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Regie: Eduard von Borsody Produktionsland: Deutschland (1956) Darsteller: Marion Michael, Hardy Krüger, Irène Galter, Peter Mosbacher, Rudolf Forster, Reggie Nalder, Rolf von Nauckhoff, Edward Tierney, Reinhard Kolldehoff, Herbert Hübner, Olga von Togni, Jean Pierre Faye...
Inhalt:
Der Südosten Afrikas: Eine wissenschaftliche Expedition entdeckt zufällig eine junge, weiße Frau. Die Forscher beschließen die junge Frau mit aufs Schiff nach Hamburg zu nehmen, da diese eindeutig europäischer Abstammung ist. Auf der Reise nach Deutschland stellt sich dann auch heraus, dass das Mädchen "Liane" heisst und ihr einziger noch lebender Verwandter der reiche Reeder Amelongen ist. Lianes Rückkehr ruft jedoch auch Neider hervor, und so gerät Liane unversehens in ein Intrigenspiel um das Vermögen ihres Großvaters.
LIANE, DAS MÄDCHEN AUS DEM URWALD (Deutschland 1956, Regie: Eduard von Borsody)
… oder: Die Unterhaltsamkeit des Banalen. LIANE ist ein furchtbar simpler Film, einfach konstruiert, schnell erzählt und arm an Spannung. LIANE setzt auf Nacktheit aber nicht auf Erotik. LIANE ist im Grunde nicht mehr als ein Kinderfilm, eine kleine Tarzanvariation mit einem deutschen Mädel und dem klassischen narrativen Schnitt vom Dschungel auf dem schwarzen Kontinent zum Dschungel der hamburgischen Großstadt. Marion Michael begründet hiermit ihre Karriere, ist kindlich naiv und trotz eines halbstündigen Auftritts in völliger Nacktheit (aus heutiger Sicht sicherlich nicht unproblematisch, da sie zum Drehzeitpunkt 16 Jahre alt war) einer erotischen Anziehung recht fern. Hardy Krüger mimt ihr gegenüber den väterlichen Beschützer, der mit Coolness dem Begehren des jungen Mädchens auszuweichen versucht, aber nicht vollständig wiederstehen kann. Gewürzt werden diese Zutaten einer Prise Erbschaftsstreiterei und Intrige – fertig. Irgendwie unterhaltsam, aber auch ganz kitschig und trivial: 4/10.
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
Die „Tarzan“-Filme hatten vorgemacht, wie man im Rahmen exotischer Abenteuerfilme durchaus auch etwas nackte Haut und die eine oder andere mehr oder weniger subtile erotische Komponente auch in prüden Zeiten an der Zensur vorbei unterbringen konnte. 1956 betraute man für die deutsche Arca-Filmproduktion GmbH „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“ den österreichischen Abenteuer- und Komödien-Filmer Eduard von Borsody („Dany, bitte schreiben Sie“) mit der Verfilmung des im „Bild“-Boulevard- und Propagandablättchen abgedruckten Romans aus der Feder Anne Day-Helvegs.
Im afrikanischen Urwald stößt eine wissenschaftliche Expedition auf ein weißes Mädchen (Marion Michael, „Bomben auf Monte Carlo“), das einträchtig mit den Eingeborenen zusammenlebt. Man fängt sie und bringt sie per Schiff nach Hamburg, denn es scheint sich bei ihr um die lange Jahre verschollene Enkeltochter des vermögenden Hamburger Reeders Amelongen (Rudolf Forster, „Im Stahlnetz des Dr. Mabuse“) zu handeln. Doch dadurch sieht der Neffe Amelongens (Reggie Nalder, „Hexen bis aufs Blut gequält“) sein Erbe in Gefahr und greift zu unlauteren Methoden, um es sich doch noch zu sichern und nicht an das Mädchen aus dem Urwald zu verlieren…
Man nehme einen gut gewachsenen Backfisch, einige (Archiv-)Aufnahmen afrikanischer Ureinwohner, wilder Tiere und exotischer Natur, etwas Liebelei und Kriminalität – und fertig ist der Unterhaltungsfilm. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. „Tarzan“ hin oder her, die bei den Dreharbeiten noch minderjährige Blondine Marion Michael oben ohne, nur mit Lendenschurz bekleidet, sich unbeschwert im Urwald verdingend zu zeigen, rief die Sittenwächter auf den Plan und führte zu einem ausgiebigen Hin und Her die FSK-Freigabe betreffend. Die Nacktheit der Afrikanerinnen hingegen schien egal zu sein und wurde als Selbstverständlichkeit angenommen, die FSK-Prüfer unterstellten ihnen „keine sexuelle Reizwirkung“. Der Film spiegelt ein aus heutiger Sicht unschwer als gewohnheitsrassistisch zu erkennendes Bild von Schwarzafrikanern wider, die wild und unzivilisiert fleißig musizieren, Giftpfeile abschießen oder vor der Überlegenheit des weißen Mannes fliehen, wenn sie sich nicht gerade von ihm versklaven lassen. Dass es sich bei ihnen um Menschen handelt, ist keinesfalls Konsens der Expedition. Zu den Sympathieträgern der Forscher avancieren Thoren (Hardy Krüger, „Hatari“) und Dr. Jacqueline (Irène Galter, „Die Sonne in den Augen“). Als ein wilder Stamm Thoren und seinen Anhang überfällt, wird er vom Urwaldmädchen Liane aus seiner misslichen Lage befreit – der Moment ihres Kennenlernens. Zwischen ihm und Dr. Jacqueline, einer Ärztin in Hot Pants, hat sich eine Romanze entwickelt, die nichts mit den sexistischen Attacken zu tun hat, denen sich Dr. Jacqueline sonst ausgesetzt sieht. Jedoch hat sie eine Zusage vom Tropeninstitut bekommen und muss nach Hamburg. Vorher aber wäscht sie Liane, schneidet ihr die Haare und steckt sie in Kleidung – und als Ausdruck der unfassbaren Naivität des Films gefällt’s Liane!
Seinen ersten Ortswechsel vollzieht von Borsody, wenn Reeder Amelongen seinen Neffen aufgrund des Zeitungsartikels über den Fund des Urwaldmädchens konsultiert und damit die Kriminalhandlung parallel zur Abenteuergeschichte ihren Lauf nimmt. Liane soll zusammen mit Jacqueline nach Hamburg, will aber bei Thoren bleiben, in den sie sich offenbar verliebt hat… Also tritt man letztlich zusammen die Reise an, inklusive Lianes Diener und Bewacher Tanga [sic!] (Jean Pierre Faye). Der Film verlagert nun komplett seine Handlung in die Hansestadt, wo Liane langsam sprechen und die Zivilisation kennenlernt, während der Amelongen-Neffe ein falsches Spiel spielt und aus Angst um sein Erbe falsche Zeugen kauft, ja letztlich gar vor Mord nicht zurückschreckt. Die Krimihandlung wird jedoch bewusst wenig dominant gehalten und mit einigen netten alten Bildern Hamburgs (noch mit Straßenbahn) sowie Lianes in Unterwäsche im Garten gewürzt. Ein kitschiges Happy End bringt Liane letztlich in ihren Urwald zurück.
Die Naivität des Films, die insbesondere in den Vorstellungen der Sozialisation und des Überlebens im Urwald sowie der Reaktionen auf das Eingreifen von außen zu finden ist, habe ich bereits angesprochen, zu ihr gesellt sich eine Harmlosigkeit, die ihn schwer für tiefergehende Kritik greifbar macht. Die Sympathieträger des Films machen sich kaum des Rassismus verdächtig, Liane wird zwar dem Dschungel entrissen, kehrt aber auch wieder in ihn zurück und hat zwischenzeitlich kaum etwas auszustehen, ihr Interesse an Thoren wird nie zu einem echten Problem, besteht in erster Linie aus pubertärer Schwärmerei, mit der Thoren und Jacqueline stets souverän umzugehen wissen, Sexszenen o.ä. gibt es keine. Der im Prinzip einzig wahre Konflikt ist der erbschaftsstreitbedingte um den Neffen, dessen Eskalation am Ende recht schnell abgespult wird. Die in Hamburg spielenden Szenen wirken mitunter reichlich steif und erinnern bisweilen an abgefilmtes Theaterspiel. Was bleibt, ist ein leidlich unterhaltsames, oberflächliches Filmchen, das nicht einmal sein Abenteuer-Sujet wirklich konsequent ausfüllt und auf den großen Culture Clash ebenso verzichtet wie auf einiges andere, was aufregend hätte werden können. Knackpunkt war und bleibt in erster Linie die Inszenierung Lianes, auf deren (vermeintlich) exotischen Erotikfaktor selbstredend spekuliert wurde. Dass sich ein als minderjährig-unbedarft charakterisiertes Mädchen, deren Sexualität erst angesichts attraktiver weißer Europäer zu erwachen scheint, hilflos und schutzbedürftig mal mehr, mal weniger offensiv an Thoren heranschmeißt, mag indes beim einen oder anderen Zuschauer an pädophile Neigungen appellieren, doch wie bereits erwähnt belässt es der Film dabei und führt die Rolle Thorens nicht in Versuchung, die in Väterlichkeit verharrt. Dass ein 15-, 16-jähriges Mädchen sich seines Körpers und seiner Reize häufig bewusst ist, ist hingegen Normalität und daraus Pädophilen-Vorwürfe zu stricken, wäre sicherlich ebenso fragwürdig wie der gerade aus heutiger Sicht verklemmt anmutende Film, der sich damals seine Nischen suchte, um ein wenig nackte Haut auf die Leinwand bringen zu können, ohne ansonsten allzu sehr anzuecken. Unterm Strich ein in erster Linie filmhistorisch interessantes Sittendokument seiner Entstehungszeit.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)