Darsteller: Dries Van Hegen, Sam Louwyck, Norman Baert, Gunter Lamoot, François Beukelaers, Barbara Callewaert u. A.
Story:
Eines Tages stehen sie vor seiner Tür: Drei Möchtegernmusiker aus dem tiefsten Sumpf der belgischen Provinz bitten den erfolgreichen Buchautor Dries darum, den noch vakanten Posten des Schlagzeugers in ihrer geplanten Rockband zu übernehmen. Dries, fasziniert von der morbiden Aura sozialer Verelendung, willigt ein und tauft das glücklose Häufchen "The Feminists". Fortan ist er immer dabei: im Proberaum auf dem Bauernhof von Jans Eltern, wo die Mutter den kranken Vater per Zwangsjacke ans Bett fesselt, im blutigen Apartment von Koen, der nur Lust empfindet, wenn er Frauen misshandelt, und in dem verkommenen Loch, in dem Ivans Frau auf der Couch vor sich hindämmert und das schreiende Baby mit Kokain ruhigstellt.
Dries ist ein Beobachter, der neugierig die Verkommenheit der Welt in sich hineinsaugt und abends heimkehrt in sein Designerloft hoch über den Dächern von Oostende, wo ihn seine hübsche Frau und manchmal auch eine Gespielin erwarten. Wie ein Gott steigt er immer wieder hinunter in den Sündenpfuhl, kommentiert, manipuliert, intrigiert ... bis er sich schließlich selbst als mythischen Erlöser wähnt, der die Welt um ihre Übel erleichtert. Die Katastrophe ist unaufhaltsam.
Re: Ex Drummer
Verfasst: So 6. Dez 2009, 13:37
von Santini
Was für ein Bastard von Film.
Man fühlt sich unweigerlich an verstörende Meisterwerke a la Taxi Driver, Trainspotting oder meinetwegen auch Dear Wendy erinnert. Aber Ex Drummer ist auch wiederum ganz anders als die eben erwähnten Filme - absolut eigenständig.
Ob man den Film nun mag oder nicht - er geht einem über Tage einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Und ich summe die ganze Zeit "Mongoloid" von DEVO. WTF?!
Achja: Die FSK 16 ist wohl "streitbar"...
Re: Ex Drummer
Verfasst: Fr 5. Mär 2010, 14:08
von buxtebrawler
Meine Meinung:
"Ich kenne die Romanvorlage nicht, habe aber gelesen, dass sie bis zum Erscheinen dieses Films als „unverfilmbar“ gegolten haben soll. Das glaube ich gern, denn was Koen Mortier hier abgeliefert hat, ist bei weitem keine leichte Kost und setzt in filmischer Hinsicht sicherlich neue Maßstäbe: „Ex Drummer“ ist eine Komödie, ein Gewaltexzess, ein gesellschaftskritisches Drama und ein Kunstfilm zugleich. Ein Experiment sozusagen, an dem viele gescheitert wären. Nicht so Mortier und seine Crew, die es verstanden, diese abenteuerliche Mixtur ebenso unterhaltsam wie kunstvoll wie verstörend zu inszenieren. Schwarzhumorig, schräge, überzeichnete Charaktere, dargestellt von hervorragenden Schauspielern, Satire, verstörende, gewalttätige Szenen, surrealistische Momente, etwas Erotik, eine unvergleichbare Optik und ein großartiger, von zahlreichen Underground-Künstlern eingespielter Soundtrack – hier greift ein Rad in das andere und was zunächst widersprüchlich und konfus wirkt, fügt sich zu einem schwer verdaulichen Ganzen zusammen, das sich im Gedächtnis des Zuschauers festkrallt. Und mit eben jenem geht „Ex Drummer“ nicht gerade glimpflich um und bewirkt durch die kontrastreiche Erzählform, dass ihm das Lachen ein ums andere Mal im Halse stecken bleibt. So wechseln sich komödiantische Sequenzen, in denen die soziopathischen Protagonisten aus der Unterschicht wie lächerliche Schießbudenfiguren wirken, mit fiesen Magenschwingern ab, bis man fast schon erleichtert aufatmet, wenn die Kamera endlich wieder das sterile Luxusappartement der Hauptrolle in Form von Schriftsteller Dries einfängt und somit den Gegenentwurf zum permanenten Schmutz und Dreck, zu menschlichen Tragödien und Abgründen, präsentiert – allerdings ohne sich dabei auf eine Seite zu schlagen. Nach und nach lernt man die Charaktere zumindest oberflächlich kennen, während der Film auf sein vermeintliches Finale, den Auftritt der Band auf einem Festival, zusteuert. Dieses wird dann auch eines Finales würdig als chaotische, energiegeladene Gewaltexplosion gezeichnet, während der eigentliche, überraschende Showdown aber erst noch folgt. Konnte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch einige Parallelen zu Filmen wie „Trainspotting“ ziehen, fühlte ich mich nun unweigerlich an „Taxi Driver“ erinnert. Spätestens hier ist dann auch wirklich Schluss mit lustig und das vermeintlich reinigende Inferno besudelt den Richter, Rächer oder wofür auch immer er sich hält, selbst kübelweise mit Schmutz. In den finalen Einstellungen sprechen die Toten zum Zuschauer und verlassen erstmals ihre oberflächliche Darstellung, indem sie von Ihrer schwierigen Sozialisation erzählen. Mal abgesehen von ein, zwei trashigen Momenten (die überdimensionale Vagina-Kulisse, in der sich Dries und „großer Schwanz“ wiederfinden und einen Dialog führen z.B.) empfand ich „Ex Drummer“ bis zu diesem Punkt als nahezu perfekt. Das Ende hingegen erscheint mir wie eine aufgesetzte Moralkeule (oder die Parodie einer solchen?) und die Aussage des Films gibt mir Rätsel auf. Vielleicht gibt es aber auch gar keine, außer der vielleicht, dass die ganze Gesellschaft einfach total und hoffnungslos verkommen ist, haha.
„Ex Drummer“ ist ein hochgradig faszinierendes, polarisierendes, in seiner Inszenierung einzigartiges Filmerlebnis."
Re: Ex Drummer
Verfasst: Fr 5. Mär 2010, 17:31
von jogiwan
buxtebrawler hat geschrieben:die Aussage des Films ...
dass die ganze Gesellschaft einfach total und hoffnungslos verkommen ist...
Ich glaub, damit triffst du es eigentlich ganz gut!!!
Re: Ex Drummer
Verfasst: Mo 27. Sep 2010, 00:37
von untot
Jepp, harte Filmkost.
Man ist angeekelt, faszinert und abgestoßen gleichermaßen, ein Film den man erst mal sacken lassen muß.
Trotzdem sehenswert finde ich.
7/10
Re: Ex Drummer
Verfasst: Mo 27. Sep 2010, 09:56
von Santini
untot hat geschrieben:Man ist angeekelt, faszinert und abgestoßen gleichermaßen, ein Film den man erst mal sacken lassen muß.
Trotzdem sehenswert finde ich.
Trotzdem oder gerad deswegen...
Re: Ex Drummer
Verfasst: Mo 27. Sep 2010, 14:28
von untot
Santini hat geschrieben:
untot hat geschrieben:Man ist angeekelt, faszinert und abgestoßen gleichermaßen, ein Film den man erst mal sacken lassen muß.
Trotzdem sehenswert finde ich.
Trotzdem oder gerad deswegen...
Na gerade deswegen!
Re: Ex Drummer
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 13:44
von buxtebrawler
"Ex Drummer" hatten wir uns mal in der Uni angesehen und gemeinsam zu reflektieren versucht. Eine Erkenntnis dabei war, dass der Literat Dries im Prinzip die "Asis" für seine eigenen Zwecke instrumentalisiert und ausnutzt. Dabei stellte sich mir die Frage, ob Dries im Roman ebenfalls ein Schriftsteller ist oder ob diese Komponente erst in der Verfilmung hinzukam, um dadurch den Autor des Romans für seine Instrumentalisierung zu kritiseren. Kennt jemand den Roman und könnte dazu etwas sagen?
Re: Ex Drummer - Koen Mortier (2007)
Verfasst: Fr 19. Feb 2021, 15:07
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich heute bei Camera Obscura auf Blu-ray im Mediabook:
Extras:
- Booklet mit Text von Prof. Dr. Marcus Stiglegger
- Ex Director: The Making of Ex Drummer / Statement von Regisseur Koen Mortier
- Zwei Kurzfilme von Koen / Zwei Musikvideos / Deutscher und belgischer Trailer
- Auftritt der Overdo Hykers, die Band, die es nicht in den Film schaffte
Bonusmaterial mit optionalen deutschen und englischen Untertiteln
OmU im Kino
Ein erfolgreicher Schriftsteller wird von drei gesellschaftlich am Rande stehenden als Drummer engagiert. Der Plan ist, ein Roch -Wettbewerb zu gewinnen. Er findet das irgendwie spannend und braucht neue Geschichten.
Ein unangenehmer Film voller Gewalt und Sex, oft auch in Verbindung. Runter gemischt ab und an ein schräger Humor.
Wir sehen den Film aus der Sicht des Schriftstellers, einen äußerst unangenehmen Zeitgenossen. Überheblich, arrogant, narzistisch, sehr manipulativ.
Das führt zu einem dauerhaften unangenehmen Gefühl: da wir ins Prekariat voller Gewalt, unangenehmen Sex, fehlender Empathie geführt werden, haben wir keine Sicherheit, da unserer Führer noch ekliger als das alles ist, dazu noch ohne Ausrede der Umstände.
Auch gibt es ein paar eingestreute surreale Szenen, der Sänger zum Beispiel läuft zu Hause an der Decke, oder der Schriftsteller taucht wie ein Geist mit seiner Gefährtin bei vielen Figuren auf.
Das deutet eine andere Deutung an: wir befinden uns zumeist in der Geschichte, die seit dem Treffen der Musiker mit dem Autor von diesem geschrieben wird. Macht die ganze Schlusszene zwar nicht einfacher, aber eine Spur erträglicher.
Wirklich interessante Filmerfahrung, auch nach 16 Jahren nicht gealtert.
Belgische Filme, ich bleib dran.