Seite 1 von 1

Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Sa 11. Aug 2012, 20:37
von CamperVan.Helsing
Bild

„Das Schloß der blauen Vögel“ – ein Titel, der einem dank Fernando di Leo natürlich bekannt ist. Bekannt ist allerdings auch, dass der Film mit Konsaliks Roman praktisch nichts zu tun hat, lediglich Personen- und Ortsnamen wurden übernommen, und auch das wohl nur in der DF, um den Film als Konsalik-Verfilmung vermarkten zu können. Derartiges Tun war bei Erwin C. Dietrichs AVIS ja nicht so selten…

Lt. Wikipedia erschien Konsaliks Roman erstmals 1966, und auch wenn Heinzis Schreibstil furchtbar ist, so lohnt sich die Investition in dieses Werk durchaus. Meine Goldmann-Taschenbuchausgabe stammt offenbar aus dem Herbst 1973 und hat mich auf dem Flohmarkt einen ganzen Euro gekostet…

Der Untertitel lautet übrigens „Ein Gehirnchirurg versucht das Schicksal“. Hä? Wie jetzt? WAS versucht der Chirurg? Das Schicksal herauszufordern? Das Schicksal zu manipulieren? Grammatik ist schon schwierig…

Spoiler ahead!

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Sa 11. Aug 2012, 20:41
von CamperVan.Helsing
Irgendwo in Deutschland in der Jetztzeit (also vermutlich 1966): Dies ist die Geschichte von Gerd Sassner. 1921 geboren, war Sassner Soldat im zweiten Weltkrieg, nach dem Krieg studierte er Chemie. Jetzt, mit 45 Jahren, ist er Inhaber einer chemischen Fabrik, ein Mann, der es geschafft hat. Neben einer großen Villa hat er auch noch ein Ferienhäuschen, wo er am Wochenende beim Angeln sich entspannt. Auch privat ist alles im Lot, er hat seine attraktive, knapp 10 Jahre jüngere, Frau Luise, mit der schon fast zwanzig Jahre zusammen ist und zwei Kinder, Dorle (15) und Andreas (13).

Eines Sonntagsmittags nun kommt Gerd Sassner wieder vom Angeln, doch statt der erwarteten Forellen hat er lediglich einen alten, völlig vergammelten Schuh gefangen. Diesen Schuh stellt er nun seiner Familie als seinen Freund aus Kriegstagen, Leutnant Benno Berneck, vor. Die Familie hält das natürlich für einen Witz, doch Sassner ist es absolut ernst. Der Schuh IST Berneck.

Am nächsten Tag ist in der Fabrik ein Treffen mit ausländischen Investoren angesetzt. Wichtige Geschäftsbesprechungen in Anwesenheit eines vergammelten Schuhs? Undenkbar! Luise Sassner schafft es noch, mit Hilfe des Hausarztes, Gerd aus dem Verkehr zu ziehen, und ihn auf Schloß Hohenschwandt, der im tiefsten Bayern abgelegen gelegenen Privatklinik von Prof. Dorian unterzubringen, der einen internationalen Ruf als Neurologe und Neurochrirurg genießt.

Unterstützt wird Dorian von seinen Assistenten, dem ihm hündisch ergebenen Dr. Franz Kamphusen und Dr. Bernd Keller, die sich in gegenseitiger Abneigung verbunden sind. Keller ist außerdem der Verlobte von Angela Dorian, der Tochter des Professors.

In einem Nebengebäude, einem ehemaligen Stall, hat Dorian Labore eingerichtet, wo er Tierversuche durchführt, hauptsächlich mit Affen, was Keller sehr kritisch sieht. Der jüngste Erfolg Dorians ist eine manipulative Operation am Hirn eines Gorillas, durch die dessen Hirnzentren zur Wahrnehmung von Musik aktiviert wurden. Der Gorilla singt…

Unter Hypnose gelingt es Dorian herauszufinden, dass Sassner seinerzeit mit Benno Berneck verschüttet wurde, worauf Berneck sich mit seiner Waffe erschoss. Damit ist aber das Problem nicht gelöst, dass Sassner immer noch den alten Schuh für Berneck hält. Vielmehr verschlechtert sich sein Zustand weiter.

Dorian entschließt sich, an Sassner eine bisher noch nie vorgenommene Hirnoperation vorzunehmen, und das unter den Augen internationaler renommierter Kollegen. Tatsächlich scheint die OP erfolgreich verlaufen zu sein. Und so macht Ehepaar Sassner erstmal Urlaub im Schwarzwald.

Doch eines Tages ist Gerd Sassner verschwunden, seine Sachen werden am Ufer eines Sees gefunden, so dass davon ausgegangen wird, dass er entweder an der steilen Böschung ins Wasser gestürzt ist oder Selbstmord begangen hat. Doch lässt sich im See seine Leiche nicht finden.

Unterdessen ist es auf Hohenschwandt zu merkwürdigen Vorfällen gekommen. Jemand, der sich als Dr. Keller ausgab, hat nachts Patienten Injektionen gesetzt. Angela Dorian wird von Patienten verfolgt, die sie offenbar vergewaltigen wollen.

Gerd Sassner lebt! Er ist auf einem abgelegenen Gasthof des Ehepaares Egon und Ilse Trapps. Die rothaarige Ilse ist 30 Jahre alt und hat sich unter Fernfahrern einen Ruf als nymphomane Schlampe erworben, von der der 20 Jahre ältere Egon nichts ahnt. Hierhin kommt also Sassner, der sich als Arzt ausgibt und sich von Ilse als „der große Boss“ anreden lässt. Sofort fallen Ilse und Sassner übereinander her. Da Egon dem im Wege stehen könnte, wird er zunächst erstmal mit Schnaps abgefüllt.

Im Gasthof, um den die Krähen kreisen, will Sassner sich dauerhaft im Turmzimmer einrichten und den Rest des Hauses als seine „Klinik“ nutzen. Sein Schloß der blauen Vögel, in dem er der Menschheit die Dummheit austreiben will, mit ihm als Arzt, und Ilse Trapps, nunmehr „Schwester Teufelchen“ genannt, deren Schwesternkleidung selbstredend lediglich aus einem Servierschürzchen und einer Haube besteht.

Auf Hohenschwandt unterdessen ist es zu einem Zerwürfnis zwischen Dorian und Keller gekommen, der des Professors Weg nicht mehr weitergehen mag. Keller liegt ein Angebot aus Zürich vor, Angela Dorian muss sich zwischen ihrem Verlobten und ihrem Vater entscheiden. Da trifft ein in der Schweiz aufgegebener Brief ein, in der ein anonymer „Kollege“ ankündigt, dass er entdeckt habe, „daß im menschlichen Hirn ein kleines Ventil undicht geworden ist, durch das die Gase entweichen, die Vernunft und Logik umnebeln. Um die Menschheit zu retten, bedarf es nur einen kleinen Eingriffs im offenen Hirn, eines Verschlusses des Defekts, und der Mensch lernt erkennen, wie man Paradiese schafft. Ich werde in Kürze beginnen, diese Operationen auszuführen. Erlauben Sie mir, verehrter Kollege, Sie auf dem laufenden zu halten. Ich grüße Sie mit der neuen Weltparole: Dummheit – ex!“

Im Gasthof stört Egon Trapps die Klinikvorbereitungen. Kurzerhand wird er vom großen Boss und Schwester Teufelchen wieder abgefüllt, ins Auto verbracht und volltrunken auf die Autobahn geworfen, wo er überfahren wird. Zwar wird später bei der Obduktion festgestellt, dass er einen Promillewert hatte, bei dem er niemals noch selbst hätte laufen können, allerdings konnte die Leiche nicht identifiziert werden, nachdem mehrere Fahrzeuge über seinen Kopf gefahren waren…

Währenddessen haben Gerd und Ilse mit Magda Hendle ihre erste, natürlich unfreiwillige, Patientin gefunden. Da Magda rasch Sassners Charme verfällt, bricht sich bei Ilse die Eifersucht Bann. Kein Wunder also, dass sie sich darauf freut, Magda zu narkotisieren. Dafür wird nämlich die gute alte Hammermethode verwendet…

…ehe Sassner den Schädel durch Rundschnitt öffnet und die gesamte obere Hirnschale entfernt und dann den Kopf mit Geschirrspülmittel ausspült. Anschließend folgt das gleiche mit dem Herzen.
(„Sie baden gerade Ihre Organe drin!“ „In Geschirrspülmittel?!?“ „In Palmolive!“ Sorry…)

Die nächsten Patienten namens Markus Peltzer, Julius Hombatz und dessen Freundin Agathe Vierholz konnten bereits von Gerd und Ilse gewonnen werden. Die drei haben allerdings „Glück“, Hombatz werden lediglich die Ohren abgeschnitten, Peltzer ein Loch in die Stirn gebohrt und Agathe Vierholz bekommt ein Brandzeichen unterhalb des Nabels verpasst.

Meanwhile, back at the Hohenschwandt-Ranch: Dr. Keller hat sich entschlossen, zunächst auf Hohenschwandt zu bleiben, was zu einem Zerwürfnis mit Angela geführt hat. Dorian experimentiert mit den Affen, denen er Intelligenz einspritzen will, nämlich aus dem zu Brei zermahlenen Gehirn von Artgenossen! Keller gelingt es, Dorian zu überzeugen, dass sich bei dem „Kollegen“ um den noch lebenden Sassner handeln müsste. Und Keller hat noch eine Idee: Luise Sassner soll als Lockvogel eingesetzt werden…

Dr. Kamphusen gelingt es, nachts den falschen Dr. Keller, der den Patienten Injektionen spritzte, zu stellen. Es handelt sich um den Pfleger Leopold „Poldi“ Wachsner, der, in finanziellen Nöten steckend, von namenlos bleibenden Konkurrenten Dorians bezahlt wurde, Panik auf Hohenschwandt zu verursachen. Nach seiner Verhaftung ist von seiner Bezahlung allerdings keine Rede mehr. Poldi begeht Selbstmord.

Luise Sassner und Ilse Trapps stoßen in der Tat nächtens auf einem Autobahnparkplatz aufeinander, worauf Ilse Luise ins Schloß der blauen Vögel mitnimmt, wo Gerd nun Menschen in Vögel verwandeln will.

Auf Hohenschwandt ist es zwischenzeitlich zu einem Aufstand der Patienten gekommen, die Ausgang und Frauen verlangen – und Angela Dorian als Geisel genommen haben, und drohen, sie reihum zu vergewaltigen! Keller gelingt es allerdings, unter Einsatz des Nervengases HLN 101 Angela zu retten und die Aufständischen außer Gefecht zu setzen.

In dem abgelegenen Gasthof hat Sassner die operative Verwandlung Luises zu einem Vogel angesetzt. Allerdings schafft es Luise es, ihn davon zunächst abzubringen, während sie darauf hofft, er würde sie erkennen. In einem Catfight gelingt es ihr, Ilse niederzuringen und auf dem OP-Tisch festzubinden, was bei Ilse Trapps zu der nicht unberechtigten Befürchtung führt, der große Boss würde sie für eine Patientin halten und entsprechend operieren.
Es gelingt Ilse allerdings, Gerd dazu zu bringen, sie loszubinden. Allerhöchste Zeit für Ilse, sich aus dem Staub zu machen. Der Fluchtweg führt sie nach Hamburg, von wo aus sie die Polizei mit einem anonymen Anruf auf die Spur Sassners bringt. Danach wird Ilse allerdings von einem durchgedrehten Zuhälter erdrosselt…

Die Polizei freilich traut sich nicht, das Gasthaus zu stürmen, da laut Sassner seine Klinik voll belegt sei. Allerdings erklärt er sich bereit mit der Anwesenheit seines Lehrmeisters, Professor Dorian. Dem gelingt es in der Tat, mit einem Trick Sassner außer Gefecht zu setzen. Der Spuk ist zu Ende.

Nur nicht für Dorian. Der plant nämlich bereits eine erneute Operation Sassners und bekommt sie tatsächlich bewilligt.

Sassner erkennt nach der erneuten Hirnoperation zwar Frau und Kinder endgültig nicht mehr, aber er lebt wieder in der Realität und Dorian macht Luise Hoffnung: „In ein, zwei oder drei Jahren werde ich ihrem Mann vielleicht zehn Injektionen geben, und Sie können ihn mitnehmen als den besten Gerd Sassner, den es je gegeben hat.“

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Sa 11. Aug 2012, 20:42
von CamperVan.Helsing
Himmel, war Konsalik komplett im Drogenrausch, als er diesen Wahnsinn zusammenschrieb? Wollte er wirklich persönlichkeitsverändernde Hirnoperationen als den Segen der Menschheit propagieren? Auf alle Fälle hätte man daraus auch einen wunderbaren filmischen Sleazer bauen können. Alfred Vohrer hätte sicher was draus gemacht…

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Di 21. Aug 2012, 22:56
von Jeroen
ugo-piazza hat geschrieben:Der Untertitel lautet übrigens „Ein Gehirnchirurg versucht das Schicksal“. Hä? Wie jetzt? WAS versucht der Chirurg? Das Schicksal herauszufordern? Das Schicksal zu manipulieren? Grammatik ist schon schwierig…
Nun, Germanisten und Genrefilm-Foristen mit unbefriedigtem Geltungsbedürfnis kennen "versuchen" auch noch als Wort für "auf die Probe stellen" oder "herausfordern", vgl. auch "die Versuchung" bzw. "in Versuchung führen". Was lernen wir daraus? Wer Konsalik liest, sollte besser studiert haben :D

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Mi 22. Aug 2012, 17:14
von purgatorio
Jeroen hat geschrieben:(...) Was lernen wir daraus? Wer Konsalik liest, sollte besser studiert haben :D
:lol: made my day :opa:


:lol: :lol: :lol:

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Mi 22. Aug 2012, 18:42
von CamperVan.Helsing
purgatorio hat geschrieben:
Jeroen hat geschrieben:(...) Was lernen wir daraus? Wer Konsalik liest, sollte besser studiert haben :D
:lol: made my day :opa:


:lol: :lol: :lol:
Darf ich daraus schließen, dass Heinz G. deine Standardlektüre ist?

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Fr 24. Aug 2012, 08:49
von purgatorio
ugo-piazza hat geschrieben: Darf ich daraus schließen, dass Heinz G. deine Standardlektüre ist?
wohl eher Dirty Harry :lol:

Re: Das Schloß der blauen Vögel - Heinz G. Konsalik

Verfasst: Do 21. Aug 2014, 14:53
von McBrewer
Bild

Zeitmässig habe ich es jetzt erst geschafft, dieses tolle Werk durch zu schmöckern.
Das lag weniger an einem anspruchsvollen Schreibstil, sonder eher an meiner kurz bemessenen Zeit. Nun ja: @Ugo hatte nicht zu viel versprochen. schon nach wenigen Seiten läuft vor dem geistigen Auge der passende Film zu den gelesenen Zeilen.
Da kommt Freude auf, bei soviel Quatsch mit Soße ! :hirn: :thup:
Erst recht wenn die rotmähnige Ilse aka „Schwester Teufelchen“ (deren tragisches Schicksal am Ende ich besonders bedauere) halb-nackt durch das umgebaute Gasthaus läuft, möchte man sich sofort den (leider nicht vorhandenen) Film her wünschen. Da wäre bei einer möglichen Verfilmung optisch einiges gegangen 8-)
Und das Buch geizt auch nicht um ein paar blutige Details während der Gefangennahme der Opfer & die anschließende Operation, alles natürlich im Namen der Menschlichkeit.
Fazit: eine Lektüre mit hohem Unterhaltungswert...und vielleicht gebe ich es im betagten Bekannten & Familienkreis weiter, dort vermute ich noch einige interessierte Konsalik-Leser :thup: