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Die Straße des Bösen - Larry Yust (1974)

Verfasst: So 25. Nov 2012, 00:05
von CamperVan.Helsing
USA 1974

Videotitel: Revolte der Ausgestoßenen

OT: Homebodies

D: Peter Brocco, Frances Fuller, Paula Trueman, Ian Wolfe

Irgendwo in den USA. Das alte Mietshaus hat schon bessere Tage gesehen. Auch die Bewohner sind allesamt alt geworden und manche auch etwas schrullig. Doch die Tage des Hauses sind gezählt, der gesamte Straßenzug wurde an Mr. Crawford verkauft, der bereits am Crawford Center, einem Hochhaus-Appartementkomplex arbeitet. Die alten Häuser werden abgerissen, die Bewohner ihrer gewohnten Umgebung entrissen und in ihre sterile Neubauten umgesiedelt.

Doch in einem Haus wollen die Senioren nicht gehen, als ihnen Miss Pollack die Räumungsbefehle überreicht. So findet am nächsten Tag (!) die Räumung mit Hilfe der Polizei statt, doch zeigen sich die Alten nun friedlich und räumen das Feld. Miss Pollack bemerkt freilich, dass zwei Personen fehlen. Die seien bereits in der Nacht gegangen, sagt der blinde Mr. Blakely. Miss Pollack zeigt sich, im Gegensatz zur Polizei, nicht überzeugt und kehrt ins Haus zurück. Das hätte sie besser nicht getan, denn sie bekommt kurzerhand ein Messer in die Rippchen.

Auf der Großbaustelle nebenan kommt es auch zu üblen Unfällen: Ein Stahlträger stürzt mit einem Arbeiter in die Tiefe, ein Aufzug mit 3 Malochern explodiert und rauscht unktrolliert nach unten. Die übrigen Arbeiter weigern sich, weiter zu schuften.

Nacchdem die Leiche von Miss P. entsorgt wurde, ergibt sich die Gelegenheit, selbst mit dem Bauherrn Crawford zu sprechen. Der hat leider nichts besseres zu tun, als auch in ungünstiger Lage mit der Polizei zu drohen. Wozu hat man einen Rohbau nebenan? Mr. Crawford wird seinem Bauvorhaben ewig verbunden sein, wenn auch anders, als er sich das gedacht hat... (italian style) Eine Axt kommt auch noch kurz zum Einsatz, um hervorstehende Körperteile (ich rede von den Zehen, was denn sonst...) abzuhacken...

Auch stellt sich heraus, dass die Unfälle auf der Baustelle keineswegs Unfälle, sondern gezielte Sabotageakte seitens der Senioren waren.

Doch Mrs. Loomis (!) ist dem nicht mehr gewachsen und will die Polizei informieren, worauf ihr mit einer Urne (!) der Garaus gemacht wird.

Konnte man bis hierhin das Verhalten der Rentner noch irgendwie moralisch legitimieren, so driftet der Film nun im letzten Drittel zu dem Punkt, an dem die Widerständler sich selbst dezimieren...

Larry Yust erzählt die Geschichte versetzt mit grimmigem Humor, da wird Crawford, während er lebendig einzementiert wird, noch eben der Schweiß von der Stirn getupft, herrlich!

Die Geschichte ist leider knapp 40 Jahre später aktueller denn je, Gentrifizierung ist vielerorten ein Thema, und für Hamburg wird bereits erwartet, dass dort im nächsten Jahr die Mietpreise München übertreffen werden. :twisted:

http://www.abendblatt.de/hamburg/articl ... lands.html

1983 zog Helmut Kohl mit dem Versprechen von der "geistig-moralischen Wende" in den Wahlkampf, wie wir heute wissen, hat er ganze Arbeit geleistet um eine Ellenbogengesellschaft zu schaffen, mittlerweile ist Stress ja nicht mal mehr für Grundschüler kein Fremdwort mehr. Bravo! :evil:

Den Film hab ich vor ungefähr 20 Jahren mal auf SAT.1 (ja, die privaten Sender waren wirklich mal sehenswert :o ) aufgenommen, doch kam mir die Aufnahme schon vor Äonen abhanden und der Film entfleuchte meinem Gedächtnis

Und hätte nicht der österreichische Filmemacher Carl Andersen den Film in seinem gefloppten Fanzine "Blingking Kino" besprochen, hätte ich wohl nie wieder an dieses Werk gedacht, dass mir ein anderer Ösi, der Herr Pazzafini, hat zukommen lassen. Vielen Dank!

Nachdem ich seit Anfang 2010 über zwei Jahre lang die Erfahrung machen durfte, mich mit einem Immobilienbesitzer herumzuplagen, den außer schnellem Geld nichts interessiert (Mietrecht schon mal gar nicht), und dessen Chef eine Verurteilung wegen illegaler Kreditgeschäfte (mit Gewinnabschöpfung in Millionenhöhe) kassiert hat und die Staatsanwaltschaft auch wegen Bestechung und unzulässiger Kumpanei mit mehreren Notarkanzleien ermittelt hat, ist dies für mich aus meiner rein subjektiven Sicht die Wiederentdeckung 2012.

Aber auch jeder andere, dem angesichts der auseinanderklaffenden Gesellschaft das :kotz: kommt, sollte hier einen Blick riskieren. Ihr werdet es nicht bereuen.

Re: Die Straße des Bösen - Larry Yust

Verfasst: Mi 23. Dez 2015, 14:36
von Tomaso Montanaro
Na das ist doch mal was: Rentner, die sich gegen den Abriss ihres Wohnblocks wehren und dabei über Leichen gehen. Was sind dagegen Vampire, Werwölfe, Zombies...? Langweilig!

Dieser originelle wie ungewöhnliche Film funktioniert sowohl als schwarze (Horror?)Komödie wie auch als gesellschaftskritisches Drama.

Ich hoffe, dass sich endlich mal ein deutscher Verleiher findet, der dieses kleine Juwel hierzulande auf DVD rausbringt, denn derzeit existieren nur noch einige wenige abgenudelte VHS-Verleihkassetten.

8/10 Punkten