AM GALGEN HÄNGT DIE LIEBE (1960)
mit Carl Wery, Annie Rosar, Sieghardt Rupp, Bert Fortell, Paul Esser, Michael Lenz und Marisa Mell
eine Produktion der Rex Film | im Europa Filmverleih
nach dem Theaterstück "Philemon und Baucis" von Leopold Ahlsen
ein Film von Edwin Zbonek
»Geiseln ausheben. 30 Männer. Nicht unter 18. Erschießen!«
1944. Griechenland während des zweiten Weltkrieges. Das alte Ehepaar Nikolaos (Carl Wery) und Marulja (Annie Rosar) muss mit ansehen, wie sich Deutsche und Partisanen erbitterte Kämpfe in der griechischen Provinz liefern und sie geraten unfreiwillig zwischen alle Fronten. Dennoch wollen sie sich dem sinnlosen Töten und dem Völkerhass widersetzen und sie zeigen lebensgefährliche Initiative. Sie gewähren Jedem Unterkunft und unterscheiden nicht zwischen Freunden oder Feinden, denn das gottesfürchtige Ehepaar sieht das Gastrecht als oberstes Gebot an, obwohl sie selbst nur das Nötigste zum Leben haben. Als sie zwei flüchtige Deutsche verbergen, wird Partisanenführer Petros (Sieghardt Rupp), der sich selbst einige Tage zuvor bei Nikolaos und Marulja versteckte, da er von Deutschen gehetzt wurde, auf sie aufmerksam und die Situation spitzt sich zu. Wird er das Versteck ausfindig machen können und die hilfsbereiten alten Leute zur Rechenschaft ziehen...?
Regisseur Edwin Zbonek inszenierte mit
"Am Galgen hängt die Liebe" sein beachtliches Kino-Debüt und der Film wurde sehr wohlwollend von der Kritik aufgenommen, außerdem erhielt sein Kriegs-Drama mehrere internationale Auszeichnungen, wie beispielsweise die
"Goldene Ähre", oder den Großen Preis der
"VI. Internationalen Woche des Religiösen Films". Nur hierzulande gab es Querelen um die Thematik des Films, denn die Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) verweigerte eine Qualitätsvergabe der Prädikate »
wertvoll« oder »
besonders wertvoll«. So wurde der Film mit der Begründung abqualifiziert, dass er angesichts des harten Stoffes in Regie und Darbietungsstil unangemessen ausgefallen sei, was zur Folge hatte, dass der Film anstatt der üblichen, etwa 1300 Terminierungen in bundesdeutschen Kinos, lediglich 360 bekommen hatte. Ansonsten wurde diese Produktion sehr frenetisch gefeiert, denn das Ergebnis spricht als inoffizieller Meilenstein des Anti-Kriegs-Kino tatsächlich für sich selbst. Die Produktion schmückt sich durchgehend mit erstklassigen Landschaftsaufnahmen, aussagekräftigen Settings und herben Kontrasten, die Ausstattung zeigt sich überaus bewusst und die authentischen schauspielerischen Leistungen lassen diese fast 90 Minuten zu einem Erlebnis werden, da man in jeder Hinsicht gestochen Scharfe Psychogramme der unterschiedlichen Parteien bekommt, und vor allem derer, die zwischen den Fronten stehen. Trotz der Rahmenbedingungen ist und bleibt dieser Film für mich daher ein klassischer Schauspieler-Film.
Die alte Garde zeigt hier eindrucksvoll, wie man den Begriff Schauspielkunst prägt. Der alte, knorrige Nikolaos, für den das Gastrecht die oberste Heiligkeit ist, macht keinen Unterschied zwischen Menschen, deren Herkunft oder Nationalität. Jeder der an seine Tür klopft und Hilfe benötigt, ist ihm aus tiefster Überzeugung willkommen. Carl Wery strahlt eine durch nichts zu störende Ruhe und Gelassenheit aus, bei Streitereien mit seiner Frau kann er sie schnell mit seiner besonnenen Art besänftigen. Das Ehepaar ist vom Krieg gezeichnet, da ihr junger Sohn für die sinnlose Sache gefallen ist. Nikolaos ist es gewöhnt, das Leben so anzunehmen, wie es bestimmt ist. Er hat sich mit den Tatsachen abgefunden, doch er wirkt nicht resigniert, was durch seine unermüdliche Initiative verdeutlicht wird. Annie Rosar hingegen stellt zunächst einen deutlichen Kontrast dar. Die Umstände haben sie hart gemacht und auch sie hat gelernt hinzunehmen. Wütend und schimpfend poltert sie durch das Szenario, beklagt sich verbittert über die permanenten
»Knallereinen« und trotzt der Gefahr, die wegen des Kriegszustandes draußen lauert, doch immer wieder kommt auch ihre Gutmütigkeit zum Vorschein, denn sie ist milde zu stimmen. Die besten Momente entstehen im Zusammenspiel von Carl Wery und Annie Rosar, die das alte Ehepaar bilderbuchartig und äußerst überzeugend interpretieren. Die bemerkenswertesten Momente entstehen jedoch insgesamt mit Annie Rosar. Als der schwer verwundete deutsche Offizier, der wegen eines Bauchschusses im Sterben liegt, und dabei nach seiner Mutter ruft, nimmt Marulja ihn mit den Worten:
»Ich bin ja schon da mein Kind, ich bin ja bei dir« in den Arm und sie besteht darauf, dass er nicht in dem Versteck, unter einer Klappe im Stall, sondern im Bett sterben soll. Und sie behandelt den "Feind" ermahnend-liebevoll wie eine Mutter es tut:
»Aber du darfst doch nichts trinken! Weißt du, wenn man so eine Verwundung hat, dann darf man nichts trinken! Ja was würde denn der Doktor sagen, der dich wieder zusammenflickt? Der würde sagen, diese Marulja, diese dumme, alte Kuh, gibt dem zu Trinken wo er doch nicht darf!« Schließlich wird der Sterbende von Nikolaos begleitet, der ihm väterlich zuhört. Unbedingt erwähnenswert ist noch Sieghardt Rupp als Partisanenführer, der in bestechender wie auch beängstigender Manier den Vollstrecker einer sinnlosen Ideologie verkörpert, und zu Marisa Mell komme ich selbstverständlich später noch.
Mit der generellen Aussage des Films, dass es im Krieg nur Verlierer und keine Gewinner geben kann, schuf Regisseur Edwin Zbonek einen bemerkenswerten und kritischen Beitrag, der zu Unrecht kaum bekannt, und angesichts eines Debüts, bemerkenswert dicht ausgefallen ist. Der Titel
"Am Galgen hängt die Liebe" ist sicherlich nicht die beste Wahl für diese Geschichte gewesen, da man sich unweigerlich an eine Art Schmonzette erinnert fühlt. Dies ist hier allerdings glücklicherweise nicht der Fall und der Film sieht sich im Sinne einer stillen Anklage mit lauten Bildern. Man findet keine Kategorisierung in Gut und Böse, das Agieren aller Beteiligten wurde verständlich herausgearbeitet, und mit viel Fingerspitzengefühl gelöst, über die gesamte Spieldauer entstehen viele erschütternde Momente. Das Ganze mündet schließlich in einen großen Schock der nicht unbedingt zu erwarten war, da man in Filmen ja im Allgemeinen darum bemüht ist, den Zuschauer nicht komplett trostlos zurückzulassen. Dennoch liefert diese unbequeme Variante den einzigen wirklichen Lichtblick des ganzen Verlaufs, da die Regie sehr global denkend gearbeitet hat. Die idyllische Landschaft wird immer wieder mit Schüssen und Schreien durchzogen, und man setzt auf herbe Kontraste, die durch die Dynamik der Kamera abermals herausgearbeitet werden. Die musikalische Untermalung von Ernst Roters zeigt sich jeder Anforderung entsprechend glaubhaft, nur wenn der alte Nikolaos auf seiner Flöte spielt, lässt sich erahnen, dass das Leben zuvor zwar auch karg und hart war, aber friedlich und vor allem frei.
"Am Galgen hängt die Liebe" präsentiert sich als eine Meisterleistung in Bild, Dialog und Darstellkunst, so dass man in aller Bescheidenheit von einer kleinen Sternstunde des deutschen Nachkriegskinos sprechen darf, da auch nach weit über 50 Jahren nichts an Brisanz und Aktualität verloren gegangen ist. Herausragend!