Die Sendung der Lysistrata - Fritz Kortner (1961)
Verfasst: Fr 11. Apr 2014, 19:25
Barbara Rütting Romy Schneider Karin Kernke in
DIE SENDUNG DER LYSISTRATA (1961) [TV]
mit Ruth-Maria Kubitschek, Hertha Worell, Ursula Graeff, Ulrich Haupt, Wolfgang Kieling, Karl Lieffen, Peter Arens, Willi Reichert, Franz Schafheitlin, u.a.
eine Gemeinschaftsproduktion des NWRV-Hamburg | Gyula Trebitsch | im Auftrag des NDR | im Europa Filmverleih
ein Fernsehspiel nach Motiven von Aristophanes
ein Film von Fritz Kortner
»Von Natur aus bin ich Pazifist aber diese Frau hat mich militant gemacht!«
Die Schauspielerin Agnes Salbach (Barbara Rütting) hat zu der TV-Ausstrahlung eines Theater-Stückes, in dem sie die Hauptrolle spielt, drei Ehepaare eingeladen. Die Gastgeberin und ihr Mann (Wolfgang Kieling), der ein Doktor der Chemie ist, ahnen noch nicht, was die Konstellation mit sich bringen wird, denn private Probleme und Konfrontation überschatten den Abend. Zu den Gästen zählen Uschi Hellwig (Romy Schneider), die ebenfalls eine Rolle in dem Stück interpretiert, und ihr Mann (Karl Lieffen), Dr. Salbachs Vorgesetzter Kienast (Franz Schafheitlin) nebst Gattin (Hertha Worell) und das Ehepaar Hellinger (Ursula Graeff und Ulrich Haupt). Das Fernsehspiel ist in der Antike angesiedelt, als Athen und Sparta sich im Krieg befinden. Lysistrata (Barbara Rütting) ruft die Frauen aller Schichten dazu auf, sich ihren Männern sexuell zu verweigern, um sie damit zum Frieden zu zwingen. Der Kampf der Geschlechter scheint sich derweil auf die Gäste zu übertragen und im Wohnzimmer der Salbachs kommt es zum Eklat, denn unterschiedliche Ansichten prallen aufeinander...
»Nie soll ein Buhler noch ein Ehemann, mir nahen hochgepeitscht vor Lust. Zu Hause will ich sitzen unberührt, im gelben Schal, geschminkt und schön geputzt., will meinen Mann in helle Flammen setzen, und nie so viel an mir mich ihm ergeben. Und wenn er mit Gewalt mich zwingen will, verderbe ich ihm den Spaß und rühr' mich nicht. Gelobe auch sonst wachsam darauf zu achten, durch Liebesspiel und Getändel ihn zwar zu locken, doch nicht Erfüllung ihm zu bringen!«
Mit "Die Sendung der Lysistrata" inszenierte Theater-Regisseur Fritz Kortner erstmalig einen Film für das Fernsehen. Der fertige Film sollte unmittelbar vor seiner geplanten, bundesweiten Aufführung in der ARD für heftige Kritik sorgen, insbesondere in konservativ geführten Bundesländern, da man den Stoff als moralisch und politisch zweifelhaft einstufte. Konservative Literaturkritiker prangerten das Fernsehspiel beispielsweise als »eine einzige Obszönität« an. Mit einem Produktionsbudget von weit über 500000 D-Mark wäre ein Verzicht der Ausstrahlung allerdings ein Desaster gewesen, und so entschieden sich beinahe alle Fernsehanstalten doch dafür, den Zuschauern das Fernsehspiel (mit einer FSK-Freigabe von 18) nicht vorzuenthalten. Lediglich in Bayern kam es am 17.01.1961 zu keiner Fernseh-Ausstrahlung, so dass der Europa-Filmverleih ihn in wenige Kinos brachte. Die Uraufführung im TV erfolgte im Freistaat erst im Jahre 1975. Der große Rummel der seinerzeit veranstaltet wurde, ist heute kaum mehr nachzuvollziehen, jedoch hat das Stück nach Aristophanes' Vorlage eigentlich wenig an Sinnhaftigkeit verloren.
Ein großer Coup für die Produktion war die Verpflichtung von Romy Schneider, die längst hart an ihrem Image-Wechsel arbeitete, und in dieser Arbeit wohl eine unmittelbare Chance gesehen haben muss, sich weiter freizuschwimmen. Bemerkenswert ist ihre Partizipation auch alleine schon deswegen, weil sich die Schauspielerin unlängst am französischen Kino orientierte, und sie sich damit, für viele quasi unversöhnlich, vom deutschen Film verabschiedete. Filmhistorisch betrachtet, ist "Die Sendung der Lysistrata" ein gutes Beispiel dafür, wie eine Produktion zu einer Art Pulverfass hochstilisiert werden kann, wobei man vermuten könnte, dass es ohne viel Aufhebens und Medienrummel sicherlich keinen übergroßen Stein des Anstoßes gegeben hätte. Rückblickend thematisiert Fritz Kortners Beitrag also nicht nur eine Geschichte, über die man einfach nicht derartig offensiv zu sprechen hat, sondern vor allem verteilt er immer wieder deutliche Seitenhiebe gegen die kontrakten Strukturen im Wirtschaftswunderland, holt aber im Großen und ganzen noch wesentlich globaler aus. Wenn man das frühe Produktionsjahr berücksichtigt, kann man den heute eher unsichtbar wirkenden Zündstoff stellenweise verspüren, wenn auch nur noch vage. Letztlich geht es um nichts anderes als um die Moral von der Geschicht', und jedem schmeckt sie erfahrungsgemäß nicht.
»Denn ein Orakel sagt wir siegen, wenn wir einig bleiben! Und wenn wirs nicht sind wird man uns schelten, lüstern seien wir und geil. So wird es heißen...«
Das eigenwillige an der Inszenierung bleibt das raffinierte Spiel mit der Realität. Man trifft sich, um das Fernsehspiel anzusehen, etliche Probleme werden thematisiert und diese scheinen im Verlauf von der der "Lysistrata"-Vorstellung reflektiert zu werden, Realität und Gespieltes scheinen sich zu vermischen und schließlich nicht mehr voneinander abgegrenzt zu sein. Den Herrschaften im Wohnzimmer wird quasi ein Spiegel vorgehalten, und auf die Konfrontation mit den eigenen Schwächen, Fehlern oder auch verborgenen Wünschen und Sehnsüchten scheint niemand dort gefasst gewesen zu sein. Emotionen kochen hoch, Impulsivität schlägt sich durch und Resignation schwappt über. Interessant dabei ist, dass sowohl die antiken, als auch die realen Sequenzen für den Zuschauer natürlich gespielt bleiben, allerdings für die Beteiligten jeweils greifbar und authentisch werden. So bekommt man also einen der seltenen Fälle einer Inszenierung geboten, die nicht nur einen doppelten, sondern gleich einen dreifachen Boden transportieren möchte.
Dass dieses Konzept sehr ansprechend und gefühlt innovativ aussieht, heißt aber nicht gleichzeitig, dass man bei der Ausarbeitung diverse Abstriche machen muss. Zunächst setzt die Lyrik, sprich, die sprachlichen Klippen, schon sehr zu, so dass eine hohe Aufmerksamkeit abverlangt wird. Die Übergänge der jeweiligen Sequenzen sind zwar flüssig zu Stande gebracht worden, dennoch kommt insbesondere bei den Antik-Szenen immer wieder eine gewisse Langatmigkeit auf, die in Verbindung mit den Dialogen durchaus zäh werden können. Hervorgehoben muss allerdings das variable Schauspiel vor allem der Darsteller, die in beiden Sequenzen auftauchen. Besonders sie machen diese TV-Produktion erst richtig interessant, aber darauf komme ich später noch einmal zurück. Obwohl die Umsetzung für heutige Begriffe doch schon etwas angestaubt wirkt, aber Zeit bezogen einen kleineren bis mittleren Skandal auslösen konnte, hat die Thematik nichts an Aktualität und Brisanz verloren. Die Handschrift des klassischen Theater-Regisseurs Fritz Kortner zieht sich jedenfalls wie ein roter Faden durch "Die Sendung der Lysistrata", und es kann eine Weile dauern, bis man sich darauf einlassen kann, was natürlich auch nicht der Fall sein muss. Entstanden ist somit kein verkanntes Meisterwerk, aber eine wirklich interessante Variante der kritischen TV-Beiträge, die versuchen, einen Mittelweg zwischen Unterhaltung und Anspruch zu finden.
»Nie soll ein Buhler noch ein Ehemann, mir nahen hochgepeitscht vor Lust. Zu Hause will ich sitzen unberührt, im gelben Schal, geschminkt und schön geputzt., will meinen Mann in helle Flammen setzen, und nie so viel an mir mich ihm ergeben. Und wenn er mit Gewalt mich zwingen will, verderbe ich ihm den Spaß und rühr' mich nicht. Gelobe auch sonst wachsam darauf zu achten, durch Liebesspiel und Getändel ihn zwar zu locken, doch nicht Erfüllung ihm zu bringen!«
Mit "Die Sendung der Lysistrata" inszenierte Theater-Regisseur Fritz Kortner erstmalig einen Film für das Fernsehen. Der fertige Film sollte unmittelbar vor seiner geplanten, bundesweiten Aufführung in der ARD für heftige Kritik sorgen, insbesondere in konservativ geführten Bundesländern, da man den Stoff als moralisch und politisch zweifelhaft einstufte. Konservative Literaturkritiker prangerten das Fernsehspiel beispielsweise als »eine einzige Obszönität« an. Mit einem Produktionsbudget von weit über 500000 D-Mark wäre ein Verzicht der Ausstrahlung allerdings ein Desaster gewesen, und so entschieden sich beinahe alle Fernsehanstalten doch dafür, den Zuschauern das Fernsehspiel (mit einer FSK-Freigabe von 18) nicht vorzuenthalten. Lediglich in Bayern kam es am 17.01.1961 zu keiner Fernseh-Ausstrahlung, so dass der Europa-Filmverleih ihn in wenige Kinos brachte. Die Uraufführung im TV erfolgte im Freistaat erst im Jahre 1975. Der große Rummel der seinerzeit veranstaltet wurde, ist heute kaum mehr nachzuvollziehen, jedoch hat das Stück nach Aristophanes' Vorlage eigentlich wenig an Sinnhaftigkeit verloren.
Ein großer Coup für die Produktion war die Verpflichtung von Romy Schneider, die längst hart an ihrem Image-Wechsel arbeitete, und in dieser Arbeit wohl eine unmittelbare Chance gesehen haben muss, sich weiter freizuschwimmen. Bemerkenswert ist ihre Partizipation auch alleine schon deswegen, weil sich die Schauspielerin unlängst am französischen Kino orientierte, und sie sich damit, für viele quasi unversöhnlich, vom deutschen Film verabschiedete. Filmhistorisch betrachtet, ist "Die Sendung der Lysistrata" ein gutes Beispiel dafür, wie eine Produktion zu einer Art Pulverfass hochstilisiert werden kann, wobei man vermuten könnte, dass es ohne viel Aufhebens und Medienrummel sicherlich keinen übergroßen Stein des Anstoßes gegeben hätte. Rückblickend thematisiert Fritz Kortners Beitrag also nicht nur eine Geschichte, über die man einfach nicht derartig offensiv zu sprechen hat, sondern vor allem verteilt er immer wieder deutliche Seitenhiebe gegen die kontrakten Strukturen im Wirtschaftswunderland, holt aber im Großen und ganzen noch wesentlich globaler aus. Wenn man das frühe Produktionsjahr berücksichtigt, kann man den heute eher unsichtbar wirkenden Zündstoff stellenweise verspüren, wenn auch nur noch vage. Letztlich geht es um nichts anderes als um die Moral von der Geschicht', und jedem schmeckt sie erfahrungsgemäß nicht.
»Denn ein Orakel sagt wir siegen, wenn wir einig bleiben! Und wenn wirs nicht sind wird man uns schelten, lüstern seien wir und geil. So wird es heißen...«
Das eigenwillige an der Inszenierung bleibt das raffinierte Spiel mit der Realität. Man trifft sich, um das Fernsehspiel anzusehen, etliche Probleme werden thematisiert und diese scheinen im Verlauf von der der "Lysistrata"-Vorstellung reflektiert zu werden, Realität und Gespieltes scheinen sich zu vermischen und schließlich nicht mehr voneinander abgegrenzt zu sein. Den Herrschaften im Wohnzimmer wird quasi ein Spiegel vorgehalten, und auf die Konfrontation mit den eigenen Schwächen, Fehlern oder auch verborgenen Wünschen und Sehnsüchten scheint niemand dort gefasst gewesen zu sein. Emotionen kochen hoch, Impulsivität schlägt sich durch und Resignation schwappt über. Interessant dabei ist, dass sowohl die antiken, als auch die realen Sequenzen für den Zuschauer natürlich gespielt bleiben, allerdings für die Beteiligten jeweils greifbar und authentisch werden. So bekommt man also einen der seltenen Fälle einer Inszenierung geboten, die nicht nur einen doppelten, sondern gleich einen dreifachen Boden transportieren möchte.
Dass dieses Konzept sehr ansprechend und gefühlt innovativ aussieht, heißt aber nicht gleichzeitig, dass man bei der Ausarbeitung diverse Abstriche machen muss. Zunächst setzt die Lyrik, sprich, die sprachlichen Klippen, schon sehr zu, so dass eine hohe Aufmerksamkeit abverlangt wird. Die Übergänge der jeweiligen Sequenzen sind zwar flüssig zu Stande gebracht worden, dennoch kommt insbesondere bei den Antik-Szenen immer wieder eine gewisse Langatmigkeit auf, die in Verbindung mit den Dialogen durchaus zäh werden können. Hervorgehoben muss allerdings das variable Schauspiel vor allem der Darsteller, die in beiden Sequenzen auftauchen. Besonders sie machen diese TV-Produktion erst richtig interessant, aber darauf komme ich später noch einmal zurück. Obwohl die Umsetzung für heutige Begriffe doch schon etwas angestaubt wirkt, aber Zeit bezogen einen kleineren bis mittleren Skandal auslösen konnte, hat die Thematik nichts an Aktualität und Brisanz verloren. Die Handschrift des klassischen Theater-Regisseurs Fritz Kortner zieht sich jedenfalls wie ein roter Faden durch "Die Sendung der Lysistrata", und es kann eine Weile dauern, bis man sich darauf einlassen kann, was natürlich auch nicht der Fall sein muss. Entstanden ist somit kein verkanntes Meisterwerk, aber eine wirklich interessante Variante der kritischen TV-Beiträge, die versuchen, einen Mittelweg zwischen Unterhaltung und Anspruch zu finden.