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Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn - Claude Zidi (1975)
Verfasst: Mi 13. Feb 2013, 17:33
von buxtebrawler
Originaltitel: La course à l'échalote
Herstellungsland: Frankreich / Deutschland (1975)
Regie: Claude Zidi
Darsteller: Pierre Richard, Jane Birkin, Michel Aumont, Marc Doelnitz, Amadeus August, Henri Déus, Luis Rego, Catherine Allégret, André Bézu, Jean Martin, Claude Dauphin, Paul Cambo u. A.
Der brave Bankangestellte Pierre Vidal (Pierre Richard) hat arge Probleme mit seiner Freundin Janet (Jane Birkin), die sich von ihm vernachlässigt fühlt und über eine Trennung nachdenkt. Pierre will die Beziehung retten und plant einen Wochenendurlaub mit ihr, soll aber kurzfristig seinen Chef vertreten und muss seine Führungsqualitäten unter Beweis stellen. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt stehlen drei Transvestiten wertvolle Papiere aus dem Banktresor, die man nur zu unterschreiben braucht und praktisch der neue Besitzer des erfolgreichen Pariser Variétés Alcazar ist. Auf eigene Faust verfolgt Pierre die Diebe per Zug in Richtung England. Der misstrauische Kommissar Brunet (Michel Aumont) und die eifersüchtige Janet sind ihm dabei dicht auf den Fersen…
Quelle:
www.ofdb.de
Re: Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn - Claude Zidi (1975)
Verfasst: Mi 13. Feb 2013, 17:33
von buxtebrawler
„Welcher ist es?“ – „Der mit der Blümchenunterhose!“
Nach „Der lange Blonde mit den roten Haaren“ ist die französisch-deutsche Koproduktion „Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn“ aus dem Jahre 1975 die zweite Zusammenarbeit des französischen Komödiendarstellers Pierre Richard mit Jane Birkin („7 Tote in den Augen der Katze“) in der weiblichen Hauptrolle sowie Claude Zidi auf dem Regiestuhl. Wie gewohnt handelt es sich um eine chaotische Komödie im typischen Pierre-Richard-Stil, diesmal mit starken Kriminalfilm-Anleihen.
Pierre Vidal ist ein biederer Bankangestellter, der mit Freude seinem Beruf nachgeht und bei seinem Chef ein hohes Ansehen genießt. Leider findet ihn seine Freundin Jane stinklangweilig und pfeift auf Sicherheit und einen geregelten Alltag. Heimlich denkt sie schon darüber nach, Pierre in den Wind zu schießen. Dieser plant stattdessen einen Wochenendurlaub mit ihr, als ihm just sein Chef eröffnet, ihn für ein paar Tage vertreten zu sollen. Doch kaum ist der Chef weg, stiehlt ein Bankräuber Blankoüberschreibungen des erfolgreichen Pariser Varietés Alcazar aus einem Banktresor. Pierre nimmt die Verfolgung auf, die in Travestiekünstler-Szene führt, dicht gefolgt von Kommissar Brunet (Michel Aumont , „Nada“) und seiner plötzlich Eifersucht verspürenden Freundin…
Wie häufiger in Pierre Richards Filmen bezieht auch „Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn“ seinen Reiz zu einem großen Teil aus der Konfrontation zwei gegensätzlicher Charaktere miteinander, in diesem Falle der spießige, langweilige oder zumindest so erscheinende Banker Vidal und dessen lebenslustige, Spontanität, Abenteuer und Aufregung suchende Freundin und Frisörin Janet. Doch während die Woche als Vertretung des Bankdirektors eine einzige Katastrophe wird und er in eine haarsträubende Angelegenheit nach der anderen verwickelt und bald täglich bei der Polizei vorstellig wird, bekommt sie von all dem Trubel zunächst gar nichts mit. Anschließend geht es auf eine rasante Hatz, hinein in einen Zug mit der gesamten Travestie-Truppe bis in ein Hotel in Brighton. Neben Situationskomik und Slapstick setzt man hier auf Schwulenkomik, indem man das bunte Künstlervolk so klischeehaft wie nur möglich darstellt. In Zusammenhang mit ihren abgedrehten Kostümen ist das zwar stark übertrieben, aber nie diskriminierend oder bösartig. Höhepunkt ist schließlich der Liveauftritt des Varietés im Theater, den Vidal auf der Suche nach den gestohlenen Unterlagen empfindlich und brutal stört, was die Performance jedoch weitaus interessanter und unterhaltsamer als zuvor macht, die nun hervorragend vom Publikum aufgenommen wird – welches natürlich nicht ahnt, dass all das niemals einstudiert wurde.
„Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn“ ist hochgradig und entfesselt albern, wird dabei jedoch nie zu beliebig, gibt nie den roten Handlungsfaden und Spannungsbogen in vollem Maße für den nächsten Gag auf. Außer zeitweise während der grassierenden Hektik im vollgestopften Zug und der Vielzahl unterschiedlicher Charaktere in jener Sequenz, in der sich durch das Zusammenspiel mit der Polizei nicht immer ganz leicht der Überblick bewahren lässt, lässt sich der Handlung stets gut folgen, wenngleich man von einer Pointe zur nächsten gehetzt wird. Manch lebensbedrohliche Situation lässt durchaus auch mal den Atem stocken; generell ist der Film gespickt mit einigen unglaublichen Szenen, die mal intelligent, mal auf Teufel komm raus, aber häufig unvorhersehbar konstruiert wurden. Damit und mit gleich mehreren Anspielungen auf Vidals Schuhe, die auf „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ und dessen Fortsetzung verweisen, macht „Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn“ viel Spaß, wenngleich andere Richard-Komödien stärker über den reinen Humor hinaus emotional berühren. Bemitleidenswert ist der arme Kerl aber erneut allemal, dem auch ohne schwule Tresorräuber und zweifelnde Freundin der Alltag genug Tücken bereithält. Seine Position als erfolgreicher Bankangestellter jedoch verhindert übermäßige Empathie seitens des Zuschauers, der ihn mit einer Axt wütend zielstrebig wie selten zuvor kennenlernt. Jane Birkin wurde eine weitaus größere Rolle als zuvor in „Der lange Blonde mit den roten Haaren“ zuteil, die sie nicht nur mit ihrer körperlichen Attraktivität, sondern mit ihrer gesamten extrem weiblichen, leicht ungerechten und zickigen, jedoch sympathisch unbekümmerten und jugendlichen Ausstrahlung hervorragend ausfüllt. Sogar eine kleine erotische Szene mit Jane in der Badewanne fand in den Film.
Fazit: Ein weiteres Pflichtprogramm für Pierre-Richard-Fans, in etwa auf Augenhöhe mit Zidis Vorgänger.