Im Westen nichts Neues - Lewis Milestone (1930)
Verfasst: Sa 9. Nov 2013, 12:06
Im Westen nichts Neues
(All Quiet on the Western Front)
mit Louis Wolheim, Lew Ayres, John Wray, Arnold Lucy, Ben Alexander, Scott Kolk, Owen Davis Jr., Walter Rogers, William Bakewell, Russell Gleason, Richard Alexander, Harold Goodwin, Slim Summerville, G. Pat Collins
Regie: Lewis Milestone
Drehbuch: Erich Maria Remarque / Maxwell Anderson / George Abbott
Kamera: Arthur Edeson
Musik: Sam Perry / Heinz Roemheld
FSK 12
USA / 1930
Erster Weltkrieg: In der allgemeinen Kriegsbegeisterung zieht eine ganze Klasse junger Oberschüler freiwillig in das vermeintliche "Feld der Ehre". In den Schützengräben der Westfront müssen Paul Bäumer und seine Kameraden aber bald die ganze Brutalität des Krieges erfahren...
Antikriegsfilme gibt es zur Genüge doch wohl kein anderes filmisches Werk präsentiert dem Zuschauer so krass die Gegensätze zwischen der Glorifizierung des Krieges und der brutalen Realität wie das Meisterwerk von Lewis Milestone aus dem Jahr 1930. Basierend auf der literarischen Vorlage von Erich Maria Remarque werden einem die Geschehnisse an der Westfront im ersten Weltkrieg aus der Sicht des jungen Soldaten Paul Bäumer geschildert und es entwickelt sich eine schier grausame Geschichte, die man wohl kaum intensiver hätte in Szene setzen können. Von der ersten Minute an macht die Geschichte dabei keinen Hehl daraus, das man es hier mit einem Szenario voller Gegensätze zu tun bekommt, die dabei äußerst extrem und sehr glaubhaft erscheinen, was dem Ganzen einen unglaublich intensiven Anstrich verleiht. In der heutigen Zeit ist man sicherlich aufgeklärter über die Grausamkeiten eines Krieges und gibt nicht mehr viel auf glorifizierende Reden irgendwelcher Herren, die einem das Kriegsgeschehen als Heldentat und ruhmreiche Verteidigung des Vaterlandes verkaufen wollen. Damals sah das sicherlich noch ein wenig anders aus und gerade dieser Aspekt wird einem auch gleich zu Beginn der Geschichte eindrucksvoll unter die Nase gerieben. So hinterlassen dann auch schon die ersten Minuten des Filmes einen extrem bitteren Beigeschmack, in denen ein Lehrer seiner Schulklasse den Krieg als heroisches Unternehmen in das Gehirn einpflanzt und mit Begriffen wie Heldentum, Stolz und Ehre seine Schüler so weit manipuliert, bis sich gesamte Klasse geschlossen zum Kriegsdienst meldet, um schon kurz darauf mit der grausamen Realität konfrontiert zu werden.
Anstelle heroischer Taten bekommen es die jungen Männer nämlich mit einem zermürbenden Stellungskrieg in unendlich erscheinenden Schützengräben zu tun, in denen sie dem Feind förmlich als Kanonenfutter präsentiert werden. Keinerlei Hygiene, nichts zu essen und endlos lange Nächte rauben den Männern ziemlich schnell die Gedanken an heldenhafte Taten um ihr Vaterland zu verteidigen, stattdessen machen sich furchtbare Angst und Panik breit, in kürzester Zeit vollkommen sinnlos sein Leben zu verlieren. Als wenn diese Tatsache an sich nicht schon grausam genug wäre, wird der Aspekt durch das herausragende Schauspiel der Akteure noch zusätzlich mit einer Intensität-und Glaubhaftigkeit unterlegt, das man als Betrachter eigentlich durchgehend ein äußerst starkes Gefühl der Beklemmung verspürt, das man bis zum bitteren Ende und auch lange danach nicht wieder ablegen kann. Milestone hat dabei sorgsam darauf geachtet, die entstehenden Kontraste auf eine fantastische Art und Weise heraus zu arbeiten, so das sich einem ein Film-Erlebnis präsentiert, das man nicht so schnell wieder vergessen wird. Selbst in den Passagen die sich einmal nicht direkt mit den Kampfhandlungen beschäftigen kommt so immer wieder ein starker Gegensatz zum Ausdruck, den man insbesondere in der Phase verspürt, in der Paul Bäumer auf Heimaturlaub ist und die Extreme zwischen Theorie und Praxis auf eindringliche Weise vor Augen geführt bekommt. Wird er doch zu Hause als Held empfangen, so verspürt er doch vielmehr das Gefühl, das er doch keinesfalls in sein altes Leben zurückkehren kann, das ihm mittlerweile vollkommen fremd geworden ist.
Dieser Punkt wird ihm durch Gespräche mit seinem ehemaligen Lehrer und in einer Stammtischrunde in einer Kneipe bewusst, denn hier kristallisiert sich sehr gut heraus, das die nicht direkt am Krieg beteiligten Menschen ein vollkommen falsches Bild vom Geschehen an der Front haben. Als Paul die Wahrheit erzählt wird er sogar als Feigling bezeichnet und er muss schmerzhaft feststellen, das der sinnlose Krieg in der Heimat immer noch als erstrebenswertes Ziel verehrt wird, ohne das dabei auch nur der Schimmer der brutalen Wahrheit zur Kenntnis genommen wird. An diesen Stellen fällt besonders ins Gewicht, das die deutsche Bevölkerung regelrecht verblendet erscheint und immer noch in Dimensionen von Helden, Stolz und Ruhm denkt, anstatt die furchtbare Realität auch nur ansatzweise zuzulassen. An anderen Stellen de Filmes wird dann auch die Frage nach dem eigentlichen Sinn des Krieges gestellt und wer ihn eigentlich ausgelöst hat. Die daraufhin entstehende Diskussion der Soldaten gestaltet sich als äußerst interessant, zeugt sie doch ganz eindeutig davon, das eigentlich keiner so richtig weiß, warum er hier sein Leben für eine Sache aufs Spiel setzt, von der man im Prinzip überhaupt nichts weiß. Gestaltet sich schon das gesamte Geschehen unglaublich intensiv, so sind es gerade diese Szenen, die dem Zuschauer eine Gänsehaut über den Rücken jagen und zudem unglaublich nachdenklich stimmen. Mit einem Schlag wird einem dabei bewusst, das eine komplette Generation vollkommen unwissend in einen grausamen Krieg entsandt wurde, für den es scheinbar noch nicht einmal den Ansatz einer Erklärung gibt. Unter Vorhaltung falscher Tatsachen wurden junge Menschen geistig manipuliert, indem ihnen Begriffe in den Kopf eingepflanzt wurden, die mit der Realität überhaupt nichts zu tun haben.
All diese Momente wurden in "Im Westen nichts Neues" einfach absolut grandios in Szene gesetzt und man ist ehrlich gesagt ziemlich erstaunt darüber, welch nachhaltigen Eindruck dieses filmische Meisterwerk auch nach über acht Jahrzehnten beim Zuschauer hinterlässt. Wohl kaum ein anderer Kriegsfilm stellt so dermaßen krass-und schonungslos die Kluft zwischen Glorifizierung des Krieges und der Realität heraus und wartet zudem auch noch mit einer Schluss-Sequenz auf, die einem fast die Tränen in die Augen treibt. In dieser einzelnen Einstellung und mit dem Hintergrund der vorliegenden Thematik wird einem noch einmal ein schmerzhafter Tiefschlag versetzt, der jedoch absolut brillant in das Gesamtwerk hineinpasst und den gesamten Film auf eine grausige Art perfekt abrundet. Bei einer Laufzeit von knapp 130 Minuten bekommt man in dieser Geschichte nicht einmal den Eindruck das man sich gewisse Passagen auch hätte sparen können, denn jede einzelne Szene ist ein unglaublich wichtiger Baustein in einem Film, der an Intensität-und Härte kaum zu überbieten ist. Die Härte ergibt sich dabei nicht aus visuellen Gewaltdarstellungen, sondern vielmehr aus den extremen Gegensätzen, die "Im "Westen nichts Neues" durchgehend absolut hervorragend in den Vordergrund stellt und unglaublich intensiv beleuchtet.
Fazit:
Bisher hatte ich mir eine Sichtung dieses Werkes immer verkniffen und kann noch nicht einmal begründen warum. Nach meiner nunmehr ersten Sichtung des Filmes stehe ich immer noch unter dessen gewaltigen Eindruck, denn das dargestellte Szenario hinterlässt definitiv seine Spuren. So sollte man sich dieses Meisterwerk auch nicht mal so nebenbei anschauen, präsentiert sich doch alles andere als seichte Filmkost.
10/10