Tarkan Viking Kani - Mehmet Aslan (1971)
Verfasst: Di 30. Okt 2012, 14:25
Herstellungsland: Türkei 1971
Regie: Mehmet Aslan
Darsteller: Kartal Tibet, Eva Bender, Seher Seniz, Fatma Belgen, Bilal Inci, Tarik Sebnem, Atif Kaptan
Basierend auf einer türkischen Comic-Serie der 50er und 60er Jahre entstanden zwischen 1969 und 1973 insgesamt fünf Filme über den furchtlosen, wie einst die Gründer Roms von Wölfen aufgezogenen Hunnen Tarkan, der im 5. Jahrhundert eben das tut, was man von einem furchtlosen Hunnen mit exponiertem Gerechtigkeitssinn erwarten darf. TARKAN VIKING KANI ist der, wenn ich mich nicht verzählte, vorletzte Beitrag zur Reihe, und der bislang einizge, dem ich eine Sichtung widmete. Die Story liest sich wie ein Sammelsurium an Genreversatzstücken, die nirgendwo einen Originalitätspreis gewinnen würden. Tarkan steht in den Diensten des Hunnenkönigs Attilas, mit der Hauptbeschäftigung, vor allem auf dessen Töchterchen Yonca ein wachsames Auge zu haben. Allerdings ist die junge Dame auch für feindselige Mächte ein begehrtes Objekt. So hat sich die Tochter des chinesischen Kaisers, mit dem originellen Namen Lotus, den Wikingeranführer Toro zum Handlanger auserkoren, der ihr, im Versprechen von reichlichen Reichtum, zum Besitz Yoncas verschaffen soll. Dies wiederum befähigt sie, so der Plan, deren Vater aufs bitterste zu erpressen. Mit einer Übermacht an raubeinigen Wikingerkriegern fällt Toro nun in der kaum geschützten Meeresfestung Attilas ein. Yonca wird geraubt, die gesamte Kriegerschaft der Hunnen sowie die Zivilbevölkerung grausamst niedergemetzelt, nur, wie sollte es anders sein, Tarkan und einer seiner Wölfe, der Kurt (!) heißt, überlebt und macht sich auf in den Norden, um Yonca den bösartigen Fängen der Normannen zu entreißen.
Was folgt, ist eine Tour de force besonderer Art, in der der Film mit nichts geizt, was die pubertären Phantasien junger Männer zu erregen versteht. TARKAN VIKING KANI wirkt wie ein erster Samenerguss, eine Entladung sämtlicher maskuliner Wunschbilder, wie sie im Geiste eines eben zum Mann erwachten Jugendlichen herumspuken. Tarkan bildet die Symbolfigur, die alles verkörpert, was der selbstbewusstlose Adoleszent gerne erreichen würde: Stärke, Edelmut, unwiderstehlichen Charme, dem selbst eine gefühlskalte Dame wie Lotus beinahe erliegt, sowie einen überdimensionalen Schnauzer. Die Welt, in der er agiert, ist eine zweigeteilte, die über keine Geheimnisse verfügt. Toro und alle, die sich mit ihm verbünden, stehen auf der einen Seite, der, die es verdient, in wilder Raserei zerhauen zu werden, Tarkan und die wehrlosen Frauen, zu deren Rettung er eilt, neben Yonca nun auch die Tochter eines Wikingerkönigs, den Toro kurzerhand entmachtet hat und die nun Tarkans bedarf, ihr legitimes Erbe, das Königreich, zurückgewinnen, sind in ihrer Eindimensionalität nichts weiter als rein oberflächliche Tugenden wie Schönheit und Heldenhaftigkeit.
Dabei lässt der Film auch inszenatorisch nichts anbrennen. Zwar schafft TARKAN VIKING KANI es nicht, einem Streifen wie YILMAYAN SEYTAN Konkurrenz zu leisten, der ja nun wirklich ausschließlich aus Actionsequenzen zusammengestückelt ist, dennoch fällt sofort auf, wie die Prioritäten verteilt sind: vor Charakterszenen nimmt man eher Abstand, jegliche, wenn auch noch so monotone und sinnlose Prügelei und Metzelei ist sofort willkommen. Auffallend ist dabei, wie graphisch sich der Film zuweilen gebärdet. Wenn da selbst Kleinkinder vor den Wikingerbeilen nicht verschont werden, dann lässt das in mir den Verdacht keimen, dass Regisseur Aslan sich in seiner groben Schwarzweißzeichnung von edelmütigen Hunnen und teuflichen Wikingern nicht wenig von Eisensteins Propagandaklassiker ALEXANDER NEVSKY inspirieren ließ, wo die Deutschritter, wenig verhohlene Sinnbilder für das nationalsozialistische Heer, sich ähnlich rücksichtslos selbst über die unschuldigsten Glieder der russischen Gesellschaft hermachen. In diesen Splatterszenen enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen TARKAN VIKING KANI und dem, was man gemeinhin als Filmkunst bezeichnet. Auch TARKAN VIKING KANI öffnet zwar nicht die Pforten des heiligen Trashs wie bspw. TURKISH STAR WARS oder TURKISH SUPERMAN, er kratzt aber zumindest an ihnen, steht kurz davor, die Schwelle zu übertreten. Grob, ohne jegliche Feinheit, in einer rasanten Abfolge von Pubertätsphantasien hechelt er seine Story durch Szenen voller unfreiwilliger Komik, in denen die angeblichen Wikinger leicht als schlecht verkleidete türkische Laienschauspieler zu identifizieren sind, die Kampfszenen jeglicher Finesse entbehren und im Grunde nur tumbes Draufhauen darstellen, sowie das ultimative Böse schließlich auch noch leibhaftig auftreten darf, nämlich in Gestalt eines menschenfressenden Kraken, für dessen Gummikostüm sich selbst ein Ed Wood in Grund und Boden geschämt hätte. Neben diesen tentakelreichen Szenen ist es vor allem aber eine, die für mich den Film schön zusammenfasst: gerade eben ist die Hunnenfestung von den Wikingern verwüstet worden. Tarkan liegt niedergeknüppelt inmitten von Leichen. Auch einer seiner beiden Schäferhunden, die der Film uns als wilde Wölfe vorzugaukeln versucht, hat den Wikingerüberfall nicht überlebt. Tarkan schwört nun Rache, nicht aber, um die vielen Gefallenen, Frauen und Kinder, um sich herum zu rächen, sondern einzig, um den Mörder seines treuen Wolfes zu finden. Für einen Jungen ist eben sein Haustier wichtiger als jeder ungerecht dahingemordete Erwachsenen- oder Säuglingskörper.