Taste of Excitement / Die Zielscheibe - Don Sharp (1969)
Verfasst: Fr 15. Feb 2013, 23:33
Taste of Excitement (Großbritannien 1969, Originaltitel: Taste of Excitement)
Druck, der zur Metamorphose führt
Jane Kerrell (Eva Renzi) möchte ihren Urlaub in Frankreich verleben, seltsame Ereignisse bringen die junge Frau in Bedrängnis. Im malerischen Südfrankreich ist Jane mit ihrem Mini Cooper unterwegs, plötzlich wird sie von einem weißen Mercedes bedrängt und in Lebensgefahr gebracht. Auf der zuständigen Polizeiwache hält man die Touristin für überspannt. Im Hotel spricht ein Herr namens Dr. Forla (George Pravda) die angeschlagene Jane an, stellt sich als hilfsbereiter Psychiater vor. Weitere rätselhafte Anrufe und Vorfälle prasseln auf die Engländerin ein, im Zoo trifft sie erneut auf Dr. Forla und ergreift die Flucht. Jane rennt ihrem Landsmann Paul Hedley (David Buck) vors Auto, glücklicherweise kommt es nicht zu einem Unfall. Obschon Paul sich zunächst über die wirren Ausführungen seiner neuen Bekanntschaft amüsiert, fasst der Maler einen folgenschweren Entschluss, lädt Jane in seine Hotelunterkunft ein. Erneut taucht der weiße Daimler auf, wenig zweifelt der Künstler nicht mehr am Verstand seiner Begleitung. Tatsächlich kochte der Terror bisher lediglich auf Sparflamme, noch ahnen Jane und Paul nichts von den bevorstehenden Geschehnissen ...
Wir genießen Ausblicke auf eine wundervolle Landschaft, sehen eine attraktive Frau in ihrem Auto durch dieses malerische Umfeld reisen. Wenige Sekunden später wird die Marschrichtung klar, Regisseur Don Sharp tischt uns einen äußerst unterhaltsamen Thriller auf. Ich möchte nicht im Detail auf die Handlung eingehen, verrate aber sicher nicht zu viel, wenn ich den angenehmen Erzählfluß, die schöne Liebesgeschichte und den feinen englischen Humor lobe. Wir bekommen es also nicht mit einem auf Thriller/Thrillerelemente reduzierten Werk zu tun. Immer wieder schmeichelt die herrliche Umgebung dem Auge, Innenaufnahmen glänzen ebenso mit stilsicher gewählten Sets. Lobenswert die schöne Kameraarbeit von Paul Beeson, perfekte Balance zwischen Darstellern und Umfeld, jede Einstellung ein kleines Freudenfest. Don Sharp ist Freunden des britischen Kinos nicht unbekannt, er inszenierte u. a. für Hammer und Harry Alan Towers. So kann man Sharp guten Gewissens als Spezialist für prächtige Genrefilme bezeichnen, als Beispiele möchte ich ins Feld führen: "The Kiss of the Vampire" (Der Kuss des Vampirs, 1963), "The Face of Fu Manchu" (Ich, Dr. Fu Man Chu, 1965) und "Rasputin: The Mad Monk" (Rasputin - Der wahnsinnige Mönch, 1966). Leider fand "Taste of Excitement" in Deutschland kaum Beachtung, unter dem Titel "Die Zielscheibe" soll der Film im Fernsehen gezeigt worden sein, ich habe diese Auswertung bisher nicht gesehen.
Eva Renzi schaffte nie den ganz grossen Durchbruch. Jedoch finden sich in der Filmographie der -2005 verstorbenen- Schauspielerin sehr verehrungswürdige Einträge, vor allem Dario Argentos "L'uccello dalle piume di cristallo" (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, 1969), unbestritten einer der Klassiker des Giallo! Im hier kurz vorgestellten Streifen spielt Renzi großartig, durchlebt eine prickelnde Wandlung. Heftig nagt der Druck am Nervenkostüm der Touristin, ihre Antwort ist die Verwandlung in einen koketten Schmetterling, noch immer angreifbar, verwundbar und zart, aber die eigenen Reize entdeckend und auslebend. Mir gefallen Eva Renzi und David Buck zusammen sehr gut, die Chemie stimmt, für meinen Geschmack ist die aufblühende Liebesgeschichte perfekt integriert, stürzt nie in plumpen Kitsch ab. Peter Vaughan, Alan Rowe und Francis Matthews hüten das Gesetz, zumindest mühen sich die Herren redlich, Francis Matthews lässt sehr überzeugend den herablassenden Profi raushängen. Eva Renzi war damals mit Paul Hubschmid verheiratet, Hubschmid sehen wir in einer zunächst undurchsichtigen Rolle. Kay Walsh agiert als enge Mitarbeiterin Hubschmids, für Sophie Hardy bleibt wenig Raum. Keinesfalls darf Peter Bowles unterschlagen werden, der mit fortschreitender Handlung eine mehr und mehr eiskalte Fratze offenbart. Starkes Ensemble, im Zentrum die reizende Eva Renzi, sicher in einer ihrer eindrucksvollsten Rollen.
Freunde des britischen Kinos müssen zugreifen, alle anderen sollten dem Streifen eine Chance gewähren, es lohnt sich! "Taste of Excitement" bietet Spannung, Wendungen, Humor und eine kleine Prise Action. Das reicht noch nicht? Tolle Schauspieler, bildschöne Kulissen und formvollendetes "Spät-Sechziger-Früh-Siebziger-Feeling". Ich bin begeistert, mein Herz hat das Werk sofort erobert. Sollte die (vermutete) deutsche Synchronisation noch verfügbar sein, würde ich mich sehr über eine entsprechende Auswertung freuen. Allzu gross ist der Leidensdruck freilich nicht, die britische DVD bietet den Film in schöner Qualität an. Boni beschränken sich auf eine Bildergalerie und Trailer aus dem Labelprogramm, ferner liegt angenehmerweise ein kleines Booklet bei.
Genau meine Tasse Tee, ich liebe Stoff dieser Art! Sofort möchte ich den Mini Cooper des Nachbarn ausleihen, mit meiner Dame nach Südfrankreich pöttern. Aber verdammt, der Nachbar fährt irgendeine langweilige Karre, schon ist die Traumblase zerplatzt. Macht nichts, die Scheibe wird bald erneut zum Einsatz kommen, allzu gern werde ich Eva Renzi aufs Neue durch ihr Abenteuer begleiten ...
Sehr gut = Dicke 8/10
Lieblingszitat:
"So you do have a sex life?"
"I have my moments."