DVD-Regal wandern.
David Andrews ist durch zahlreiche Auftritte in amerikanischen TV-Produktionen bekannt. Der ein wenig schmächtig und unscheinbar anmutende Schauspieler steht im Schatten der herrlich aufspielenden Melanie Griffith, macht seinen Job allerdings nicht schlecht. Frau Griffith sieht mit ihrem knallroten Kopfputz nicht nur knuffig aus, hart und herzlich lässt sie sich nicht unterkriegen, schreckt vor keiner Gefahr zurück. Warum sich diese Powerfrau mit Herz in einen Lappen wie Andrews verguckt? Na, da sind wir wieder beim Thema Mutlosigkeit der Verantwortlichen. An dieser Stelle wird ein Lob für die solide deutsche Synchronisation fällig, nach Möglichkeit sollte der Zuschauer Melanie trotzdem im englischen Originalton geniessen, verdammt sexy! Tim Thomerson sorgt in der Rolle des psychotischen Bösewichts für erhebliche Steigerung des Unterhaltungswertes, neben Melanie Griffith ist er die grösste Zierde der Sause. Thomerson zeichnet für groteske Auswüchse verantwortlich, seinem Lester möchte man nur mit dem Gewehr im Anschlag über den Weg laufen, vorzugsweise überhaupt nicht. Ben Johnson sehen wir als väterliches Helferlein der flotten Melanie, Pamela Gidley leiht der Saftpresse Cherry ihr Gesicht. In kleinen Nebenrollen erfreuen uns alte Bekannte, wie z. B. der damals häufig anzutreffende Brion James, Laurence Fishburne schaut ebenfalls kurz rein.
"Cherry 2000" hat im Laufe der Jahre nichts von seinen Qualitäten eingebüßt, gleiches gilt indessen für die Schwächen. Zum Henker, das Teil hat Potential zum Vorschlaghammer und Freudenspender der Oberklasse, ärgerlicherweise verläuft vieles buchstäblich im Wüstensand. Schade!
Die DVD kämpft eine Spur zu heftig mit der Kompression, die Bildqualität geht als brauchbar durch, Boni werden nicht geboten. Übrigens ist die britsche Auflage (deutscher Ton an Bord) meist deutlich günstiger zu haben, der Import sollte sich lohnen. Trotz diverser Kritikpunkte möchte ich "Cherry 2000" nicht in meiner Sammlung missen. Endzeit geht sowieso immer, obschon die Handbremse hier zu häufig angezogen wurde.
6,5/10 (oberste Mittelklasse)
Lieblingszitat:
"Ja, ich bin eben keine verfluchte Maschine!"