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Der Mörder des Klans - Giuseppe Vari (1971)

Verfasst: Sa 16. Mär 2013, 12:58
von Arkadin
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OT: Prega il morto e ammazza il vivo

Regie: Giuseppe Vari

Nach einem Bankraub verschanzt sich die Bande von Dan Hogan (Klaus Kinski) in einem abgelegenen Gasthaus. Ebenfalls dort zu Gast ist ein Fremder namens John Webb (Paolo Casella), der der Bande anbietet, sie für die Hälfte des Goldes durch die Wüste zur mexikanischen Grenze zu führen. Widerwillig lässt sich der psychopathische Hogan darauf ein, obwohl er ahnt, dass der Fremde noch etwas anderes im Schilde führt…

„Der Mörder des Klans“ macht als deutscher Titel auf den ersten Blick nicht besonders viel Sinn. Zumal wenn man den wohlklingend Originaltitel „Prega il morto e ammazza il vivo“ (Töte die Lebenden und bete für die Toten) im Ohr hat. Tatsächlich hat der Titel aber seine Berechtigung, wenn man kurz vor Ende bei den Dialogen genau hinhört. Nur soviel sei verraten: Mörder des Klans ist niemand, der einen Klan umbringt, noch ein von einem Klan geschickter Mörder. Früher dachte ich aufgrund des Titels auch immer, dass es sich bei dem Film um einen Gangster- und keinen Westernfilm handeln würde. Aber hier kann ich Entwarnung geben, „Der Mörder des Klans“ ist ein lupenreiner Italo-Western, wobei er durch seine räumliche Limitierung – die erste Hälfte spielt in einer Ranch, die zweite in einer einsamen, sandigen Berglandschaft – mehr an ein Kammerspiel oder Theaterstück erinnert.

Die Hauptrolle spielt Paolo Casella, der hier zeitweise etwas an Anthony Steffen erinnert und von diesem auch das eher ausdruckslose Spiel übernommen hat. An erster Stelle wird in der Besetzung aber Klaus Kinski genannt, und dieses vollkommen zu Recht. Kaum hat Kinski die Szene betreten, reißt er augenblicklich den ganzen Film an sich. Jede freie Stelle der Leinwand füllt er mit seiner ungeheuren Präsenz und weiß auch genau, wie er – nur im Hintergrund stehend – den Blick des Zuschauers auf sich lenken kann. Neben ihm muss einfach jeder andere verblassen, so dominant drängt er sich ins Bild. In den Extras lässt sich Kameraassistent Claudio Morabito lange über Kinski und seine Marotten, seine Egozentrik und die kleinen Kniffe, wie er den anderen die Show stahl, aus. Die beiden waren gewiss keine Freunde. Anders der Kameramann Franco Villa, der für Kinski nur warme und lobende Worte hat. Und Franco Villa scheint von Kinski in der Tat sehr eingenommen gewesen zu sein. Die Kamera klebt förmlich an dessem Gesicht. Es ist beinahe so, als hätte Regisseur Guiseppe Vari gerufen: „Egal, was der Verrückte macht, bleib mit der Kamera drauf.“

Mit ihren schrägen Winkeln, langsamen Zooms und stimmungsvollen Bildkompositionen, ist die exzellente Fotografie einer der großen Pluspunkte des Filmes. Obwohl die Story viel für ein psychologisches Drama , wie es z.B. der Gangsterfilm-Klassiker „Der versteinerte Wald“ (an den er manchmal erinnert) ist, hätte hergeben können, verhindert das löchrige Drehbuch größere Ambitionen. Manchmal wirkt es fast so, als ob beim Dreh Seiten aus dem Drehbuch verloren gegangen wären, denn häufig greift man sich an den Kopf und spult zurück, weil man glaubt, etwas verpasst zu haben. Hat man aber nicht. Die Handlung ist tatsächlich so lücken- und sprunghaft. Auch kann der Film sein geringes Budget nicht verleugnen. Für Fans eher ungewöhnlicher Italo-Western und Anhänger des Kinkischen Schauspielwahnsinns ist der Film aber trotzdem ein absolutes Muss.

In der Featurette “Töte Kinski” erzählen Kamerassistent Claudio Morabito und der mittlerweile leider verstorbene Kameramann Franco Villa von den Dreharbeiten. Claudio Morabito hat dabei einiges über die schwierige Arbeit mit Klaus Kinski zu berichten, mit dem er scheinbar gar nicht zurecht gekommen ist. Franco Villa relativiert dies dann wieder etwas. In “Töte die Lebenden und bete für die Toten” kommt ein letztes Mal Filmhistoriker Fabio Melelli zu Wort. Quentin Tarantino mochte den Film so sehr, dass er auf seiner Top20-Liste auf den 16. Rang kam.

Screenshots: http://www.filmforum-bremen.de/2013/03/ ... des-klans/

Re: Der Mörder des Klans - Giuseppe Vari (1971)

Verfasst: Sa 28. Mai 2016, 20:59
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 11.08.2016 bei Koch Media auf Blu-ray:

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Extras:
Trailer, Interviews mit den Kameramännern Franco Villa, Claudio Morabito und Filmhistoriker Fabio Melelli, Bildergalerie

Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=71801

Re: Der Mörder des Klans - Giuseppe Vari (1971)

Verfasst: Mi 31. Jul 2019, 16:07
von Salvatore Baccaro
Abt. Terza-Visione-Festival des italienischen Genrefilms 2019
Da hat mich die euphorische Einführung, die von teilweise experimenteller Bildgestaltung raunte, dem glänzendesten Kinski-Gesicht aller Zeiten und Wüstensand, in den sich das Schicksal unserer Helden einschreiben würde, als hätten griechische Philosophen die Griffel geführt, wohl ein wenig in die Irre geführt, denn erhalten habe ich letztlich einen durchschnittlichen Italo-Western, der in seiner ersten Hälfte durch kammerspielartige Intensität auffällt, die fast ein bisschen wie eine Tarantino-Antizipation wirkt – (andererseits: was wirkt nicht wie eine Tarantino-Antizipation, wenn dieser Meister des Sich-Mit-Fremden-Federn-Schmückens seine Filme wie riesige Schmelztiegel gestaltet, in denen alles und nichts miteinander verrührt wird!?) –, dann aber schnell die handelsübliche Rachegeschichte abspult: Ein Fremder, der einem Bandenchef nach dessen erfolgreichem Goldraub verspricht, ihn und seine Handlanger über die mexikanische Grenze zu führen; ein Fremder, der sich in die Tochter eines Schankwirts verguckt bzw. sie sich in ihn, bevor sie dann von besagten Banditen als Geisel mit bis zur mexikanischen Grenze geschleppt wird; ein Fremder, der, wie sich herausstellt, nicht an seinem Lohn für den Grenzgang, nämlich der Hälfte des Raubgoldes, interessiert ist, sondern der ein gigantisches Hühnchen mit Bandito Kinski zu rupfen hat, da dieser im Sezessionskrieg die Ermordung von dessen kompletten Familie zu verantworten hatte usw.

Im Grunde ist es auch mal schön, einen Western abseits von Corbucci zu sehen, in dem Kinski mehr als Fünf-Minuten-Screentime hat, (auch wenn er sich in PREGA IL MORTO E AMMAZZA IL VIVO letztlich erneut nur selbst spielt.) Da verzeihe ich dem Film auch gerne, dass seine Landschaft nun wenig nach amerikanischem Westen, sondern eher nach römischen Hinterland (Stichwort: Sandgrube) ausschaut, dass sein Finale harmonietrunken wie das eines US-Edelwesterns ist, sprich, wenig von dem Zynismus der sonstigen italienischen Genre-Ware atmet, und dass all diese schweißperlenden Bilder letztlich in einem Rahmen hin und her kullern, den ich bereits in- und auswendig kenne, (und der einen vehemten Italo-Western-Opponenten wie Jogi erst recht zum Schnauben bringen würde.)

Re: Der Mörder des Klans - Giuseppe Vari (1971)

Verfasst: Fr 1. Sep 2023, 08:55
von karlAbundzu
Es passiert nicht viel: erst wartet eine Gang in einer Ranch mit Geiseln auf die Ankunft der Frau mit Geld, dann reiten sie Richtung mexikanische Grenze.
Aber in solchen Situationen passiert auf der psychologischen Ebene viel: die Spielchen, die hier der Fremde mit dem Gangsterboss treibt, fallen auf fruchtbaren Boden. Der Boss, eh schon mit einem starken Hang zu Gewaltausbrüchen, Sadismus und Wahnsinn gesegnet, bringt das zum Morden an der eigenen Crew, die diesem auch nicht recht traut.
Neben dem Fremden und den irren Gangsterboss haben wir noch andere typische Rollen: den lustigen Alten, den grundehrlichen Vertreter des Gesetzes, die Dame in Not, hier sogar zwei. Und beide in rot, aber auch sehr unterschiedlich: die eine ist halt nur der Love Interest des Guten, die andere ist interessanter: sich der Situation bewusst spielt sie verschiedene Rollen auf zynische Art durch. Ach so, eine dritte stirbt recht früh bei einem Vergewaltigungsversuch. Der einzige Sleazeanflug neben der Kamerafahrt zwischen Kinskis Beine. Apropos Kamera: wirklich viele schräge ungewöhnliche Einstellungen und Fahrten. Einmal liegt die Kamera scheint es in einem Dornenbusch, an dem alle langsam vorbei reiten.
Am meisten Raum nimmt Kinski als Irrer ein, das Töten nebenbei und eiskalt, die andere Gewalt und Androhung der Gewalt in Ausbrüchen. Blaß dagegen der Fremde, Paul Sullivan, der rollengerecht zurück haltend spielt, aber dabei nicht genug Ausstrahlung hat. Bei den Frauen sticht Victoria Zinny heraus, die ihre Rolle aus kostet.
Die Gangster nebenbei bekommen auch jeder einzelne ein originellen eigenen Charakter.
Und obwohl er sehr Italo anfängt, der vermeintlich gute mit einer Szene, bei der er eiskalt mordet, vorgeblich aus monetären Gründen, ist das Ende ungewöhnlich amerikanisch.
Insgesamt nicht sehr elegant inszeniert, teils mit Sprüngen, und dann ist man trotz deren Handlungsarmut doch nicht gelangweilt. Weil immer was spannend zwischen ihnen ist.
Und ich liebe die beiden Songs, die in Variationen immer wieder vorkommen.

Guter C-Western, der ein besseres Ende verdient hätte.

Auf der DVD noch eine interessante filmhistorische Einschätzung des Regisseurs und einzelner Schauspieler und ein Doppel Interview namens Tötes Kinski. Mit Kameramann und Kameraoperator.