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Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Sa 7. Jul 2012, 13:19
von jogiwan
Fando & Lis
Originaltitel: Fando y Lis
Herstellungsland: Mexiko / 1967
Regie: Alejandro Jodorowsky
Darsteller: Sergio Kleiner, Diana Mariscal, María Teresa Rivas, Tamara Garina, Juan José Arreola
Story:
Das junge Paar Fando und Lis begibt sich auf die Suche nach der mythischen Stadt Tar, wo sie ewiges Glück zu finden sich erhoffen. Mit ihrem einzigen Besitz, einer Trommel und einem Grammophon, im Gepäck durchstreifen sie eine karge Hügellandschaft, die bizarre Gestalten beherrbergt... (quelle: ofde.de)
Re: Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Sa 7. Jul 2012, 20:40
von Arkadin
Ich mag den Film sehr, sehr gerne. Sogar noch mehr als "El Topo".
Re: Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Do 9. Aug 2012, 09:11
von jogiwan
Experimental-Kunstkino der etwas verkopften Sorte in Schwarz-Weiß von Herrn Jodorowsky, nach einer Theatervorlage von Fernado Arrabal über einen jungen Fando und dessen gelähmte Freundin Lis, die auf der Suche nach einer paradiesischen, jedoch imaginären Stadt namens Tar auf allerlei seltsame Gestalten treffen und metaphorische Momente erleben, die sich dem Zuschauer nicht immer erschließen. Der durchaus kontroverse und nicht immer einfach zu guckende Film hat bei der seinerzeitigen Präsentation Tumulte ausgelöst und wurde trotz Publikumsinteresse von mexikanischen Behörden anschließend verboten. Warum lässt sich nach meiner gestrigen Sichtung und in Unkenntnis der damaligen, politischen Lage nicht ganz nachvollziehen, da der Streifen zwar durchaus provokativ daherkommt, aber imho richtige Aufreger vermissen lässt. Man muss diese Art von Filmen aber schon mögen, ansonsten wird es wohl rasch anstregend oder gar nervig, aber ich fand den schon recht interessant gemacht, auch wenn solche Filme sicher nicht jeden Tag im Player landen würden.
Re: Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Do 27. Feb 2014, 13:49
von horror1966
Fando & Lis
(Fando y Lis)
mit Sergio Kleiner, Diana Mariscal, María Teresa Rivas, Tamara Garina, Juan José Arreola, Rene Rebetez, Amparo Villegas, Miguel Álvarez Acosta, Raul Romero, Julio Castillo, Adrián Ramos, Henry West, Luis Urias
Regie: Alejandro Jodorowsky
Drehbuch: Fernando Arrabal / Alejandro Jodorowsky
Kamera: Rafael Corkidi / Antonio Reynoso
Musik: Mario Lozua / Hector Morely / Pepe Ávila
keine Jugendfreigabe
Mexiko / 1967
Fando und seine schwer kranke Geliebte Lis machen sich auf eine Reise in die geheimnisvolle Stadt Tar, wo sie Linderung für ihre Leiden zu finden hoffen. Unterwegs begegnen sie vielen skurrilen Gestalten.
Alejandro Jodorowsky zählt wohl ganz eindeutig zu der Gruppe von Regisseuren, deren Filme alles andere als leicht verdaulich sind. Gleich in seinem Spielfilm-Debüt "Fando & Lis" wird dies mehr als eindrucksvoll unter Beweis gestellt, denn was sich in der kurzen Inhaltsangabe noch recht simpel und überschaubar anhört, gestaltet sich von der ersten Minute an als extrem bizarrer Bilderrausch, in dem sicherlich nicht jeder einen wirklichen Sinn erkennen kann. In seiner episodenartigen Erzählweise präsentiert der Film rein optisch fast schon wie ein Road Movie, in dem zwei Menschen durch eine steinige-und vollkommen zerstörte Einöde wandern und dabei die sagenumwobene Stadt Tar suchen, die einem Ekstase, Glückseligkeit und die Linderung aller Leiden verspricht. Durch diese kurze Beschreibung wird gleichzeitig deutlich, das dieses Werk über ziemlich stark ausgeprägte Fantasy-Elemente verfügt, die auch durchgehend immer wieder äußerst stark in Erscheinung treten. Dennoch sind damit noch längst nicht alle Elemente der verschiedensten Genres aufgezählt, aus denen sich "Fando & Lis" zusammensetzt und aufgrund dessen einen sehr wilden und undurchsichtigen Genre-Flick an den Tag legt, bei dem man sich im Prinzip erst gar nicht die Mühe machen sollte, einen echten Sinn in den Ereignissen zu erkennen. Jodorowsky hantiert nämlich vielmehr mit unzähligen Anspielungen auf die unterschiedlichsten Dinge und setzt dabei ganz eindeutig auf die Fantasie des Zuschauers, der hier seine ganz eigene Interpretation finden muss, um die Abläufe auch nur annähernd erklären zu können. Im Vordergrund stehen dabei Dinge wie Missbrauch, unzählige sexuelle Anspielungen und Gewalt, wobei diese Themen auch noch durch Rückblenden in die Kindheit der beiden Hauptfiguren unterstützt werden.
Die Umsetzung des Ganzen ist von Jodorowsky bewusst provokativ umgesetzt worden und als Betrachter der Szenerie muss man sich dabei mit bizarren Bildfolgen und Gestalten auseinandersetzen. Das fällt an etlichen Stellen gar nicht einmal so leicht, versucht man doch einige Male vergeblich den wirklichen Sinn der ganzen Chose zu erkennen, denn in etlichen Passagen erscheinen die Geschehnisse schon beinahe kryptisch und erschweren das Verständnis für die Zusammenhänge doch zusehends. So ist man dann auch oft genug auf eigene Vermutungen angewiesen, um sich in seinem Kopf die Bedeutung der unzähligen Anspielungen zu machen, die doch auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar erscheinen. Man merkt also das es sich in vorliegendem Fall um alles andere als einen typischen Mainstreambeitrag handelt, denn "Fando & Lis" ist wohl einer der außergewöhnlichsten und gewöhnungsbedürftigsten Filme, die man in seinem leben zu sehen bekommt. In diesem Punkt liegt jedoch auch gleichzeitig die größte Stärke dieses wirren-und streckenweise konfusen Szenarios, dessen Bedeutung der eigene Verstand nur schwerlich erkennen kann. Die surrealen Elemente prasseln streckenweise dermaßen auf einen ein das man sich schon fast erschlagen fühlt und man braucht auch gleichzeitig eine geraume Zeit, um diesen Film erst einmal so richtig sacken zu lassen.
Es ist sicherlich absolut nachvollziehbar, wenn etliche Leute rein gar nichts mit dieser Geschichte anfangen können, kommt es doch auch ganz eindeutig auf den persönlichen Geschmack an. Doch selbst wenn man ein Liebhaber des außergewöhnlichen Filmes ist offenbart sich hier ein echter Spagat zwischen Genie und Wahnsinn, den man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Gleichzeitig zeigen sich auch etliche skurril anmutende Momente, so wird man beispielsweise mit Menschen konfrontiert, die in mitten der trostlosen Einöde und in vollkommen zerstörten Städten edel gekleidet einem Tanzvergnügen nachgehen. Als wenn das alles zusammen genommen nicht schon genug an bizarren Eindrücken wäre, hat Jodorowsky aber auch noch dezente Einflüsse des Horrorfilms einfließen lassen, indem er den Zuschauer auch mit diversen Untoten konfrontiert, so das man kurzerhand auch schnell einmal den Eindruck erlangen kann, das man sich in einem abstrusen Zombiefilm befindet. Wenn man dann nach der Sichtung dieses genial-wahnsinnigen Film-Tripps die Geschichte noch einmal in seinem Kopf abspielt und nach Erklärungen für das fiebrige Intermezzo sucht , erkennt man je nach Geschmack und Vorliebe schon recht deutlich, das "Fando & Lis" sehr wohl eine echte Perle des außergewöhnlichen Filmes darstellt, die unzählige revolutionäre-und provokante Stilmittel beinhaltet, die diesem Werk eine nicht zu erklärende Brillanz verleihen und es gleichzeitig zu einem echten Kunstwerk machen.
Diese Ansicht mag ganz bestimmt nicht jeder teilen, denn der Zugang zu diesem bizarren Bilderrausch ist nicht unbedingt leicht. Wenn man jedoch seine ganz eigene Interpretation der Abläufe findet, dann wird man definitiv mit einem Film-Erlebnis belohnt, das man nicht so schnell vergessen wird. Dennoch sollte man zu bedenken geben das man hier auf eine echte Geduldsprobe gestellt wird, denn teilweise mag einem das Szenario an einigen Stellen etwas in die Länge gezogen erscheinen, was sich jedoch bei genauerer Betrachtung als eine Art Trugschluss herausstellen soll, da jede einzelne Szene ein äußerst wichtiger Mosaikstein in einem Gesamtbild ist, das man schwerlich in Worte fassen kann. So fällt es dann letztendlich auch sehr schwer an dieser Stelle eine wirklich objektive Bewertung abzugeben, denn selten war bei einem Film so sehr der persönliche Geschmack gefragt, wie es beim Regieerstling von Alejandro Jodorowsky der Fall ist. An dieser Stelle muss man auch einmal mehr das Independent Label Bildstörung loben das einem dieses bizarre Kunstwerk als ersten Film in der gerade erschienenen Jodorowsky Box in gewohnt erstklassiger Qualität präsentiert.
Fazit:
Manchmal muss man eine Geschichte nicht immer gänzlich verstehen und kann sich dennoch an einem Szenario erfreuen, das etliche Genres miteinander verbindet und einem letztendlich einen wahnsinnigen-und surrealen Fiebertraum offenbart, in den man mit zunehmender Laufzeit immer intensiver eintaucht. Die Deutung der Abläufe ist dabei einem jeden selbst überlassen und das macht "Fando & Lis" zu einem absolut hervorstechenden Beitrag, der sicherlich seine nicht gerade kleine Fan-Gemeinde finden wird.
9/10
Re: Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Mo 5. Mai 2014, 18:00
von jogiwan
Fando (Sergio Kleiner) und seine Freundin Lis (Diana Mariscal) machen sich eines Tages auf die Suche nach Tar um an dem mystischen und geheimnisvollen Ort Wahr- und Weisheit zu finden. Da Lis nach einer Vergewaltigung in Kindertagen querschnittgelähmt ist, schiebt Fando sie in einem Karren vor sich her und die anstrengenden Reise führt die Beiden an seltsame Orte, an denen Menschen in Ruinen Feste feiern und Fando von nackten Frauen in Versuchung geführt wird. Später treffen sie in der kargen Umgebung auf Kirchenoberhäupter (Tamara Garina), Transvestiten, zockende Seniorinnen und Amazonen, die den Beiden scheinbar immer feindselig entgegentreten, während das eigentliche Ziel Tar in weiter Ferne zu bleiben scheint. Fando durchlebt neuerlich das Traumata seiner Kindheit und muss seine Mutter (Maria Teres Rivas) zu Grabe tragen, eher er nach dem Märtyrer-Tod seiner Freundin an deren Grab endlich seinen innerlichen Frieden findet.
Es ist schon ein ganz schön seltsames und auch nicht einfach zu konsumierendes Stück Film, dass uns der chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky mit seinem ersten und in Mexiko realisierten Langfilm und der Spielfilmadaption des gleichnamigen Bühnenstücks aus der Feder von Fernando Arrabal präsentiert. Das Experimental-Werk „Fando und Lis“ folgt einem Paar durch eine postapokalyptische und heruntergekommene Welt auf der Suche nach geistiger Erleuchtung und reiht eine surrealistische und metaphorische Szene mit teils ungewohnten Schnitten und irritierender Sound- und Geräuschkulisse aneinander, welche beim Zuschauer wohl in erster Linie große Fragezeichen hinterlassen, obwohl man gleichzeitig auch das Gefühl hat, einem komplexen und durchdachten Streifen beizuwohnen, der dennoch nicht wirklich greifbar, rätselhaft und fordernd bleibt.
Jodorowsky, der nach seinem Studium alle möglichen Arten der Kunst ausprobierte, nach Frankreich emigrierte und nach längerer Theatererfahrung wohl zwangsläufig beim Film landen musste, realisierte „Fando und Lis“ im Jahr 1967 und zehn Jahre nach seinem hier ebenfalls schon vorgestellten Kurzfilm „Die Krawatte“ mit geringem Budget, in Schwarz-Weiß, autodidaktischer Herangehensweise und größtenteils auch ohne entsprechende Drehgenehmigungen. Jodorowsky drehte jeweils an Wochenenden und besetzte die zahlreichen Rollen neben seinen beiden Hauptdarstellern hauptsächlich mit Freunden, Wegbegleitern und Laien aus seinem persönlichen Umfeld und scheute dabei auch nicht davor zurück, bekannte Gesichter bewusst gegen den Strich zu besetzen und handelte sich und den Darstellern auch gehörig Ärger ein, als er diese z.B. auf ziemlich respektlose Weise auf einem Friedhof agieren lies und dabei auch noch Grabsteine und Kreuze verrückte.
Primär ist „Fando und Lis“ wohl als provokantes Statement zu einer bequem gewordenen, selbstverliebten und materialistischen Gesellschaft zu verstehen und zeigt die Vielzahl der Versuchungen, in Form von materiellen, körperlichen und geistigen Dingen, mit denen junge Menschen im Laufe ihres Erwachsenwerden konfrontiert werden. Jodorowsky und Arrabal sparen dabei auch nicht mit Kritik an religiösen Institutionen, Machthabern, der steigenden Oberflächlichkeit, sowie der Welt der Erwachsenen im Allgemeinen, die scheinbar das Kindswohl ihren eigenen und durchschaubaren Interessen unterordnet. Dabei stellt der provokante und streitbare Regisseur der Menschheit ein eher schlechtes Zeugnis aus und es ist dann auch wenig verwunderlich, dass ein Werk wie „Fando und Lis“ nicht auf allzu große Gegenliebe stieß.
Als der Film 1968 bei einem Filmfestival in Acapulco Premiere feierte, waren die Zuschauer laut Aussage von Jodorowsky überhaupt nicht auf derartige Bilder und kontroverse Inhalte vorbereitete und die Präsentation auf großer Leinwand endete in Tumult-artigen Szenen, in denen das aufgebrachte Publikum dem Regisseur an den Kragen wollte. Diese Reaktionen waren dabei so extrem, dass sich Jodorowsky vor der aufgebrachten und erzürnten Masse verstecken musste, öffentlich Morddrohungen ausgesprochen und auch auf weitere Ausgaben des Filmfestivals vorsorglich verzichtet wurde. Obwohl dadurch reges Publikumsinteresse geschaffen wurde, gab es wochenlange Schmutzkübel-Kampagnen der mexikanischen Presse und zahlreiche Anfeindungen, die u.a. auch durch dem Hauptdarstellers Sergio Kleiner angefeuert wurden, der während den Dreharbeiten von Jodorowsky auch nicht allzu gut behandelt wurde und über den der Regisseur auch heute noch kein gutes Wort verliert.
Mit knapp 46 Jahren Abstand betrachtet hat „Fando und Lis“ aber natürlich nicht mehr die provokante Kraft wie zur Zeit seiner Entstehung und mit heutigen Augen betrachtet ist das Werk ja auch eher der Inbegriff surrealistischer und sperriger Kinokultur eines Provokateurs, das den Zuschauer entweder fesselt und faszniert oder ihn auf eine ungemeine Geduldsprobe stellt. Leicht hat es Jodorowsky den Zuschauern auch nie gemacht und auch wenn seine Werke in den Jahrzehnten seines Schaffens mehr oder minder immer zugänglicher wurden, wie z.B. der Thriller-hafte „Santa Sangre“ und das Erwachsenen –Märchen „The Rainbow Thief“ , so sind doch all seine Werke auf der anderen Seite doch auch immer sehr fordernd und verlangen vom Zuschauer auch die Fähigkeit und die Bereitschaft, die gezeigten Inhalte auf eigenständige Weise zu interpretieren.
„Fando und Lis“ stellt den Zuschauer meines Erachtens dabei auf die schwierigste Probe, da Jodorowsky und Arrabals Vorlage neben der politischen und gesellschaftlichen Lage der damaligen Zeit und dessen apokalyptischen Abgesang auch sehr viele persönliche Dinge in den Film fließen ließen wie z.B. den Verrat der Mutter an dem revolutionären Vater, den Arrabal später auch in seinem Streifen „Viva la Muerte“ nochmals behandelte. Jodorowsky kritische Auseinandersetzung mit kirchlichen Institutionen und Machthabern, sowie ein Interesse an Monstrosität, als Protest gegen die Klassifizierungen rein nach ästhetischen Gesichtspunkten fließt hier ebenfalls ein wie Kritik gegen eine Gesellschaft, die Alter mit Weisheit gleichsetzt und jüngere Generationen in ihrer Entwicklung hemmt und hindert.
Dass es ein derartiges und bewusst gänzlich gegen gängige Sehgewohnheiten und dem Mainstream gebürstetes Werk beim Publikum nicht allzu leicht hat, liegt da natürlich auf der Hand und während „Fando und Lis“ im Ausland bereits seit längerer Zeit verfügbar ist, hat es bis zum Jahr 2014 gedauert, dass dieser Streifen endlich auch hierzulande veröffentlicht wurde. Dafür darf sich der deutsche Filmfreund nun an einer Box erfreuen, die wohl das Herz eines jeden Cineasten höher schlagen lässt und auch kaum Wünsche offen lässt. Das Label „Bildstörung“ präsentiert „Fando und Lis“ neben dem bereits erwähnten, aber im Vergleich zu den restlichen Filmen eher unspektakuläre Kurzfilm „Die Krawatte“, sowie mit dem surrealen Western „El Topo“ und dem Selbstfindungstrip „Der Heilige Berg“ in einer wunderbaren Box , die auch noch die 1994 entstandenen Dokumentation „La Constellation Jodorowsky“ beinhaltet, in dem der Regisseur und Weggefährten ausgiebig zu Wort kommen und auch das Schaffen näher beleuchtet wird.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Filmen liegt „Fando und Lis“ auch in der Blu-Ray-Box jedoch ebenfalls nur auf DVD oder in der spanischen Originalfassung vor, da der Streifen nie synchronisiert wurde und bislang auch im deutschsprachigen Raum nicht veröffentlicht wurde. Die Bildqualität ist angesichts der Produktionsbedingungen aber überraschend gut ausgefallen und auch die deutschen Untertitel sind gut lesbar. Dankenswerterweise hat die Scheibe auch noch einen ebenfalls untertitelten Audiokommentar, in dem Jodorowsky mit seinem unnachahmlichen und eigenwilligen Englisch über die Symbolik mancher Szenen erklärt, was wesentlich zum Verständnis des Filmes beiträgt und auch ansonsten recht süffisant und ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Leben und dem Schaffen eines kontroversen Regisseurs erzählt.
„Fando und Lis“ ist ein interessantes, sperriges und auf vielseitige Weise interpretierbares Werk, das dem streitbaren Regisseur mit seinem übergroßen Ego neben viel Aufmerksamkeit auch jede Menge Ärger eingebracht hat und selbst den aufgeschlossenen Zuschauer auch heutzutage vor jede Menge Herausforderungen stellt. Der experimentelle Streifen ist sicherlich kein Film für die breite Masse und passt auch nicht jeden Tag, aber andererseits der vollkommen unkonventionelle und gegen herkömmliche Sehgewohnheiten gestaltete Skandalstreifen neben den wesentlich konventionelleren und ein Jahrzehnt zuvor entstandene Kurzfilm „Die Krawatte“ auch der ideale Einstieg in die obskure, mystische und wohl einzigartige Film- und Gedankenwelt des durchaus streitbaren Alejandro Jodorowsky, der im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere ein paar der ungewöhnlichsten und anspruchsvollsten Werke der Kinogeschichte abgeliefert hat, die selbst heutzutage noch kaum mit anderen Werken zu vergleichen sind.
Re: Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Di 6. Mai 2014, 09:47
von Arkadin
„Fando und Lis“ war der erste Spielfilm des Kino-Bilderstürmers Alejandro Jodorowsky, und wie auch bei dessen späteren Filmen merkt man hier deutlich seine Herkunft von Zirkus, Pantomime und Theater. Gerade in einer Rückblende, in welcher Lis als kleines Mädchen ein Marionetten-Theater besucht, werden diese Bezüge zu Jodorowskys eigener Biographie sehr deutlich. Er selber spielt in dieser Szene einen Marionettenspieler – eine gottgleiche Figur, die die Fäden im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand hält oder bei belieben auch kappen kann. Lis wird von ihm in einen kleinen Raum geworfen, in dem ihr Pantomime und theatralische Schauspieler in schlecht sitzenden Kostümen begegnen. Auch auf der Reise, die Fando und Lis gemeinsam unternehmen, stoßen sie immer wieder auf Tableaus, die an Jodorowskys frühere Spielwiesen erinnern. Statuenhafte Wesen, absurde Personenaufstellungen, Zitate aus der Kunst und der Psychologie.
Die Reise Fandos und Lis beschreibt den Weg von unschuldigen Kindern in – und durch – die Welt der Erwachsenen. Mit all den Versuchungen, Verlockungen, Perversionen und der Korruptheit. Die unschuldige, naive Lis soll dies nicht überleben. Fando hingegen, der den Versuchungen neugierig gegenübersteht, soll sich schließlich gegen Lis stellen, die im Gegensatz zu ihm rein und unverdorben bleiben kann. Vielleicht kann er es nicht ertragen, in ihr das Ideal der Unschuld zu sehen; seine eigene Vergangenheit, von der er sich mit Macht lösen will. All dies bleibt bei Jodorowsky aber nach vielen Seiten hin interpretierbar. Er verweigert sich ganz klar einer eindeutigen Dechiffrierung, der Zuschauer hat die Möglichkeit die surreal-grotesken Situation für sich selber zu deuten. Zwar erliegt Jodorowsky im Audiokommentar der Versuchung, seine mysteriösen Bilder zu erklären, aber man muss mit diesen Erklärung nicht unbedingt d’accord gehen.
Der Zuschauer kann sich auch durch die Bilder treiben lassen. Gerade wenn man nicht zwanghaft nach einem Sinn sucht, werden sich einem die Interpretationsmöglichkeiten ganz von selber eröffnen. Denn trotz seines verkodeten Symbolismus, ist „Fando Y Lis“ im Kern ein recht zugänglicher Film, sofern man ihn mit dem Bauch und weniger mit dem Kopf sieht. Jodorowsky erschafft plakative, kräftige Bilder, die einen gleichermaßen verwirren, wie faszinieren. Die außerirdische Steinlandschaft (der Film wurde überwiegend auf einem alten Minengelände und in Ruinen gedreht) tut ein Übriges dazu, den Bildern eine unwirkliche Potenz zu geben. Wie einst Bunuel und ganz im Geiste der Surrealisten tritt, kratzt und spukt Jodorowsky gegen alles, was Staat und Kirche heilig ist. Seien es die „heiligen“ Großmütter, die als spielsüchtig und sexbesessen dargestellt werden. Oder ein – von einer alten Frau gespielter – Papst, der mit Lis kopulieren will. Die dekadente Bourgeoise in den Ruinen, unwissend, dass sie bereits ihre eigene Welt zerstört haben.
Diese Attacken gegen Staat, Gesellschaft und Kirche reitet auch Jodoroswskys Weggefährte Fernando Arrabal in seinen Filmen. Auf dessen Theaterstück – welches Jodorowsky bereits für die Bühne inszenierte – beruht „Fando und Lis“ auch, wenngleich Jodoroswski behauptet, dieses auf dem Kopf heraus rekonstruiert, und mit seinen eigenen Gedanken neu erschaffen zu haben. Was man ihm sicherlich auch glauben kann, denn vergleicht man „Fando und Lis“ mit den grimmig-finsteren Werken Arrabals, wie beispielsweise „Viva la Muerte“, dann wirkt Jodorowskys Film fast schon verspielt und leicht.
Re: Fando & Lis - Alejandro Jodorowsky (1967)
Verfasst: Do 24. Aug 2023, 11:42
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 07.12.2023 noch einmal bei Bildstörung innerhalb der "Jodorowsky Re-Mastered - Die Filme von Alejandro Jodorowsky"-Box (ohne Abb.):
Enthält:
- El Topo
- The Holy Mountain
- Fando y Lis
Extras:
EL TOPO - mit neuem 4K-Master: erstmals auch im von Jodorowsky freigegebenen neuen 1,85:1-Breitwandformat | Audiokommentar von Regisseur Alejandro Jodorowsky | Jodorowsky über EL TOPO | Father of The Midnight Movie | Jodorowsky Remembers | Son of EL TOPO - Interview mit Brontis Jodorowsky | Intro von Prof. Richard Peña | Original Trailer
DER HEILIGE BERG - mit neuem 4K-Master:
Audiokommentar von Regisseur Alejandro Jodorowsky | Deleted Scenes mit Audiokommentar von Regisseur Alejandro Jodorowsky | Jodorowsky Remembers | Interview mit Regieassistent Pablo Leder | Jodorowsky von A bis Z - Kurzfilm von Ben Cobb | Jodorowsky über Tarot | Intro von Prof. Richard Peña | Die Restaurierung | Original Trailer
FANDO UND LIS - erstmals auf Blu-ray mit neuem 4K-Master: Audiokommentar von Regisseur Alejandro Jodorowsky | DIE KRAWATTE - Kurzfilm von Alejandro Jodorowsky (1957 - 21 Min.) | Jodorowsky Remembers | Intro von Prof. Richard Peña
ANDERE EXTRAS DER BOX: ZWEI AUDIO CDs mit Soundtracks zu EL TOPO & DER HEILIGE BERG | DIE KONSTELLATION JODOROWSKY - 86-minütiger Dokumentarfilm über Alejandro Jodorowsky (1994) | PSYCHOMAGIE - EINE HEILENDE KUNST - 120-minütiger Dokumentarfilm (2019) | Alejandro Jodorowsky trifft Nicolas Winding Refn (DRIVE, ONLY GOD FORGIVES) -- ca. 20 Min. | Alejandro Jodorowsky auf dem Filmfest München 2013 -- ca. 20 Min.
Sprache / Ton: Deutsch LPCM Mono PLUS Originalton Englisch & Spanisch LPCM Mono (EL TOPO & DER HEILIGE BERG) // Spanisch LPCM Mono (FANDO UND LIS)
Bildformat: EL TOPO 1,33:1 & neues Breitwandformat 1,85:1 (1080 - 24p) // DER HEILIGE BERG 2,35:1 (1080 - 24p) // FANDO UND LIS 1.66:1 (1080 - 24p)
Quelle:
https://www.ofdb.de/vorabfassung/3547,126617,El-Topo/