Kurz und schmerzlos
Deutschland 1998
Regie: Fatih Akin
Mehmet Kurtulus, Aleksandar Jovanovic, Adam Bousdoukos, Regula Grauwiller, Idil Üner, Ralph Herforth, Oscar Ortega Sánchez, Marc Hosemann, Cem Akin, Sükriye Dönmez, Mustafa Enver Akin, Hadiye Akin, Fatih Akin, Nezâ Selbuz, Monique Akin, Mirko Hussari, Danilo Vouckmanovic

- Kurz und schmerzlos.jpg (104.67 KiB) 21 mal betrachtet
OFDB
Drei Freunde. Also so richtig Freunde. So wie Familie, solche Freunde. Costa der Grieche. Ein liebenswerter Looser, dem Kiffen und Klauen als Lebensinhalt reichen. Dies und Ceyda, die Schwester von Gabriel dem Türken. Gabriel kommt gerade aus dem Knast und will jetzt sauber bleiben. Sein Traum ist ein Strandcafé in der Türkei. Der dritte im Bunde ist Bobby der Serbe, der gerade bei seinem Onkel rausgeflogen ist, weil er bei den Albanern einsteigen will. Bobby ist ehrgeizig, immer nur abhängen und kiffen und vögeln reicht ihm nicht. Bobby will mehr. Er dient sich bei dem Zuhälter Muhamer als rechte Hand an, obwohl ihn das die Beziehung zu Ceydas Freundin und Geschäftspartnerin Alice kostet. Aber das ist egal, denn Muhamer gibt Bobby eine Chance, auf die dieser immer gewartet hat: Er kann selbständig einen Deal durchziehen. Wenn Bobby den Deal verkackt ist er weg vom Fenster, verstanden? Verstanden. Costa fährt zu dem Deal. Und Gabriel, der das nicht will, landet als blutiges Wrack aus den Fäusten Muhamers Schlägertrupp direkt bei Alice …
Drei Freunde auf dem Kiez. So richtig Freunde. Nicht einfach nur zusammen abhängen und kiffen und saufen und vögeln. Nein, das ist mehr. Das ist für die anderen den Arsch hinhalten, weil die machen das genauso. Ein verschworenes Team, das irgendwann sogar zusammen in einem Bett schläft und aneinander kuschelt. Wie Freunde das eben so machen. Aber zwei Dinge stehen zwischen den Freunden. Die Frauen, oder vielmehr die Eifersucht, und das Geschäft. Gabriel will keine krummen Sachen mehr machen, was Bobby nicht versteht. Bobby will bei den Albanern einsteigen, was Gabriel nicht versteht. Und Costa steht zwischen den beiden, will Ceyda zurückhaben, und will eigentlich, dass wieder alles so ist wie früher.
Wird es aber nicht. Wegen der Frauen und wegen des Geschäfts. Doch zwischen der Eifersucht und den Deals, dazwischen gibt es viele schöne und stille Momente, denen Fatih Akin in seinem Langfilmerstling viel Zeit einräumt. Er erzählt uns hier kein brutales Kiezdrama im Stil von CHICO, an den ich aber trotzdem oft denken musste, und es ist auch keine knüppelharte Kleingangsterstory wie NUR GOTT KANN MICH RICHTEN. Fatih Akin zeigt uns einen Kiez, der zumindest teilweise noch mit Gefühl und einer speziellen Art von Romantik zu tun hat, und der fast ein wenig an die vergangenen Zeiten der 70er erinnert, bevor die Russen und die Serben kamen. Die Straßen von Altona und St. Pauli, die Sex-Clubs, die Nutten, aber vor allem immer die Solidarität zwischen den Freunden, die Liebe zwischen den Männern und Frauen der kleinen Gruppe, der Zusammenhalt. Dies und der Spaß bei der Runde auf dem Kiez, genauso wie die Erkenntnis, dass die Zeit sich weitergedreht hat: Gabriel will erwachsen werden. Ausgerechnet der nicht so helle Costa stellt das fest, für Bobby könnte diese Aussage auch auf marsianisch sein. Das ist etwas was er nie verstehen wird …
Auch wenn der der Verlauf der Geschichte schnell absehbar ist, und auch wenn die Charaktere noch nicht so ausgefeilt sind wie in späteren Filmen Akins, trotzdem sollte man KURZ UND SCHMERZLOS eine Chance geben. Drei Freunde und das Erwachsenwerden zwischen Prügeleien, Joints und Waffendeals. Eine melancholisch-romantische-Komödie die so gar nicht melancholisch romantisch oder gar lustig rüberkommt, sondern ein Flair hat wie der Tagesanbruch an den Landungsbrücken nach einer durchsoffenen und durchgebumsten Nacht.
6/10