Hier ein paar kleine Gedanken meinerseits. Ist leider ein wenig lang geworden, aber bei DIESEM Film kann man sich einfach nicht kürzer fassen.
Anm. Das ist ein Film, den man auf großer Leinwand gesehen haben muss, jeder der ihn auf großer Leinwand gesehen hat wird ihn schätzen, lieben und vergöttern...
Handlung:
Während die arbeitende Klasse in der futuristischen Großstadt Metropolis ein armseliges Leben in ihren unterirdischen Lagern führen muss, haben es die Bürger recht gemütlich. Als der Sohn von Metropolis’ Herrscher Joh Fredersen, Freder, sich von der geistigen Führerin der Arbeiterbewegung, Maria, verzaubern lässt, unternimmt er einen Ausflug in die unterirdische Arbeiterstadt und bekommt Mitleid für die Unterdrückten.
Joh Frederson und der Erfinder Rotwang spielen sich derweil mit dem Gedanken eine Roboterdame, die Maria nachgebildet ist, zu erschaffen, um Zwist unter den Arbeitern zu schaffen. Was Fredersen nicht weiß, Rotwang verfolgt auch noch ein paar eigene diabolische Pläne...
Kritik:
Wow, was für ein unsagbar atemberaubender Film. Auf großer Leinwand hatte dieser Film eine Wirkung, wie kein anderer, den ich je zuvor gesehen habe.
Bevor wir auf das Team hinter der Kamera eingehen, betrachten wir mal die Darsteller und ihre Rollen.
Unsere Sympathieträger sind mal noch nichts Besonderes. Gustav Fröhlich verkörpert Freder, einen Charakter, wie wir ihn schon Dutzende Male gesehen haben. Einen Sohn aus reichem Hause, der durch die Liebe zu einer Frau aus einem anderen Haus oder einer anderen Schicht Sympathie für die Fremden entwickelt, hat schon Shakespeare mit seinem Romeo geschaffen und in der Filmwelt kam es dann zu Figuren, die Freder noch mehr gleichen. Ihm zur Seite steht Theodor Loos als Josaphat, die treue Seele an der Seite des Helden ohne die mittlerweile auch kein Film mehr auskommt. Beide spielen ihre Rollen wirklich gut, allein wegen diesen Figuren wird „Metropolis“ aber noch nicht unvergesslich.
Dafür stechen die Bösen so richtig schön hervor. Mein Favorit ist Alfred Abel als Herrscher über Metropolis. Als solcher ist er kalt und skrupellos, die Verbannung seines engsten Mitarbeiters in die schreckliche Arbeiterwelt kommentiert er nur mit einem Achselzucken, keine noch so diabolische Tat fordert eine größere Gefühlsregung. ABER, sein Mienenspiel hat von Anfang an etwas sehr leidendes an sich. Man könnte also vermuten, dass er bei all seinen Taten nur deshalb keinen Skrupel zeigt, weil er schon längst von ebendiesem zerfressen ist. Am Schluss sehen wir auch, dass er durchaus willens ist, sich zu bessern, was mich wiederum zu der Annahme bringt, und das macht diese Figur so interessant, dass er kein schlechter Mensch ist, kein diabolischer Bösewicht, sondern ein normaler Typ, der erkennen musste, dass man in einer mächtigen Position kaltblütig zu sein hat um etwas zu erreichen. Er ist also nur eine unsympathische Figur, weil ihm seine Position diese Haltung aufzwingt. Das ist finde ich kein schlechter Gedanke, vielleicht können wir in Joh Fredersen ja auch so manchen unserer heutigen Politiker wiedererkennen.
Wirklich von Grund auf böse erscheint dann aber sein Spion „Der Schmale“, gespielt von Fritz Rasp, den wir aus Wallace-Filmen kennen. Und nun die Frage, die jedem auf der Zunge liegt: War Fritz Rasp schon eine unheimliche Spukerscheinung vor seinem hohen Alter? – oh ja. Immer wenn der hagere schwarz gekleidete Mann ins Bild kommt, läuft einem ein Schauer über den Rücken. Er bewegt sich immer sehr langsam, sehr bedacht, was ihn fast schon in die Riege der unnatürlichen Schurken erhebt. Wenn wir aber gegen Ende seine Reaktionen auf die sich abspielende Tragik wahrnehmen, können wir auch bei ihm vermuten, dass er sich nur so von Grund auf böse gibt, weil das seine Position als Handlanger des Herrschers dies von ihm fordert.
Rudolf Klein-Rogge (Doktor Mabuse himself) gibt uns als Rotwang einen cartoonhafteren Bösewicht. Er wird als sehr intelligent beschrieben, was er mit seinen Erfindungen beweist, andererseits ist er aber auch von seiner toten Freundin, Frau, irgendwas in der Richtung, besessen, die bei der Geburt von Joh Fredersens Sohn ihr Leben lassen musste und überhaupt und obendrein umgibt er sich neben technischem Kram auch noch mit Pentagrammen und scheint magische Fähigkeiten zu haben. Klein-Rogge setzt diese Mixtur aus Genie und Wahnsinn perfekt um: In der einen Szene ist er ruhig und berechnend und bewegt sich bis auf das in groteske Höhe Ziehen seiner Augenbraue überhaupt nicht und in der nächsten Szene springt er wild gestikulierend herum wie Vincent Price auf Ecstasy!
Schlussendlich ist es aber doch eine Dame, die all diesen grandiosen Figuren die Show stielt: Brigitte Helm spielt Maria und ihr metallenes Ebenbild und das macht sie unbeschreiblich! Als Maria gibt sie uns eine dieser personifizierten Unschulden, die hier als geistige Führerin inmitten der schmutzigen Arbeiter durch ihre Reinheit und Anmut einen wirklich tollen Kontrast bietet. Ihr schauspielerisches Können entfacht sie dann bis zum Äußersten als Roboterdame. Ihre Bewegungen sind hastig, zackig in einer unnatürlichen weise verzerrt, noch dazu hält sie das eine Auge immer ein wenig geschlossen, das hat ihr Erfinder nicht so doll hinbekommen, und sie hat eine wirklich diabolische Lache drauf, die man zwar nicht hört, aber ihr schadenfreudiges Gesicht, das selbst in Momenten der Niederlage nicht höhnisch die armen Arbeiter verspottet ist aussagekräftiger als jeder Ton.
Und neben diesen schier unglaublichen schauspielerischen Fähigkeiten ist sie noch sehr hübsch anzusehen und kann verdammt gut tanzen, bzw. einen Affen nachmachen, an manchen Stellen wusste ich nämlich nicht ob sie dies macht oder tanzt.
Aber kein Charakter wirkt gut, wenn ihn der Regisseur nicht gut in Szene setzt und auf dem Regiestuhl saß deswegen der Film-Gott Fritz Lang, den ich zwar seit „M – Eine Stadt such einen Mörder“ sehr schätze, seit „Metropolis“ aber wahrhaft verehren muss. Er hat in diesem Film viele verschiedene Stimmungen die er uns vermitteln muss, was ihm auch wunderbar gelinkt.
Zu Anfang konfrontiert er uns mit den furchtbaren Bedingungen des Arbeiterlebens. Die ratternden Maschinen dampfen unheilbringend während die Menschen an ihnen stehen und fast wie epileptische Zirkusclowns Arbeiten verrichten die monoton, anstrengend und vor allem menschenverachtend sind. Das deprimierte Leben dieser Leute zeigt Lang, indem er sie, allesamt mit gesengten Köpfen in einheitliche dreckige Uniformen gehüllt, monotonen Schrittes in endlosen Reihen durch ihre armselige Welt schlendern lässt.
Lang muss sich aber auch darum kümmern, dass Metropolis trotz der furchtbaren Arbeiterstadt unter ihr, wie eine prächtige Metropole rüberkommt. Dies macht er, indem er in geschickter Bilderfolge die beeindruckenden Gebäude, die Fluten von gleißenden Lichtern und die Bewegungen der Verkehrsmittel kombiniert (er war übrigens auch für den Schnitt zuständig). Besonderes Lob gilt hier natürlich auch den wunderwirkenden Bühnenbildnern.
Selbst übertroffen hat sich Lang bei der Inszenierung des Schlusses der nicht nur wahnsinnig spannend ist, er porträtiert auch die Dekadenz der Herrschenden und den Hass der Unterdrückten sehr ergreifend. Indem Lang den zweifelhaften Sieg der Arbeiter über die Maschinen neben die tragischen Schicksale der von den revolutionierenden Eltern zurückgelassenen Kindern stellt und mit vielen Bildern stürmender arme reckender brüllender Arbeiterheere aufwartet, bannt er auch wie kein zweiter den Wahnsinn, der hinter den meisten Revolutionen steckt, auf Zelluloid.
Nett ist es, dass bei der zu verdammenden Revolution der Musikus Gottfried Huppetz ein paar Noten der Marseillaise in seinen Soundtrack gemischt hat. Auch sonst ist die Musik äußerst stimmig, für Maria werden romantische Klänge aufbewahrt, die Stadt selbst bekommt ein flottes epochales Thema und die Maschinen werden mit einem dumpfen unsympathischen Gehämmer untermahlt.
Abschließendes Lob noch an das Drehbuch von Thea von Harbou. Ihr Skript wird trotz der Länge von zwei und einer halben Stunde niemals langweilig, weil es stets mit neuen Umbrüchen in der Geschichte und interessanter Charakterzeichnung aufwartet. Die Reihenfolge in denen Leid der Arbeiter, Stimmen von Frieden oder von Aufruhr, Unterdrückung durch die Herrschenden und der Revolutionswahnsinn miteinander verbunden wurden ist perfekt und die Liebesgeschichte zwischen Maria und Freder sowie die Subplots um Rotwang, Josaphat oder Georgy, einem Arbeiter mit dem Freder Kleider tauschte, werden in die Geschichte eingefügt ohne fehl am Platz zu wirken.
Fazit: Ein durch und durch stimmiges und ergreifendes Meisterwerk. 10,01/10, die beste Note, die ich je vergeben habe.