Einem Strafgefangenen namens Graham (Gary Raymond) gelingt die Flucht aus dem Zuchthaus Dartmoor, doch es handelt sich um keinen zufälligen Ausbruch. Alles wurde bis ins Detail organisiert und zwar von dem erfolgreichen Geschäftsmann Trayne (Albert Lieven), der sich einen absolut raffinierten Plan ausgedacht hat, für den er Graham unbedingt braucht. Er will die Kronjuwelen aus dem Tower stehlen. Da Graham dem Tower-Wärter Carnaby verblüffend ähnlich sieht, und Traynes Sekretärin Hope (Catherine von Schell) seine Verlobte ist, sind alle Voraussetzungen für den Coup gegeben. Der Drahtzieher hat allerdings die Interessen seiner eigenen Komplizin Dinah Pawling (Margot Trooger) unterschätzt, die sich ab einem gewissen Zeitpunkt selbstständig zu machen versucht. Es scheint alles glatt zu laufen, doch plötzlich stört eine kleine Komplikation die gesamte Operation, und zwar Mord...
Bei
"Das Verrätertor" handelt es sich nach Ákos von Ráthonyis
"Das Geheimnis der gelben Narzissen" aus dem Jahr 1961 erst um die zweite deutsch-britische Co-Produktion der Rialto Film, obwohl es sich doch hierbei doch um eine überaus logische Länder-Allianz handelt, die naturgemäß noch mehr klassische Elemente mit sich bringt. In der persönlichen Rangliste ist dieser Beitrag von 1964 bei den Wallace-Filmen anzusiedeln, die zunächst geringere Beachtung fanden, und am wenigsten geschaut wurden, was sicherlich an dem nicht vorhandenen Whodunit liegen mag, aber eben auch an der überaus
klassischen, hier beinahe kühl wirkenden Inszenierung.
"Das Verrätertor" gehört letztlich zu den Produktionen der Reihe, die eine neue Marschrichtung vorgeben, sich von gewohnten Schablonen abheben können und einen grundverschiedenen Tenor vorgeben. Auch der unwirsche Umbau der Besetzungsliste ist sicherlich mit verantwortlich dafür, dass Francis' Beitrag damals an der Kinokasse nicht die üblichen Besucherzahlen einfahren konnte. Dass ein Wallace eigentlich kaum typischer inszeniert sein kann, bleibt gleichzeitig eine Art Hemmschuh, und auch bei mir hat es lange gedauert,
"Das Verrätertor" schätzen zu lernen. Positive Eindrücke überlagern die negativen ja oftmals merklich, und genau so ist es auch hier gewesen. Lässt man sich nämlich auf den Film ein, so bekommt man ein sehr ansprechend, und atmosphärisch dicht inszeniertes Stück Wallace zu sehen, so dass die sich langsam entfaltende Überzeugungskraft gleichzusetzen ist mit vorhandenem Potential und einem nachhaltigen Unterhaltungswert.
Die Liste der Darsteller muss hier beinahe ohne die üblichen Zugpferde und Steigbügelhalter auskommen, was auf den ersten Blick irritierend wirkt, sich beim anschauen des Films aber komplett legt, da man es mit einem sehr überzeugenden Ensemble zu tun bekommt. Albert Lieven, hier ungewöhnlicherweise in der Hauptrolle zu sehen, konnte bereits auf Wallace-Erfahrung zurückblicken, und er stellt sich im Handumdrehen als der richtige Mann für die Verkörperung des Geschäftsmannes Trayne heraus, der einen der größten Coups der englischen Kriminalgeschichte geplant hat. Das gefährliche an ihm ist unbestreitbar seine Intelligenz, die in Verbindung mit seinem kriminellen Potential nicht zu unterschätzen ist. Mit seiner weltmännischen, charmanten und sachlichen Art ist er geradezu prädestiniert dafür, leicht unterschätzt zu werden. Sein Kopf allerdings befiehlt über fremde Hände, die er sich im buchstäblichen Sinne selbst nicht aktiv schmutzig machen möchte. Daher scheint sein Plan lückenlos zu sein, genau wie die Auswahl seiner Komplizen. Albert Lieven überzeugt mit einem Präzisionsauftritt in einer Paraderolle. In diesem Bereich steht ihm Margot Trooger in nichts nach, die zu dieser Zeit gerade durch Alfred Vohrers Großerfolg
"Der Hexer" in lebhafter Erinnerung war. Dinah Pawling strahlt förmlich vor Eleganz und Selbstsicherheit, wer konnte Damen mit dem Hang zum Kriminellen, mit Vergangenheit, mit nur angedeuteten inneren Abgründen bemerkenswerter interpretieren als Margot Trooger? Sie beweist hier, wie es möglich sein kann, beinahe ausschließlich über die Körpersprache große Momente entstehen zu lassen.
Die neuen Gesichter liefern die attraktive Ungarin Catherine von Schell und der Brite Gary Raymond. Hope Taylor ist eine bildschöne, und als Sekretärin des Geschäftsmannes Trayne zwar sehr bodenständige junge Frau, doch im Sinne des unschuldigen-Opfer-Prinzips kann sich Catherine von Schell nicht merklich hervortun. So bliebt eine recht angenehme, aber auch ziemlich willkürliche Besetzung und dieser Eindruck hat sich in all den Jahren kaum verändern können. Auch der Vergleich mit Margot Trooger festigt natürlich dieses Empfinden, denn sie spielt die aparte Neubesetzung klassisch aus. Gary Raymond verkörpert in
"Das Verrätertor" sozusagen einen bemerkenswerten, darstellerischen Geheimtipp. Es wird glaubhaft geschildert,, wie er sich im Verlauf selbstständig macht, und er entpuppt sich als ein ebenbürtiger Partner für beide Hauptdarstellerinnen. Klaus Kinski schlägt einmal mehr das Optimum aus dieser obligatorischen Rolle heraus, den geringen Umfang seiner zu interpretierenden Szenen füllt er sehr überzeugend aus. Eddi Arent, wohl in einer Rolle, die für ihn genau so üblich war, offeriert eigentlich wie immer Licht- und Schattenseiten, wobei zu betonen bleibt, dass er hier eine sehr wohldosierte Leistung zum Besten gibt. Mal sitzt der Gag, mal schießt er über das Ziel hinaus. Die Idee, dass er die Polizei als Tourist auf die heiße Spur bringen wird, erscheint dabei alles andere als uninteressant. Die restlichen, überwiegend englischen Schauspieler runden das Gesamtgeschehen sehr gut ab, und Freddie Francis hatte letztlich eine hervorragende Alternativ-Entourage zur Verfügung, die den Film sehr positiv prägt.
Die Handlung des Films wird ebenso ruhig, als auch geradlinig und logisch erzählt, die besondere Atmosphäre steuern vor allem die vielen Originalschauplätze bei. Absolut beeindruckend sind die Szenen mit dem Helikopter und die damit verbundenen Luftaufnahmen wirken spektakulär. Auch der Ausbruch aus dem Zuchthaus Dartmoor gehört zu den atmosphärischsten Veranschaulichungen innerhalb der gesamten Reihe. Die Musik von Peter Thomas ist zwar recht eingängig, unterstreicht stellenweise aber ein viel zu behäbiges Tempo. Mir persönlich sind seine flotten Musikstücke wesentlich lieber, die bei
"Das Verrätertor" allerdings unpassend gewirkt hätten. Die Integration der verschiedenen Charaktere geschieht schlüssig und deren Durchleuchten ist aussagekräftig, wenngleich die Rolle der Polizei doch ein wenig zu kurz kommt. Der Coup, beziehungsweise dessen Planung, wurde hervorragend umgesetzt, wesentlich eingängiger als zum Beispiel in
"Zimmer 13", wo der zu lange vor sich hinplätschernde Verlauf in Langeweile umschlägt. Auch hier tauchen phasenweise hartnäckige Anflüge von empfundenem Leerlauf aus dem Londoner Nebel auf, was die sichere Handhabe der Regie aber gut wegzuretuschieren weiß. Mit
"Das Verrätertor" ist innerhalb der langjährigen Wallace-Reihe bei Weitem kein Klassiker entstanden, allerdings hat man es mit einem mutigen Ausreißer zu tun, was hoch genug anzurechnen ist. Wo sich Spektakel und Grundgehalt in anderen Filmen schon längst wiederholt und überholt hatten, war es an der Zeit, ein paar neue Impulse in die Serie einzuspeisen. Das Ergebnis hinterlässt zwar recht zwiespältig gestimmte Zuschauer, aber letztlich überwiegen die Vorzüge von Freddie Francis' Beitrag. Seine klassischen Elemente machen ihn als Film der Reihe sehr glaubwürdig, seine Schauspieler helfen ihm, dass auftauchende Längen gar nicht so offensichtlich erscheinen, außerdem ist der Verlauf hervorragend fotografiert worden. Edel-Mittelmaß.