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Skinhead Attacke - John Mackenzie

Verfasst: So 28. Jul 2013, 02:56
von dr. freudstein
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Originaltitel:The Infiltrator

Herstellungsland: USA / 1995

Regie: John Mackenzie

Darsteller: Oliver Platt, Arliss Howard, Tony Haygarth, Michael Byrne, Julian Glover, George Jackos,
Alex Kingston, Jonathan Phillips, Peter Riegert, Alan King, Colin Stinton, Anne Reid u.a.

Story:
Der erfolglose israelische Journalist Yaron Svoray lebt in Kalifornien. Eines Tages bekommt er das Angebot, nach Deutschland zu reisen und dort über die jüngsten Überfälle von Skinheads auf Ausländer zu berichten. In Berlin lässt er den Neonazi Mahlich in dem Glauben, er wäre einer von ihnen. Durch ihn lernt Svoray, der sich nun Ron Furey nennt, den verbohrten Nazi Gunter Fischer kennen und erfährt von den brutalen Übergriffen der Skinheads auf Ausländer. Entsetzt kehrt Svoray nach Amerika zurück und wendet sich an die Leiter des Simon Wiesenthal Instituts, den Rabbis Marvin Hier und Abraham Cooper. Sie schicken ihn zurück nach Deutschland, wo er als Undercoveragent für sie arbeiten soll.

http://www.ofdb.de/film/10073,The-Infiltrator

Re: Skinhead Attacke - John Mackenzie

Verfasst: Mo 29. Jul 2013, 02:04
von dr. freudstein
Auch hier werden zunächst titelgebende "Skinheads" vorgeführt, sind in Wahrheit natürlich stumpfe Boneheads (kahlköpfige Neo-Nazis). Die wahre Skinhead Kultur since 1969 mit ihren schwarzen Wurzeln (incl. Rude Boys) ist ja auch nicht so interessant, obwohl die Gewalt auch dort stets vorherrschte.

Diese Geschichte soll (natürlich) auf wahren Begebenheiten beruhen. Ein jüdischer Journalist, der auch sofort nach einer Schlägerei zwischen Boneheads und Bewohner eines Asylantenheimes als ein solcher erkannt wird (als Jude, und später dann auch als Türke) gewinnt dennoch das Vertrauen nach einer Verhaftung der Polizei, nachdem die Schläger dann iwo wieder freigelassen werden. Nur einer Polizistin gefällt das gar nicht und Yaron wird später den Kontakt zu ihr darstellen. Yaron benimmt sich gegenüber den Bones als eine der ihren und in einer anschliessendem Siegesfeier gewinnt er ihr Vertrauen und stellt sich als amerikanischer Journalist Ron Furey vor, der durchaus an der rechtsradikalen Materie interessiert ist. Gleichzeitig hält er Kontakt zu dem Besitzer eines türkischen Schnellimbisses, dessen Laden überfallen wurde und die Betreiber auf übelste zugerichtet wurde bei einem "Skinhead" Überfall. Dennoch lernt er weitere Drahtzieher der Neonazi-Szene kennen wie den Altnazi Gunther Fischer, der jedoch vergleichsweise harmlos ist. Natürlich hat dieser seine Kontakte zu vielen faschistischen Organisationen, verteilt Flugblätter, ergötzt sich an Orden und Uniformen aus der NS Zeit, scheint aber nur verblendet zu sein. Seine Frau ist eine zurückhaltende Person, die stets schweigsam ist (bitte nicht mit Dummheit verwechseln) und zu ihrem Mann hält, aber scheinbar selbst nicht auf der rechtsradikalen Schiene fährt. Sie ist einfach nur treu zu ihrem Mann und auch Yaron empfindet trotz seiner jüdischen Abstammung Sympathie für diesen Mann, denn dieser strahlt trotz seiner radikalen und verworrenen Ideen eine Art Wärme und Herzlichkeit aus. Gunther Fischer schliesst auch Yaron bzw. Ron sofort in sein Herz und vermittelt die Kontakte zu höherstehenden Nazis.

Yaron werden Filme gezeigt wie einen Art Snuff-Film, wo eine nicht-deutsche Mitbürgerin vergewaltigt wird von Nazis und er wendet sich an das Simon-Wiesenthal Institut, wird dort aber zunächst abgewiesen, da er bisher nur Verbindungen zur "Skinhead"Szene hatte, an deren Aktivitäten das Institut nicht sonderlich interessiert ist. Sie interessieren sich für die wahren Übeltäter und die sitzen ganz oben. An die muss Yaron ran und dies gelingt ihm nur durch Geld. Das Mittel ausgerechnet, welches die Neonazis eigentlich verpönen, meinen sie doch, dieses sei das Machtinstrument der Juden. Doch nun, von seinem Verlag abgewiesen, muss er tiefer in die Szene rein und trotz seines "nichtarischem" Aussehen Vertrauen gewinnen, denn das Wiesenthal-Institut ist nun doch an einer Zusammenarbeit interessiert, möchte aber an die "Großen" ran und ist auf der Suche nach einem heimlichen Führer, der hervortritt, wenn die Nazis tatsächlich wieder an der Macht kommen sollten.

Yaron nutzt also die Vetrauensseligkeit von Gunter Fischer (der jedoch anscheinend längst geahnt hat, wen er sich da ins Nest geholt hat, wie man später erfuhr) aus und verspricht den Neonazis, hier dann noch der verbotenen Nationalistischen Front (NF) einen reichen, amerikanischen Millionär an, der an der "deutschen Sache" mehr als nur interessiert ist und deren Aufschwung mit finanziellen Mitteln Auftrieb geben will. Die Neonazis werden hellhörig (bis auf einer, der dem Antlitz von Yaron ob des "jüdischen" Aussehens nicht über dem Weg traut), denn trotz vorgebener antikapitalistischen ( deren Ursprung im Judentum liegen soll) Gesinnung benötigen auch sie eine Menge Geld, um voranzukommen. Parteiwerbung, Schulungen, vermutlich auch Waffen und all dergleichen kosten nunmal eine Menge Geld und nur mit entsprechenden Mitteln kann man, gleich welcher Gesinnung, politischen und machtelitären Erfolg gewinnen (CDU, SPD etc. haben es vorgemacht, und später folgten sogar DIE GRÜNEN u.a.). So muss er sich also in seinem Heimatland auf der Suche nach einem reichen, rechtsextremen Millionär machen (hierzulande ist es in der Realität ja Gerhard Frey), der der "Sache" finanziellen Aufschwung geben soll und durch Gelder der faschistischen "Idee" zu mehr Macht und Einfluss verhelfen soll. Er und sein Verlag finden auch einen, putzen diesen heraus und schulen ihn.

Die anfangs erwähnte rechtskritische Polizistin, die mit den liberalen Mitteln Rechtsradikalen gegenüber nicht einverstanden war, arbeitet nun Hand in Hand mit Yaron. Dieser liess sogar einen erneuten Überfall auf den türkischen Imbiss zu, um so belastendes Material gegen die Neonazi-Glatzen zu erzeugen. Dem Besitzer, schwer zugerichtet, fällt es schwer, dem engagiertem Journalisten zu verzeihen, weiss aber sehr wohl, wie zuträglich dieser geduldete Überfall war, um wenigstens den Nazischlägern bestenfalls einen juristischen Gegenschlag entgegen zu setzen. Dieser ist aber in einer rechtstoleranten Gesellschaft und Regierung nur sehr schwer. Auch die scheinbar biederen und "friedlichen" deutschen Bürger empfinden eine gewisse Sympathie (wie man z.B. in Rostock-Lichtenhagen sah, was zwar hier nicht gezeigt wird, aber unterschwellig Erwähnung findet) und dieses macht den Kampf gegen Rechtsextremismus nur noch schwerer. Gewaltlose, aber Akzeptanz findende Zustimmung macht es den "Kämpfern gegen Rechts" die Arbeit nur noch schwerer, sie sehen sich als ohnmächtig kapitulierend dem zunehmenden Rechtsextremismus gegenüber.

Neonazis erkannten schon in den 90ern, dass das Internet ein legales Mittel ist, um möglichst viele Gleichgesinnte zu erreichen und das nahezu kostenlos (Angela Merkel brauchte dazu mehr als 2 Jahrzehnte, um auf ihre Weise den Nutzen aus diesem Neuland zu ziehen). In diesem Film werden jedenfalls viele verschiedene Mittel gezeigt, die einer Machtbestrebung dienlich sein könnten. Yaron präsentiert dann endlich den erwähnten Millionär, in deren finanziellem Sponsoring führende Nazipolitiker ihre Chance sehen, ihrem Ziel ein ganzes Stück näher zu kommen und so findet auch Yaron, der eigentlich jüdische Journalist dann endlich Zugang zu belastendem Material, welches die engagierte Polizistin in Eigenmächtigkeit per Video aufzeichnet.

Dennoch gestaltet sich trotz belastendem Material eine Legung der Machenschaften gefährlicher Neonazis z. B durch juristische Mittel als nicht ganz so einfach, denn Yaron und das Simon-Wiesenthal Institut sehen sich einer nicht ganz so engagierten Lobby staatlicher Vertreter gegenüber. Man hat anscheinend kein wirkliches Interesse, den radikalen Mächten das Handwerk zu legen und so erscheint dieser Film tatsächlich als viel realistischer, als es zunächst es den Anschein machen sollte. Film? Wohl doch mehr Realität und Momentaufnahme einer tatsächlich stattfindenden Situation (bzw. stattgefundenden, aber niemals an Brisanz verlorengegangenen) , als man meinen sollte. Unterhaltungswert eher gen Null, dennoch aufrüttelnd und zum Nachdenken verleitend, so hoffe ich doch zumindest und nicht nur zum blossen Zeitvertreib produzierter Film, der sich nicht allein auf deutsche Verhältnisse beschränken soll, sondern auch die Verbindungen zur internationalen Nazi-Szene insbesondere die USA aufzeigt und gleichwohl nicht nur kahlköpfige Schläger als die eigentlichen Verbrecher aufzeigt, sondern die wirklichen Drahtzieher im Hintergrund und zum Teil auch Untergrund wie auch Overground. Dem gegenüber wurde hier deutliche Kritik an unserem und dem amerikanischem Staat offenbart und deren fadenscheinigen oder lasch eingesetzten und unmotivierten Mitteln, dem Rechtsextremismus wirksam entgegenzutreten, welches leider viel zu realistisch zu sein scheinen mögen, als es zunächst den Anschein haben mag.

Dieser Film dient also keiner reinen fiktiven bilddemonstrierten publikumsbefriedigenden Gewaltdarstellung, sondern ist vielmehr ein Spiegelbild der gegenwärtigen Situation, insbesondere der 90er Jahre, deren Einfluss der Neonazis nicht nur durch faschistische Kahlköpfe an Brisanz gewinnt (siehe publikumsziehendem Titel) sondern ihre angsteinflössende Bedrohlichkeit durch Faschisten aus deren oberen Drahtzieher, aber auch durch ohnmächtige und duldende Repräsentanten bezieht.

Zunächst gab ich 5 Punkte, aber angesichts einer Zweitsichtung, deutlich konzentrierter und nachdenklicher verfolgt, erhöhe ich drastisch auf
7/10

Re: Skinhead Attacke - John Mackenzie

Verfasst: Mo 29. Jul 2013, 13:33
von buxtebrawler
dr. freudstein hat geschrieben:(...) denn trotz vorgebener antikapitalistischen ( deren Ursprung im Judentum liegen soll) Gesinnung benötigen (...)
Du meinst sicher, dass der Kapitalismus, nicht die antikapitalistische Gesinnung, ursprünglich im Judentum liegen soll, oder? :-?
dr. freudstein hat geschrieben:(hierzulande ist es in der Realität ja Gerhard Frey)
Es WAR G. Frey, mittlerweile ist er ja tot. ;)

Sehr ausführlicher, interessanter Bericht. Danke, freudschi.

Re: Skinhead Attacke - John Mackenzie

Verfasst: Mo 29. Jul 2013, 14:21
von dr. freudstein
ach so ja klar, so meinte ich das. Kapitalismus ist eine Erfindung der Juden (so sehen die Nazis das bzw. alle Antisemiten), gleichwohl rennen sie auch gerne dem Großkapital hinterher. Geld ist Macht.

Ach sieh mal, hab ich die Freudenfeier verpasst :o