Diesen Film hatte ich mal in Form einer Videokassette vom Flohmarkt gefischt. Titel war „Tödlicher Auftrag“ und die Auflage war cut as f*ck. Wurde von mir also rasch wieder notverkauft.
In der jüngst gesichteten 88 Minuten Version (z.B. bei ITT veröffentlicht) gewinnt „Kommando Cobra“ allerdings enorm. Um ehrlich zu sein, habe ich schon länger keinen Genrefilm mehr gesehen, in dem so viele Nebencharaktere auftauchen, die durch ihre bloße Anwesenheit gute Laune verbreiten.
Das liegt zum einen an Gordon Mitchell, der als Rollkragenpullover tragender Auftragskiller eingeführt wird und überzeugend agiert. Mit dickem Zefix um den Hals, Rotzbremse unter der Nase und derber Unsympathensynchro kann er sich optisch und vom Habitus von den Nebendarstellern absetzen. Er ist dauermürrisch und macht das Maul nur auf, wenn es unbedingt nötig ist. Auf eine Wertschätzung „Diese Stadt braucht Leute wie Dich!“ pflaumt Gordon zurück “Aber ich diese Stadt nicht!“.
Töten und Abkassieren, mehr scheint ihn nicht zu interessieren.
Einfach ein netter Kerl!
Mitchells misslungener Versuch, sein drittes Opfer auszuschalten, ruft unfreiwillig das „Kommando Cobra“ wieder auf den Plan. Thailand-Exilant Louis „Cobra“ Orsini, der vor Ort Legendenstatus genießt, weil er einst Khmer und den berüchtigten Fremdenlegionär Willi Koch (wer hat noch nicht von ihm gehört?) verjagt hat, erweist sich als zu mächtiger Gegenspieler.
Wie abgebrüht „Cobra“ ist, wird bereits vor einem Zusammentreffen der 2 deutlich, als „uns Gordon“ von seinem Fahrer auf ein Schild vor Orsinis Haus hingewiesen wird. Dort hängt die abgehackte Hand Willi Kochs als eine Art Trophäe.
Entsprechend fies
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ist dann auch der Abgang, der Mitchell bereitet wird: ihm wird in einer Hütte in beide Knie (?) geschossen und dann wird eine „Cobra“ freigelassen.
Wo wir gerade bei Giftschlangen sind: mit der jungen und attraktiven Senta Berger bietet der Streifen zum anderen einen echten Blickfang. Zwar tritt sie nur vereinzelt auf, spielt ihre Rolle dennoch glaubhaft. Die ehemalige Straßendirne, die sich zur Mätresse verschiedener Männer der Marseiller High Society/Unterwelt hoch geschlafen hat, nehme ich ihr ab. Ihr abwechslungsreiches Liebesleben wird lediglich verbalisiert und schlüpfriges gibt es nicht zu sehen. Man erfährt, dass Senta intrigiert und ein sleaziges Doppelspiel treibt. Auf ihr Selbstbild wirkt sich das weniger aus, betrachtet sie sich doch fortwährend als „Dame“. Dezenten Widerspruch meldet diesbezüglich ihr letzter Liebhaber (und gleichzeitig der Oberfiesling) im Film an. Er erinnert sie feinfühlig daran, wie romantisch sie sich einst kennengelernt hatten:
“Sieh' in den Spiegel. Sieh' Dich an. Die 20 Francs Nutte vom Place Pigalle. Da hast Du noch Deine 10 Nummern pro Nacht gemacht.“
Wie man das als echter französischer Charmeur eben so macht.
Gegen Ende bröckelt Madame Bergers Selbstkonzept, und sie erweist sich als erfahrene Roulettespielerin.
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Russisches Roulette, um präzise zu sein.
Herrlich anzusehen, sind auch die 2 vietnamesischen (ex-Kommando Cobra) Killer, die nach Marseille eingeflogen werden. Schon im Flugzeug sind sie bemüht, sich landestypisch zu verhalten und tun so, als ob sie französische Comics (Tin Tin & Mickey Mouse ?) lesen würden. Es ist zum Schreien, wie sie als Touristen getarnt (mit umgehängten Fotoapparaten und drolligen Hüten) durch Marseille wuseln. Und die Messer wetzen! Dabei sind sie so perfekt eingespielt und leichtfüßig wie Artisten eines asiatischen Wanderzirkusses, dass mich sogar ein derber Messermord im Krankenhaus zum Schmunzeln gebracht hat.
Bei der Gestaltung des „Endbosses“, der mit aller Gewalt ein hohes politisches Amt anstrebt, fühlte ich mich an 007 Schurken der alten Schule erinnert.
Wie ein Sonnenkönig residiert er in einem gigantischen Büro (gefühlt mind. 80 Quadratmeter groß!) mit massivem Schreibtisch.
Er lässt sich von einem adipösen Leibwächter bewachen.
Er hält sich in seinem Büro doch tatsächlich Geier in einem Käfig und füttert die Biester mit Hähnchenkeulen.
Er verfügt über einen Gehstock mit integriertem Messer.
Macht das alles Sinn? Nein, aber viel Spaß!
Der eigentliche Hauptdarsteller, der „Rächer“ des Orsini Clans ist ein ziemlich ruhiger und unscheinbarer Charakter. Das gleiche gilt auch für den ermittelnden Kommissar, der, mit viel Fantasie, ein bisschen wie eine verlebte Mischung aus Gert Fröbe und Rainer Basedow aussieht. Beide spielen gut, aber die genannten Nebenakteure stehlen ihnen klar die Show. Den alkoholkranken amerikanischen Kumpel von „Cobra“ hätte ich jetzt fast unterschlagen. Dieser leitet die Endsequenz ein,
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in der der letzte Orsini bei untergehender Sonne mit Rückenschuss ins Meer geht.
Erfrischend pathetisch. Es gibt Momente, in denen liebe ich Pathos. Boissets Thriller ist so ein 88 minütiger Moment.
Merci beaucoup, Monsieur Boisset!