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Der Richter, den sie Sheriff nannten - Yves Boisset

Verfasst: Do 13. Mär 2014, 00:10
von Slim Naughton
OT: Le Juge Fayard, dit Le Shériff
Jahr: F 1977
R: Yves Boisset
D: Patrick Dewaere et. al

Inhalt:
Untersuchungsrichter Fayard legt sich in der französischen Industriestadt Saint-Etienne furchtlos auch mit hohen Tieren an. Dabei verheddert er sich in den dichtgeknüpften Seilschaften von Polizei, Justiz, Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen, die er gehörig unterschätzt. Da kann sein Polizeikumpel Marec auch nicht mehr viel tun.

Unsere Einschätzung:
Thrillerstoffe mit politischem Hintergrund waren bei Yves Boisset immer in den richtigen Händen. Hier verpackt er seine Kritik an den bürgerlichen Eliten in eine spannende Räuber-und-Gendarm-Geschichte. Die Thriller-Action sorgt dabei allerdings nur für das sämige Sößchen drumrum, damit die Mahlzeit besser rutscht.
Boisset deutet zumindest die Funktionsweise bürgerlicher Beziehungsgeflechte an: eine vielschichtige Gemengelage zwischen Wirtschaftseliten, konservativer Politik und Funktionsträgern aus Polizei und Rechtsprechung. Sie haben die Pfründe unter sich aufgeteilt und beißen jeden weg, der versucht, sie von den Fleischtöpfen zu verjagen. Sehr schön ist die Szene, in der die Strippenzieher hinter dem Geldtransporter-Ripp – der Chef einer nationalen Baugesellschaft und ein Politiker – die Pennunzen aus dem Raub zu einer natürlich schweizerischen Bank bringen. Ohne mit der Wimper zu zucken, rubeln die Banker den Zaster in Fränkli um, wohl wissend, woher die Kohle stammt.
Mitten drin und immer wieder ausgebremst bewegen sich die beiden Linken Fayard und Marec, die zwar die Mechanismen durchschauen, aber keine Chance haben, diese außer Kraft zu setzen. Der Gegenwind in verkarsteten, oder positiv ausgedrückt traditionsbewussten ;-), und streng hierarchisch organisierten Gesellschaften ist zu stark. Wer sich als nicht käuflich erweist, verschwindet: entweder strafversetzt oder für immer.
Der Streifen liefert kein Happy-End, aber mit einem symbolischen Schlussbild immerhin die Hoffnung auf Bewegung der verkrusteten Strukturen. Der darüber laufende Standardtext „Diese Geschichte ist frei erfunden …“ liefert dazu noch eine schön ironische Note.
Wie bei Boissets Filmen nicht unüblich, bekam auch dieser Streifen Ärger mit Gerichten und Zensurmaßnahmen. So wurde beispielsweise die genannte und reale Gaullisten-Organisation SAC per Gerichtsbeschluss wegzensiert, und erst später wieder aufgenommen.

Höchstnote!
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