Chatos Land - Michael Winner
Verfasst: Mo 11. Jun 2012, 22:57
Chatos Land (Großbritannien 1972, Originaltitel: Chato's Land)
Ein roter Mann sieht rot, den Pöbel ereilt der Tod ...oder Cowboy-Nazis im Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Chato (Charles Bronson) erschiesst in Notwehr den Sheriff einer staubigen Kleinstadt, das Halbblut kann unbehelligt aus dem Nest flüchten. Sofort giert die Stimme des Volkes nach blutiger und gnadenloser Vergeltung, unter der Führung des ehemaligen Südstaaten-Militärschädels Captain Quincey Whitmore (Jack Palance) wird die Verfolgung aufgenommen. Schnell ist eine Rotte zusamengetrommelt, kaum ein braver Bürger aus dem nahen Umland entzieht sich der Hatz. Vor allem Jubal Hooker (Simon Oakland) sowie dessen Brüder Elias (Ralph Waite) und Earl (Richard Jordan) treiben die Gruppe unnachgiebig an, Whitmore hat zunehmend Mühe den aufbrausenden Jubal unter Kontrolle zu halten. Chato kennt jeden Winkel der weitläufigen Gegend, er lockt seine Verfolger tiefer und tiefer in das ungastliche Ödland. Trotzdem finden die Männer um Whitmore schliesslich das Haus des Gejagten. Dort treffen sie nur Chatos Frau (Sonia Rangan), gegen den Willen ihres Anführers schänden einige Burschen das nahezu wehrlose Opfer, allen voran der ständig notgeile Earl Hooker. Damit haben die Fürchterlichkeiten noch längst nicht ihren Siedepunkt erreicht...
Regisseur Michal Winner arbeitete mehrfach mit Charles Bronson zusammen. Unvergesslich "Kalter Hauch" (The Mechanic, 1972) und "Ein Mann sieht rot" (Death Wish, 1974). "Death Wish" entwickelte sich zu einer Reihe um den von Bronson dargestellen Rächer Paul Kersey. Insgesamt entstanden fünf Filme, in denen der "Vigilante" für Ordnung sorgte, beim zweiten und dritten Teil nahm Winner ebenfalls auf dem Regiestuhl Platz. "Chatos Land" ist ein unterhaltsamer Fingerzeig auf die Reihe.
Im Western-Genre ist das Thema Rache gewissermaßem omnipräsent, insofern bietet der Plot auf den ersten Blick keine kreativen Ausritte. Doch "Chatos Land" begnügt sich nicht der genüsslichen Ausschaltung der Bösewichter. Der Streifen prangert mit Nachdruck das Thema Rassismus an, blickt skeptisch auf gefährlichen Gruppenzwang, verbunden mit Mangel an gesundem Eigensinn (heute spricht man wohl von Zivilcourage). Nun wird sich mancher Zuschauer fragen, ob hier nicht ein wenig zu offensichtlich und plakativ der Zeigefinger vor der Nase wedelt. Betrachtet man den Zeitpunkt der Entstehung des Films, scheint mir die eindeutige Verarbeitung der Thematik keinesfalls zu flach (oder gar als Alibi für diverse Härten eingestreut). Im Gegenteil, aus meiner Sicht funktioniert das Werk auf mehreren Ebenen, als konsequenter Rachereisser und gesellschaftskritsch aufgeladener Zaunpfahl (für manchen Zeitgenossen überdies als Spiegel mit unliebsamer Abbildung der eigenen Gedanken). Darüber soll nicht vergessen werden, dass das Drehbuch die Schraube beständig anzieht, die Handlung in eine stimmungsvolle Landschaft eingebettet wurde (Spanien diente bekanntlich auch vielen Italowestern als ausdrucksvolle Bühne). Wenn die ersten Geier über den Verfolgern kreisen, wütet in der Truppe der selbsternannten Gesetzeshüter längst der Zerfall, wird die Rangordnung zunehmend in Frage gestellt, fällt das Gefüge der Spaltung anheim.
Charles Bronson verkörpert Chato in Perfektion. Wenige Worte, sparsame (aber extrem ausdrucksstarke) Mimik und ein trainierter Körper. Aus dem Gejagten wird ein gnadenloser Rächer, die Hölle öffnet sich, verschlingt jeden Widersacher. So ist die staubig-heisse Landschaft Chatos stärkster Verbündeter, respektloser Pöbel endet im Taumel brüllender Verzweiflung. Interessant die Zeichnung der Gegenspieler des Helden, denn niemand bleibt auf das Format eines stumpfsinnigen Gewalttäters reduziert, sogar den Brüdern Hooker hängt man ein paar Kilo Menschlichkeit auf das abstossende Charakterskelett. Vor den Brüdern soll jedoch die Leistung des stark aufspielenden Jack Palance gewürdigt werden. Quincey Whitmore hängt vergangenen Tagen nach, kann sich noch immer nicht mit der Niederlage im Sezessionskrieg abfinden. In treibt der Wunsch nach einem späten Sieg an, egal ob ein in Notwehr handelnder Mensch gehetzt wird, irgendwie muss Trauma Bürgerkrieg verarbeitet werden. Schnell weicht die anfängliche Euphorie der Ernüchterung, Whitmore entgleitet die Kontrolle. Er ist von den perversen Auswüchsen einiger Begleiter angewidert, dessen ungeachtet zu sehr mit sich selbst beschäftigt, kann seine Führungsschwäche kaum noch verbergen. Jack Palance fällt damit der wohl vielschichtigste und gleichzeitig tragischste Charakter zu, neben Bronson ist Palance die Gallionsfigur dieses Western. Ich werde aus Platz- und Zeitgründen nicht auf alle Nebenfiguren eingehen, zumindest den Hooker-Brüdern sollen ein paar Worte gewidmet sein. Simon Oakland gibt Jubal Hooker, den ältesten der drei Brüder, unter dessen Knute der jüngste Teil des Trios kaum Luft bekommt. Ergo entlädt sich Earl Hookers Frustration in Form sexueller Ausschweifungen, während Elias sich weitgehend der Kontrolle des älteren Bruders entzieht. Ralph Waite bringt die Niedertracht des Elias Hooker vortrefflich auf den Bildschirm/die Leinwand, ein starker Kontrast zum fürsorglichen Familienvater, den Waite in der bekannten TV-Serie "Die Waldtonnen" (The Waltons, 1972-1981) darstellte. Ich gebe zu, die weiteren Mitwirkenden hätten allesamt eine Nennung verdient, man möge mir die Beschränkung auf die (meiner Auffassung nach) zentralen Herrschaften verzeihen.
"Chatos Land" ist kein Liebling selbstverliebter Kritiker und Miesmacher, allzu gern fällt das Wort "Klischee" in einem abwertenden Tonfall. Winner zeigt sich vom Italowestern beinflusst, ihm gelingt ein überzeugender Brückenschlag vom "modernen" zum "althergebrachten" Western. Modern bezüglich harscher Sprache und gesunder Härte, die Story beackert ein bereits zuvor häufig bestelltes Feld. Dank der erstklassigen Darsteller packt "Chatos Land" auf sehr ansprechende Art zu! Auch ohne "Bronson-Fanbrille" vermag sich der Streifen einen Platz auf dem Westernaltar des staubigen Todes zu sichern!
MGM hat "Chatos Land" auf einer hausüblichen DVD veröffentlicht. Die Qualität geht in Ordnung, Boni sucht der Fan leider vergeblich. Dank des günstigen Preises -der deutlich unterhalb von 10€ liegt- entkommt die Scheibe ohne Prügel für die etwas lieblose Aufmachung.
8/10 (sehr gut)
Lielingszitat:
"Hast Du gehört, Du rothäutiger Nigger!?"