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Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Mo 24. Mär 2014, 11:01
von Prisma

Bruno Cremer   Marisa Mell   in

DIE PARAS - GOLDRAUB IN DER LUFT / OBJECTIF: 500 MILLIONS (1966)

mit Jean-Claude Rolland, Étienne Bierry, Pierre Fromont, Jean-François Chauvel, T. Hong-Maï u.a.
France Gall singt das Chanson "Dis à ton Capitaine"
eine Produktion der Rome-Paris Films | Société Nouvelle de Cinématographie | Laetitia Film
ein Filmbörse Film im Eckelkamp Verleih
ein Film von Pierre Schoendoerffer

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»Pratiquement sans risque!«
Reichau (Bruno Cremer) wird aus dem Gefängnis entlassen, wo er wegen Untergrundaktionen im Algerienkrieg gesessen hat. Völlig mittellos und ohne Perspektive tut sich ihm eine plötzlich eine einmalige Gelegenheit auf, um an Geld zu kommen. Er wird von einer geheimnisvollen Frau angesprochen, die sich Yo (Marisa Mell) nennt, und ihn mit zum Flughafen Orly nimmt. Dort beobachten die beiden eine Maschine, die gerade mit Postsäcken beladen wird. Yo erklärt, dass sich einmal pro Monat 5 Millionen Francs darin befinden, doch bevor sie Reichau ein bedeutendes Geschäft vorschlägt, stellt sie ihm einen Bekannten vor. Man trifft sich mit seinem alten Kammeraden Pierre (Jean-Claude Rolland), der für Reichaus Gefängnisaufenthalt verantwortlich war, weil er ihn seinerzeit verraten hatte. Der ehemalige Sträfling verliert kurz die Nerven und lehnt den Raub des Geldes daraufhin ab. Er meldet sich nicht mehr. Doch die Verlockung nach Unabhängigkeit ist zu groß, so dass er mit Yo wieder Kontakt aufnimmt, und sich schließlich doch auf den Coup einlässt...
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Pierre Schoendoerffers Karriere als Regisseur erstreckt sich zwar über einen beachtlichen Zeitraum von gut 45 Jahren, dabei kam allerdings nur eine sehr übersichtliche Filmografie von zehn Filmen zu Stande. Diese Liste wurde allerdings mit mehreren Auszeichnungen gekrönt, unter anderem erhielt er 1968 den Oscar. Der Franzose war hauptsächlich im Kriegsfilm-Genre zu Hause, und verarbeitete dort seine eigenen Erfahrungen, da er als Kameramann der französischen Armee im Indochina-Krieg bei der Schlacht von Điện Biên Phủ in Gefangenschaft geriet. Mit "Objectif: 500 millions" kreierte er einen eigenartig ruhigen und subtilen Thriller, dessen Bildsprache absolut überragend ist, außerdem ist der Aufbau des Films sehr beeindruckend ausgefallen, und liefert gestochen scharfe Psychogramme der tragischen Protagonisten. Als Fundament für die Geschichte rund um den ehemaligen Sträfling, der keinen Anschluss mehr an das normale Leben findet, dient ebenfalls eine unterschwellige Kriegsfolgen-Thematik, die immer wieder verhalten einschießt, und schließlich ein unmissverständliches Fazit liefert, ohne jedoch aufdringlich zu werden. Nach der Erstansicht wirkt "Die Paras - Goldraub in der Luft" zunächst einmal so, als habe man irgendwie nicht alle Kapazitäten genutzt. Dieser Eindruck entsteht allerdings nur, weil man haufenweise herkömmliche, beziehungsweise reißerische Stilmittel des Thrillers erwartet, diese nach dem Verlauf aber nicht vermisst, weil der Film einen eigenständigen Charakter entwickelt.

Schoendoerffer transportiert eine recht einfache, wenn auch durchgehende Spannung, ja, und eine beinahe pragmatische Komplexität. Die Dominanz der Bilder liefert die Hauptaussagen, so dass selbst die Dialoge untergeordnet wirken. Harte Schwarz/Weiß-Kontraste bestimmen die Szenerie sehr beachtlich, und es kommt zu einer sehr dichten Atmosphäre, da der Film ohnehin besonders viele Sequenzen hat, die sich bei Nacht oder in dunkleren Settings abspielen. Die Kamera-Arbeit ist bemerkenswert, da hier ein umfangreiches Spektrum abgedeckt wird. Trotz empfundener Flexibilität macht sich eine sehr auffallende Sterilität und Lethargie breit, immer wieder ist eine diskrete Verliebtheit zum Detail sichtbar, aber vor allem werden Stimmungen sehr nachhaltig transportiert und manchmal glaubt man, dass man den böigen Wind am Flughafen oder am Strand der Côte d’Argent deutlich spüren, oder den Atlantik förmlich riechen kann, genau wie das Aroma der unzähligen Zigaretten, oder den Kneipendunst. Leider ist Pierre Schoendoerffers Beitrag an dem man sich einfach nicht satt sehen kann, nach wie vor ziemlich unbekannt und als außergewöhnliches Stück französischer Filmkunst leider weitgehend in Vergessenheit geraten. Außerdem handelt es sich in der Karriere von Marisa Mell um eine Ausnahme-Erscheinung, da man sie gebannt auf Film Noir-Spuren begleiten darf, was verständlicherweise aber noch eine genauere Betrachtung erfordert...

Re: Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Mo 24. Mär 2014, 11:31
von dr. freudstein
aber hallo, der erste Post den ich von dir lese und wie genial. Ein Film den ich gar nicht kenne, Marisa Mell dabei, 60er und eine sehr interessante Inhaltsangabe. Und das beste, eine sehr aussagekräftige Kritik/Meinung, worunter ich mir sehr viel vorstellen kann und den Film mir am liebsten sofort zulegen möchte und in den Player schmeissen. Sauberer Einstand, jappadappaduuuu :thup:

nur leider nicht bei lovefilm/amazon erhältlich :(

Re: Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Mo 24. Mär 2014, 13:25
von jogiwan
Dank dir für die schöne Vorstellung! Der Streifen ist wohl nicht nur - aber vor allem wegen Marisa eine Sichtung wert! :nick:

Re: Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Mo 24. Mär 2014, 14:45
von karlAbundzu
und mit so einem schönen Lied, ich wußte gar nicht, dass er für einen Film genutzt wurde, hörenswert.
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Der Film klingt echt gut und die Bilder versprechen was.

Re: Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Mo 24. Mär 2014, 18:42
von Prisma
Ist schon schade, dass der Film so unbekannt ist, denn er ist wirklich hervorragend. Außerdem sieht man Marisa Mell tatsächlich in einer ihrer besten, oder sagen wir mal ausgefeiltesten Rollen. Aber die Yo stelle ich auch noch etwas genauer vor.
"Dis à ton Capitaine" gefällt mir auch richtig gut, habe ich in letzter Zeit oft gehört. France Gall hat allerdings keinen Gastauftritt, man hört sie im Hintergrund in einer Kneipe, während sich Bruno Cremer die Werbeplakate von Marisa Mell betrachtet.

Re: Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Di 25. Mär 2014, 10:01
von buxtebrawler
Schöner Einstand hier, Prisma - danke und weiter so! :thup:

Re: Die Paras - Goldraub in der Luft - Pierre Schoendoerffer (1966)

Verfasst: Mi 26. Mär 2014, 12:38
von Prisma

MARISA MELL als YO
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Marisa Mell hat geschrieben:»Marisssa, wie ist deine Französisch? Genauso Scheisssse, wie es deine Englisch war?«
»Oui, merci«, sagte ich, als mich Steffi, meine Agentin, wieder einmal aus München anrief.
»Was, oui merci?« fragte sie.
»Das ist mein Französisch. Mehr kann ich nicht. Warum?«
Es war wieder die gleiche Situation wie damals mit Ken Russell und meinem Englisch. Ich sollte wieder eine Hauptrolle spielen, und mein Partner sollte Jean Marais sein.
»Gage guttt, nur Rolle komplett französisch, Scheisssse was?« Steffis Stimme klang leicht resigniert.
»Sag' zu, Steffi, sag' einfach zu!« sagte ich wieder wie damals.
»Und Französisch, ha? Ohne Akzent, ha?« fragte sie hämisch.
»Ohne Akzent spreche ich sowieso, aber leider kein Französisch« gab ich ihr zur Antwort. »Und diesmal habe ich nicht einmal eine Freundin, die mich doublen könnte. Aber weißt du was, Steffi, sag' einfach zu.«
Es entstand eine lange Pause, dann kam die Antwort: »Na schön, sag' ich zu, aber alle Heiligen mögen mit dir sein, Marissssa!« (aus "Coverlove"
)
Und es sollte wahr werden. Zumindest bei ihren zwei französischen Filmen "Train d' Enfer" und "Objectif: 500 Millions" scheinen alle Heiligen mit Marisa Mell gewesen zu sein, als ihre Agentin Steffi Jovanović zusagte. Nicht nur, dass sie bis zur Deadline ihre sprachlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte, nein, man kann sie auch in zwei qualitativ sehr hochwertigen Filmen bestaunen, die sich in ihrer Schaffensperiode von so manch eigentümlicher Produktion abheben. In "Goldraub in der Luft" stellte Marisa Mell zweifellos eine ihrer interessantesten Frauenfiguren überhaupt dar, denn Yo scheint von Anfang bis Ende ein Rätsel zu sein. Überhaupt bediente Schoendoerffer sich in seinem Film einer interessanten Abgrenzungstaktik, da die Protagonisten zwar miteinander arbeiten und auch gewisse Berührungspunkte offenbaren, aber dennoch eigenartig isoliert voneinander zurückbleiben. Yo ist ein Fotomodell, deren Werbeplakate und Banner man dem Empfinden nach in der ganzen Stadt aufspüren kann. Sie hat Fotostrecken in Zeitungen, nimmt an Shootings teil und Männer sollten ihr zu Füßen liegen, so dass man meinen könnte, sie habe das erreicht, wovon viele nur zu träumen wagen. Dennoch strahlt sie eine eigenartige Leere und Lethargie aus, so dass sie sich auf die Suche begibt, ein anderes Level zu erreichen.

Dieser Griff nach den Sternen wird im Film durch einem äußerst ruhigen Aufbau geschildert, bei dem hauptsächlich das Handeln der Beteiligten transparent erscheint. Nur in Situationen, in denen Yo und auch Reichau alleine sind, sich also unbeobachtet fühlen, kann man die inneren Abgründe erahnen und ganz kurz in sie hineinschauen. Marisa Mell setzt insgesamt nicht nur schauspielerisch, sondern erneut optisch gesehen deutliche Ausrufezeichen, denn sie wirkt elegant, anziehend und geheimnisvoll. Andererseits spielt sie auch mit ihrer Eitelkeit, wenn sie sich hochmütig vor dem Spiegel fixiert, oder sich ihre eigenen Fotos, die großräumig in ihrer Wohnung an der Wand hängen, begutachtet. Es scheint, als wolle sie sich sagen, dass dies alles bald ein Ende hat, und sie einem besseren Leben entgegen sieht, wobei besser lediglich heißt, dass es komplett auf ihre Sehnsüchte und Wünsche abgestimmt sein soll. Überhaupt ist sie hier gestochen scharf inszeniert worden; ein Rundumpaket das in jeder einzelnen Facette überzeugend wirkt, und angesichts der Intention der Rolle vollkommen aufgeht. Durch die Garderobe, die stets wechselnden Ensembles und die ohnehin strahlende Schönheit von Yo entstehen Bilder, die definitiv in Erinnerung bleiben werden.