3 Dev Adam - T. Fikret Ucak (1973)
Verfasst: Fr 2. Nov 2012, 11:54
Herstellungsland: Türkei 1973
Regie: T. Fikret Ucak
Darsteller: Aytekin Akkaya, Deniz Erkanat, Yavuz Selekman, Teyfik Sen, Dogan Tamer, Mine Sun, Altan Günbay
Nachdem ich mir nun krankheitsbedingt eine beträchtliche Anzahl türkischer B-Movies der 50er bis 80er Jahre besehen habe, glaube ich, bereits einigermaßen befähigt zu sein, einen grundlegenden Unterschied zwischen dem türkischen und dem italienischen exploitativen bzw. "abseitigen" Kino bennen zu können, der mir, je weiter ich mich in die Gefilde der befremdlichen Superhelden, dreisten Rip-Offs und extremschnurbärtigen Oberschurken vorwage, immer deutlicher ins Auge sticht.
Das italienische Delirienkino ist ein traumwandlerischeres. Die Mainstream-Pragmatik, nach der jede einzelne Szene, jede Dialogzeile, jede noch so nebensächliche Randfigur eine bestimmte Bedeutung, einen Sinn für die Handlung zu erfüllen hat, gilt hier genausowenig wie überhaupt die grundsätzliche Überlegung, dass das Medium Film vorrangig dafür gedacht ist, eine "Geschichte zu erzählen." Das Storytelling Hollywoods und der mit ihm verbundenen Hauptströmungen innerhalb der Filmgeschichte, die bereits in seinen frühsten Tage die Oberhand über jene Seitenströme gewannen, die im Film nicht bloß eine Weiterführung literarischer Methoden und Erzählweisen sahen, sondern die Neuartigkeit des Kinos gerade darin erblickten, dass hier mittels Bildern - vielleicht auch "erzählt" -, aber vor allem etwas zuvor nicht durch andere Kunstformen, nicht mal durch Malerei, Photographie, Darstellbares endlich eine Form verliehen bekommen werden kann, sind dem italienischen transgressiven Film diametral entgegengesetzt. Seine beiden Antipoden, auf der einen Seite die rauschhafte, schlafwandlerische, dem Unbewussten das Zepter überreichende Un-Logik eines SUSPIRIA, auf der anderen Seite der gedankenlose, im wahrsten Sinne des Wortes sinn-lose Trash-Surrealismus eines ZOMBI HOLOCAUST, schöpfen, obgleich künstlerisch Welten zwischen beiden Filmen liegen, aus der gleichen Quelle, nämlich einer, der eine zu erzeugende Atmosphäre wichtiger ist als jede klug durchdachte und in sich schlüsse Handlung, die sich mehr um Gefühle schert als um ausformulierte Gedanken und die den Zuschauer in eine Welt jenseits von der führt, in der eine sorgsame Durchkonstruiertheit jedem noch so beiläufig erscheinenden Gegenstand eine exakt auf ihn zugeschnittene Rolle gibt. Sicher, sowohl SUSPIRIA wie auch ZOMBI HOLOCAUST haben handelnde Figuren, eine Handlung, die man notfalls in ein paar Sätzen zusammenfassen könnte, so etwas wie einen roten Faden, der die einzelnen Szenen miteinander verbindet, dennoch wird mir jeder zustimmen, dass sowohl die verrücktesten Trash-Regisseure wie Mattei oder D'Amato, wie auch jene, die für mich eindeutig den Rang eines ernstzunehmenden Künstlers einnehmen, wie Argento oder Bava, ihre sicherlich vorhandenen Drehbücher zu Gunsten von etwas vernachlässigen, das ich einmal als "den Sieg der Irrealität über die Vernunft" bezeichnen möchte. SUSPIRIA und ZOMBI HOLOCAUST sind beides Filme, die wirken, als hätte man sie so oder so ähnlich träumen können. Sie besitzen eine Fassade, die "Sinn" vorgaukelt, einen menschlichen, rationalen Sinn, hinter dem allerdings einer lauert, der eben diesen vorgeblichen "Sinn" dadurch unterläuft, dass er ihm die Folgerichtigkeit, die Vernunft und die Ratio von Träumen, Räuschen und ungesteuerten kreativen Prozessen entgegensetzt.
Wie steht es nun um jene türkischen Regisseure, die sich reihenweise zumeist US-amerikanische Blockbuster vornahmen, um für ihre Provinztheater neue Versionen daraus zu basteln? Meiner Meinung nach sind diese viel mehr Sklaven ihrer Geschichten als ihre italienischen Kollegen. Selbst einem Totalausfall wie dem vorliegenden 3 DEV ADAM merkt man, so meine ich, an, dass ihm ein Skript zugrundelag, das eigentlich gar nicht mal so schlecht gewesen sein mag. Hätte man es an Hollywood verkauft, wo es zehn Berufsautoren akribisch überarbeitet hätten, hätte daraus, glaube ich, sogar etwas halbwegs Annehmbares herauskommen können, ein mainstreamiger Actionfilm, der immerhin etwas Geld eingespielt hätte, künstlerisch zwar kaum von Wert, aber unter Umständen ein lukratives Geschäft. In seiner jetzigen Form ist 3 DEV ADAM jedoch nichts dergleichen, und das liegt, wie gesagt, weniger an seiner Geschichte, sondern daran, dass die für ihn verantwortlich Zeichnenden scheinbar über eine schier grenzenlose Unfähigkeit verfügten, die Handlung in ein akzeptables Korsett zu pressen. Sicher, sie klingt an sich schon recht haarsträubend, aber nicht viel haarsträubender als das, was Hollywood noch in den letzten Jahren an Superheldenfilmen auf eine zahlwillige Kundschaft loslässt. Spiderman ist hier, völlig entgegen seiner Existenz in US-Comics, Anführer einer Verbrecherbande, einfallsreich Spider Gang betitelt, die in Istanbul irgendwelche krumme Geschäfte abzieht, die mit einem Stripclub zusammenhängen, in Mordtaten verwickelt ist sowie einen völlig debilen Clou ausheckte, nach dem Spiderman angeblich wertvolle Kunstgegenstände, die allesamt wie wertloser Nippes aussehen, den man in jedem Ramschladen zum Dutzend billiger bekommt, unter ihrem Wert an Kunstsammler verhökert, nur um sie dann mit eigens gedrucktem Falschgeld überteuert zurückzukaufen (gerade der Sinn dieses Masterplans erschloss sich mir beim besten Willen nicht.) Offenbar reichen solche Eskapaden schon aus, die türkische Polizei gnadenlos zu überfordern, weswegen sie gleich zwei Superhelden, einmal Captain America, patriotisches, ehemals gegen Nazis und Kommis agierendes US-Gerechtigkeitssymbol, zudem Santo, den mexikanischen Wrestler-Nationheld, der auf eine eigene, eintragsreiche Filmographie zurückschauen darf, um Hilfe anflehen, die dann sofort auch in Istanbul auftauchen und Spiders Handwerk vorrangig damit zu legen versuchen, dass sie irgendwelche Verdächtige beschatten oder sich mit seinen Handlangern in den ewiggleichen, belanglosen Prügeleien herumschlagen. Da Santo und Captain America in der türkischen Parallelwelt offenbar keine Vorbildfunktion besitzen, trinken sie zudem literweise Whiskey und rauchen wie Fabrikschlote. Spider selbst ist da noch der interessantere Charakter, nicht nur, weil man sein wahres Gesicht bis zu Filmende nicht gezeigt bekommt und ihm die buschigen Augenbrauen so aggressiv aus der roten Maske hervorwuchern, dass ich kurzzeitig dachte, es könne sich auch nur eine neue Identität des mit ähnlicher Gesichtsbehaarung gesegneten Dr. Satan aus YILMANAZ SEYTAN handeln.
Ansonsten gebricht es 3 DEV ADAM so ziemlich an allen Schauwerten, die man von einem Film, der gleich drei Superhelden aufbietet, eigentlich hätte erwarten können. Wo der oben erwähnte YILMAYAN SEYTAN im Grunde nur aus Actionszenen besteht, die wie im Kokainrausch aneinandergereiht werden, besitzt 3 DEV ADAM nur wenige, und das sind zumeist Männerkampfe auf dem Niveau von Kneipenschlägereien. Offensichtlich ist trotzdem das Bemühen, etwas Spannendes, Packendes abzuliefern. Die Geschichte an sich wirkt schrecklich bodenständig, mehr betuchter Krimi als ausuferndes Trash-Spektakel. Zurückhaltend entwickelt sich die Handlung, der man anmerkt, dass man mehr als fünf Minuten über sie nachdachte, deren Problem aber eben ist, dass ihre Umsetzung eine mittelschwere Katastrophe darstellt. Somit erweist sich 3 DEV ADAM, meine Anfangsthese stützend, als ein Film, der wirkt, als sei hier das Drehbuch eines anspruchslosen Superheldenfilms amerikanischer Prägung in die Hände von Laien gefallen, die es mit italienischer Unbekümmertheit in Szene setzten. Was 3 DEV ADAM groß macht, ist eben nicht das, was er zeigt, sondern allein wie er es zeigt. Ein Beispiel: Ein Mann aus Spiders Gang soll gestraft werden. Hierzu bindet man ihm ein Rohr vors Gesicht. Spider erklärt feierlich, diese Ratten hier, die schon seit Ewigkeiten nichts mehr zu fressen kriegten, würden ihm schon zeigen, wie er mit Verrätern umgehe. Besagte Ratten sind indes nichts weiter als zwei wohlgenährte, süße Meerschweinchen, die von Spider ans Ende des Rohrs gesetzt werden. Sogleich schließt er die Klappe und der Film suggeriert, sie würden wie ausgehungert auf das Gesicht des Gefesselten zueilen. Dieser schreit und Blut läuft in Strömen an seinem Hals herunter, als die Nager ihm offenbar das Gesicht zerfleischen. In ihrer Inkompetenz verfehlt diese wirklich lächerliche Szene nicht, dass man bei ihr an eine ähnlich stümperhafte in Canevaris L'ULTIMA ORGIA DEL III REICH denken muss, wo ebenfalls Ratten mit Meerschweinchen verwechselt werden.
Nur in einem Fall zeigt 3 DEV ADAM sich dann doch bereit, von seinem Schema abzuweichen und den Zuschauer mit etwas zu konfrontrieren, für das es keine vernüftige Erklärung gibt. Im Showdown, wenn Santo und Captain America Spiderman zur Strecke bringen wollen, kann dieser sich nämlich plötzlich, ohne dass es sich aus der Handlung irgendwie erschließen würde, beliebig multiplizieren. Jedes Mal, wenn Santo und Captain America einen Spiderman auf meist kreative Weise ermordeten, taucht ein neuer irgendwo auf, lacht schäbig und ein weiterer Kampf folgt, sodass das Finale gar nicht mehr enden zu wollen scheint. Witzig ist vor allem auch, dass unsere beiden Helden nicht mal mitbekommen, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn sie im gleichen Raum mit jeweils einem Spidermann im Zweikampf begriffen sind. Im Ganzen ist dies aber nur ein kurzer Moment der Irrealität, der die um Realität bemühte Stimmung des restlichen Films nur noch deutlicher hervorhebt. 3 DEV ADAM, das ist die Darstellung der Logik in einem Kosmos, der ihr verständnislos gegenübersteht und schlicht nichts mit ihr anzufangen weiß.