The Tall Man
(The Tall Man)
mit
Jessica Biel, Jodelle Ferland, Stephen McHattie, William B. Davis, Samantha Ferris, Colleen Wheeler, Eve Harlow, Janet Wright, Ferne Downey, John Mann, Teach Grant, Garwin Sanford, Jakob Davies, Lucas Myers
Regie:
Pascal Laugier
Drehbuch:
Pascal Laugier
Kamera:
Kamal Derkaoui
Musik:
Todd Bryanton
FSK 16
Kanada / USA / 2012
In einer abgelegenen und verarmten amerikanischen Provinzgemeinde erledigt nach dem Tode ihres Mannes einige Jahre zuvor die Krankenschwester Julia allein die anfallenden medizinischen Notfälle von der Grippe bis zur Geburt. In der Gegend sind in den letzten Jahren immer wieder Kinder spurlos verschwunden, hartnäckig hält sich deshalb die Legende von einem großen schwarzen Mann, der die Kinder verschleppt. Als Julia Zeugin wird, wie tatsächlich eine dunkle Gestalt ein Kind verschleppt, nimmt sie die Verfolgung auf.
Beim Namen Pascal Laugier muss man ganz automatisch an den 2008 erschienenen Film "Martyrs" denken, der doch ein herber Schlag in die Magengrube war und bei jeder neuerlichen Sichtung noch immer ein flaues Gefühl im Magen des Zuschauers hinterlässt. Mit "The Tall Man" liegt nun das neue Werk von Laugier vor und der Film geht vielmehr in die Richtung psychischer Härte, als das er mit expliziten Gewaltdarstellungen schockieren würde. Gleich zu Beginn wird man dabei mit einer kurzen Einstellung konfrontiert, die anscheinend schon das Ende der Geschichte vorweg nimmt, um dann jedoch 36 Stunden früher mit der Erzählung zu beginnen. Hier liegt die größte Stärke dieses Werkes, weiß man doch die ganze Zeit über nicht, wie sich das Geschehen entwickeln wird und ob die zu Beginn eingespielte Sequenz einen wirklich mit einem eher offenen Ende zurücklassen wird. Und so bekommt man immer nur kleinere Brocken an Informationen hingeworfen, die den Zuschauer anscheinend der Lösung der mysteriösen Vermissten-Fälle immer ein wenig näher bringt. Man wird mit der Legende vom Tall Man konfrontiert, der angeblich in Cold Rock etliche Kinder entführt hat, von denen jegliche Spur fehlt. Dabei wird dieser Eindruck auch mit den dazu gehörigen Bildern untermauert, was dem Szenario im ersten Drittel fast schon eine übernatürliche Note verleiht, was sich im weiteren Verlauf der Ereignisse aber noch relativieren soll.
Laugier hat es dabei erstklassig verstanden, den Betrachter in eine bestimmte Richtung zu lenken, um dann aber mit einem Twist daher zu kommen, den man in dieser Form eigentlich nicht vorhersehen konnte. Zwar verschwindet dadurch der übernatürliche Touch und die Ereignisse gestalten sich vollkommen irdisch, das ändert jedoch rein gar nichts an der Tatsache, das die aufgebaute Spannung weiterhin keinerlei Einbrüche zu verzeichnen hat und die Geschichte bis zur wirklich letzten Minute unglaublich interessant bleibt. Dazu trägt auch die absolut glänzend agierende Jessica Biehl bei, um die es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden ist, die aber mit ihrem äußerst gelungenem Schauspiel wie Phoenix aus der Asche aufsteigt und dem Geschehen ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückt. Zu sehr darf man allerdings nicht darauf eingehen, da man ansonsten viel von der vorherrschenden Spannung vorwegnehmen würde, denn ihre Rolle ist absolut tragend für den gesamten Film. In atmosphärischer Hinsicht ist "The Tall Man" absolut erstklassig gestaltet, entfaltet sich doch im Laufe der Zeit eine extrem beklemmende Grundstimmung, die einem selbst ziemlich zu schaffen macht.
Dabei ist es vor allem der Zeitpunkt der eigenen Erkenntnis, der im Kopf des Zuschauers eine Maschinerie in Gang setzt, die einen in einen Zwiespalt der Emotionen versetzt. Was zu Beginn nämlich noch recht vorhersehbar erscheint und einem das Gefühl vermittelt, sich in einem normalen Horror-Thriller mit eventueller Serienkiller-Thematik zu befinden, schlägt eine vollkommen andere Richtung ein. Auf einmal sieht man sich mit ganz anderen Problemen konfrontiert, die einerseits eine Menge an Sozialkritik beinhalten und einen auf der anderen Seite auch äußerst nachdenklich stimmen. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen vollkommen und man weiß eigentlich gar nicht so genau, gegen wen man seine mittlerweile aufgestaute Wut richten soll. Um das besser zu verstehen, muss man den Film allerdings selber sehen, denn nur so kann man sich ein Bild davon machen, wie vielschichtig die Gefühls-Palette ist, die in diesem Szenario auf einen einprasselt. Manch einer mag vielleicht ein wenig enttäuscht sein von diesem Film, weil er etwas in der Art wie "Martyrs" erwartet hat, was sich insbesondere auf den vorhandenen Härtegrad bezieht. Hier gibt es nämlich überhaupt nichts zu sehen, was brutal oder blutig erscheinen würde, dafür bekommt man vielmehr eine Geschichte präsentiert, die einen psychisch so richtig runterzieht.
Laugier hat meiner Meinung nach mit "The Tall Man" einen absolut erstklassigen Thriller auf den Weg gebracht, der einen von der ersten bis zur letzten Minute in seinen Bann zieht und dabei mit einer wendungsreichen Geschichte aufwarten kann. Eine glänzend aufspielende Jessica Biehl ist dabei absolut prägend und drückt dem Szenario ihren Stempel auf. Der Film hinterlässt einen wirklich nachhaltigen Eindruck und bringt einen dazu, sich in gewissen Dingen selbst zu hinterfragen. Wenn man nämlich die Auflösung um die verschwundenen Kinder kennt, ist hier rein gar nichts mehr, wie es noch am Anfang erscheinen mag.
Fazit:
"The Tall Man" ist nicht nur ein erstklassiger Thriller, sondern bietet ab einem gewissen Zeitpunkt auch das berühmte Kopf-Kino, das den Zuschauer so ungemein beschäftigen kann. Erstklassige Darsteller, sehr viel Spannung und eine Menge kritischer Töne machen dieses Werk zu einem echten Erlebnis, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.
8/10