Wir sind deine Community rund ums Thema Film mit Schwerpunkt auf italienischem bzw. europäischem Genre-Kino. Vom Giallo über den Poliziesco/die Poliziotteschi, den Italo-Western, den Horror und der Science-Fiction bis hin zum Eurospy, zur Commedia sexy all'italiana, zu Barbaren und Endzeit, Sex- und Nunploitation, Sleaze und Trash – tausch dich bei uns gratis mit Gleichgesinnten aus, werbefrei und unkommerziell.
Herstellungsland: Spanien / Großbritannien / Frankreich (2008)
Regie: Álex de la Iglesia
Darsteller: John Hurt, Elijah Wood, Leonor Watling, Julie Cox, Burn Gorman, Anna Massey, Jim Carter, Alan David, Dominique Pinon, Tim Wallers, James Weber-Brown, Ian East u. A.
Der amerikanische Student Martin (Elijah Wood) reist nach Oxford, weil er hofft, daß das exzentrische Mathematikgenie Arthur Seldon (John Hurt) sein Doktorvater wird, doch der entpuppt sich als desillusionierter Zyniker, der die Suche nach absoluten, nachweisbaren Wahrheiten aufgegeben hat. Kurz nachdem sie in einer Vorlesung diskutiert haben, stehen sie gemeinsam vor einer Leiche: eine alte Freundin von Seldon und gleichzeitig Martins Zimmerwirtin ist erstickt worden. Bei der Leiche findet sich ein Zettel mit einem Zeichen, das eine mathematische Formel oder Reihe startet und baldigst stellen die beiden die Theorie auf, daß der Mörder etwas beweisen will - und zwar hauptsächlich Seldon. Das bedeutet natürlich, daß noch weitere Morde folgen und während die beiden an verschiedensten Theorien herumdoktern, gerät der Fall auch zu einer Logiklektion zwischen Lehrer und Schüler. Wer wird den Fall zuerst lösen und wird am Ende jemand mit der Lösung wirklich glücklich sein?
Mich konnte der Film nicht so richtig überzeugen, er beinhaltet zwar einige nette Ansätze, aber im Endeffekt hatte ich mir doch weit mehr versprochen. Wie Arkschi schon richtig feststellte, siedelt sich leider nur im Mittelmaß an.
„Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen!“ ((k)ein Freund offener Worte: Arthur Seldom)
Das spanische Regie-Enfant-terrible Álex de la Iglesia ist immer für eine Überraschung gut: So drehte er nach seinem verdammt gruseligen Beitrag zur spanischen TV-Horror-Anthologie, „The Baby’s Room“, nicht etwa einen noch größeren Schocker, aber auch keinen offensiven Tabubruch à la „Perdita Durango“ und schon gar keine grimmige Anarcho-Phantastik-Komödie der Marke „Aktion Mutante“ oder „El dia de la bestia“, und, nein, auch keine turbulente schwarze, die spanische Gesellschaft aufs Korn nehmende, urbane Großstadtkomödie. Viel eher wird man bei seinem Italo-Western-Tribut „800 Bullets“ fündig, obwohl es doch etwas ganz anderes wurde – „Oxford Murders“ ist so etwas wie de la Iglesias‘ Hommage an den klassischen, einer strengen Logik unterworfenen britischen „Whodunit“-Tüftel-Kriminalfilm, und das mit Starbesetzung in Form von John Hurt („Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“, „Der verbotene Schlüssel“) und Elijah Wood („Hooligans“, „Herr der Ringe“-Trilogie). Der Film basiert auf Guillermo Martinez‘ mir unbekanntem Roman "Die Pythagoras-Morde“.
Martin (Elijah Wood) ist ein US-amerikanischer Student, der die Nähe des genialen Mathematikprofessors Arthur Seldom (John Hurt) sucht und deshalb ins britische Oxford zieht, um an der örtlichen Elite-Universität zu studieren. Eigentlich sollte Seldom Martins Doktorvater werden, doch dazu kommt es nicht, zudem entpuppt sich Seldom als zynischer, knurriger alter Mann, der über die Abwesenheit absoluter Wahrheiten philosophiert. Nachdem Martin durch das provokante Einnehmen einer konträren Position dennoch Seldoms Interesse während einer Vorlesung auf sich gezogen hatte, kreuzen sich ihre Wege wieder, als sie feststellen müssen, dass Martins Zimmerwirtin erstickt wurde. Seldom behauptet gegenüber der Polizei, zuvor einen Zettel zugesteckt bekommen zu haben, der auf den Mord hinwies und ein Zeichen enthielt, das den Start einer mathematischen Reihe darstellen könnte – und tatsächlich taucht ein weiteres Zeichen auf und geschieht ein weiterer Mord. Wer ist der Mörder, was ist sein Motiv und auf welches Opfer wird das dritte Zeichen verweisen? Seldom und Martin versuchen, der überforderten Polizei zu helfen, gleichzeitig den Verdacht von ihren eigenen Personen zu lenken und bewegen sich in ihren Diskussionen stets zwischen den Polen Philosophie und Mathematik bzw. vermischen diese miteinander…
Mit seinem gänzlich unanarchischen Film wird de la Iglesia mit so mancher Erwartungshaltung gebrochen haben, was auch der Grund für manch durchwachsene oder enttäuschte Kritik gewesen sein dürfte. Denn „Oxford Murders“ ist ein intelligenter Krimi der alten Schule mit gleichzeitigen Thriller-Anleihen, die ihn recht modern erscheinen lassen. Vor allem aber ist er eines: unheimlich nerdig. Mit wissenschaftlichen Fachtermini wird ebenso um sich geworfen wie mit philosophischen Ansätzen und Theorien sowie mathematischen Formeln, so dass manch einfacher gestricktem Zuschauer schon mal der Kopf rauchen könnte. Die nicht unkomplexe Handlung, die Gott sei Dank bei einer recht übersichtlichen Anzahl an Nebencharakteren – und Verdächtigen – bleibt, läuft auf eine Art Gegenüberstellung von Philosophie und Naturwissenschaft, Chaos-Theorie und Logik hinaus, die zumeist, aber nicht nur, in äußerst scharfzüngigen Dialogen zwischen Seldom und Martin stattfindet.
„Oxford Murders“ ist ergo nicht nur intellektuell beanspruchendes und (mitunter etwas schaumschlagendes) Rätselraten, sondern stellt die Logik des Krimi-Genres auf die Probe und in Frage, persifliert demnach hintergründig das Genre, das er gleichzeitig hofiert. Ferner stellt der Film gänzlich unaugenzwinkernde, beißend realistische Fragen nach der perfiden Logik eines Lebens, das gezeichnet ist von Krankheit, Elend und Not. Dies sind die Momente, in denen de la Iglesias' Wut erneut durchschimmert und die mit einer ganz selbstverständlichen visuellen Härte einhergehen – der unvermittelte Anblick eines amputierten Knochenkrebspatienten kann wesentlich härter treffen und nachhaltiger verstören als ein stilisierter Mord, auf den der Genrefreund in der Regel vorbereitet ist, den er hier so aber nicht bekommt. Ebenso wohltuend wie interessant für das Publikum, das soeben noch durch eine ungelöste „Idiotenreihe“ beleidigt und vorgeführt wurde, dürfte indes die Relativierung hoher Intelligenz sein, die in Relation gesetzt wird zu möglichen geistigen Leistung mental Behinderter und Derangierter.
An Originalschauplätzen in gerne schwelgerischen Bildern gedreht, vermittelt „Oxford Murders“ zudem anhand Martins die positive Aufbruchsstimmung, die mit seinem Wechsel des Lebensmittelpunks und dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts einhergeht: Eine neue Stadt, eine neue Liebe, und gleich mittendrin im Geschehen. Allen Widrigkeiten und entsetzlichen Ereignissen zum Trotz entfaltet de la Iglesia diese besondere Art der Wohlfühlatmosphäre, die bei aller Redseligkeit und bei allem Dialogreichtum den Film durchzieht und zu der auch die äußerst stimmige musikalische Untermalung Roque Baños' wunderbar passt. Sämtliche Charaktere sind mehrschichtig und überschreiten dabei das Standard-Repertoire eines „Whodunit?“-Krimis. John Hurt als Arthur Seldom versieht seine Rolle des abgeklärten, alternden Intellektuellen mit Witz und Esprit, bleibt dabei kauzig, schroff und auf gewisse Weise unnahbar, über den Dingen stehend. Neben Seldom geht insbesondere von den starken weiblichen Rollen eine gewisse Faszination aus. Julie Cox und Leonor Watling besitzen Ausstrahlung und während die eine geheimnisvoll und unberechenbar wirkt, avanciert die andere zur Sympathieträgerin mit erotischer Note (und macht Appetit auf Spaghetti). Für Elijah Wood bot sich eine weitere Möglichkeit, gegen sein „Hobbit“-Abo anzuspielen, was er mit Bravour meistert, indem er den auf der Sonnenseite des und in der Blüte seines Lebens stehenden, intelligenten, ambitionierten jungen Mann, der sich mit negativen Dingen der Existenz konfrontiert sieht und dadurch einen Reifeprozess durchläuft, glaubwürdig genug spielt, um unaufdringlich sympathisch und charmant durch die Handlung zu führen.
Mit „Oxford Murders“ ist de la Iglesia ein für ihn bzw. angesichts seiner sonstigen Arbeiten ungewöhnlicher, intellektuell fordernder Mix aus Krimi und Thriller gelungen, der die Konzentration des Zuschauers einfordert und mit einer spannenden, nicht unnötig verkomplizierten/-klausulierten Erzählweise belohnt, die mit einem kongenialen finalen Plottwist aufwartet, der dem Vorausgegangenen eine in diesem Ausmaß nicht unbedingt erahnbare Schwere verleiht, die dem Film ausgezeichnet zu Gesicht steht. Die Mühe des aufmerksam miträtselnden Zuschauers wird dabei nicht ad absurdum geführt, der entsprechende Spagat ist geglückt. Ein anspruchsvoller Film, der jedoch nie seine Unterhaltungsabsichten verleugnet oder aus den Augen verliert und in starken Bildern sowie bis zum Finale in regelrechter Leichtigkeit die mathematische Unberechenbarkeit des Lebens belegt. Die damit einhergehende Desillusion wird gut kaschiert in einem sehr erwachsen wirkenden Endergebnis – um mit einem auch mathematisch verwendbaren Begriff zu schließen.
Prädikat: Unterbewertet. Q.e.d…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Ich denke mal, gerade bei de la Iglesia spielt natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung mit.
Kann daher sein, dass "Oxford Murders" einem beim zweiten Mal - oder wenn man vorher z.B. Buxs Review gelesen hat und weiß, was einen erwartet - besser gefällt.
Früher war mehr Lametta
*************************************************************************************** Filmforum Bremen Weird Xperience
Sehr vertrackter Thriller, der sich irgendwo zwischen klassischen Krimi und nerdigen Verschwörungsthriller mit philosophischer Komponente positioniert und so viele Fährten legt, dass man schon genau aufpassen muss, um im Verlauf des Filmes nicht den Faden zu verlieren. Die Geschichte von "Oxford Murders" mit Zahlen-Mysterien ist ja schon etwas arg abstrakt und kontstruiert gestaltet, aber ich mag die Idee, dass der Zuschauer gleich zu Beginn des Filmes einer Idee aufsitzt, die sich am Ende dann nicht so bewahrheitet, wie man sich das eigentlich gedacht hat. Ein weiterer Punkt, der es dem Zuschauer auch nicht so leicht macht den Film zu mögen, sind wohl seine abgeklärten Figuren, bei denen der richtige Sympathieträger irgendwie fehlt. Trotzdem ist es gerade die Mischung aus den vorangegagenen Punkten, die mich sehr angesprochen hat und auch optisch gibt es in dem Film wie erwartet ohnehin nix zu bemängeln. Ein gelungener Film, den ich mir jetzt zwar nicht unbedingt von Alex de la Iglesia erwartet hätte, obwohl der - wie der Bux schon anmerkte - doch etwas unterbewertet scheint. Danke auch an meinen Arkschi für den virtuellen A.Tritt...