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Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 13:15
von jogiwan
Die Reise ins Glück

Bild

Originaltitel: Die Reise ins Glück

Herstellungsland: Deutschland / 2004

Regie: Wenzel Storch

Darsteller: Jürgen Höhne, Jasmin Harnau, Holger Müller, Jörg Buttgereit

Story:

Kapitän Gustav will sich mit seinem Schneckenschiff zur wohlverdienten Ruhe setzen. Mit seiner bunt zusammen gewürfelten Mannschaft aus Mensch und Tier, zu der neben zahlreichen Eingeborenen auch ein Bär, eine Eule und fünf Frösche gehören, strandet er an einer geheimnisvollen Insel. Voller Freude bereitet man sich auf den Landgang vor, denn noch ahnt niemand an Bord, dass im Herzen der Insel ein böser König haust… (quelle: cover)

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 13:20
von Reinifilm
Lief seinerzeit auf dem ersten Badmovies-Treffen - ein Knaller vor dem Herrn!
Max Raabe singt als Schwarzer (schlecht) verkleidet "Tellerlip Girl", eine Riesenschnecke hat Sex mit einem Kirchturm, Kinder werden angepinkelt... und das ist nur ein kleiner Ausschnitt - der Film schlug ein wie eine Bombe! :mrgreen:

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Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 13:23
von jogiwan
ich schrieb vor vielen Jahren und voller Begeisterung:

"Die Reise ins Glück" ist ein sehr fantasievoller und vollkommen skurriler Underground-Film seltsamer Story, der einen Sch… auf herkömmliche Konventionen gibt und der, obwohl er sich vordergründig ganz niedlich und brav gibt, vollkommen am Mainstreamkino vorbeischrammt. Denn wenn Wenzel Storch seine Darsteller auf die Menschheit loslässt, Bären Klavierspielen und Schnecken Kirchenhäuser vergewaltigen lässt, dann bleibt ohnehin kein Auge trocken. Ablehnende Reaktionen sind da genauso vorprogrammiert, wie auch Publikumspreise und sonstige Sympathiebekundungen. Sicherlich hätte man mit großen Budget und professionellen Darstellern einiges anders und vielleicht auch besser machen können, aber angesichts der mehrjährigen Entstehungsweise und den Produktionsbedingungen hätte man wohl kein besseres Ergebnis erreichen können. Eine knallbunte Odyssee erdacht und realisiert von einem positiv durchgeknallten Regisseur, in dem sprechende Tiere und Augsburger Puppenkiste genauso ihren Platz finden wie pissende Propagandaminister und platzende Köpfe. Hier fügt sich das Schöne zum Geschmacklosen, das Skurrile zum Süßen und schlussendlich triumphiert das Gute über das Böse. Genauso wollen wir das sehen und auch das in letzter Zeit etwas überstrapazierte Wort “Kultfilm” findet da wohl seine Berechtigung.

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 15:53
von supervillain
jogiwan hat geschrieben: Sicherlich hätte man mit großen Budget und professionellen Darstellern einiges anders und vielleicht auch besser machen können, aber angesichts der mehrjährigen Entstehungsweise und den Produktionsbedingungen hätte man wohl kein besseres Ergebnis erreichen können.
Ich finde professionellere Darsteller hätten dem Film geschadet. „Die Reise ins Glück“ lebt von seinen groben Kanten. So wie er ist, ist er für mich perfekt. Und überhaupt, ist der absolute Perfektionismus überhaupt erstrebenswert?
Doch dein Satz war ja nur im Konjunktiv gesprochen, somit kann ich dem ganzen Inhalt 100%ig zustimmen. ;)

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 15:55
von jogiwan
professionell heißt ja nicht gleich besser und perfekt ist ohnehin langweilig!

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 15:57
von supervillain
Reinifilm hat geschrieben:Lief seinerzeit auf dem ersten Badmovies-Treffen - ein Knaller vor dem Herrn!
Max Raabe singt als Schwarzer (schlecht) verkleidet "Tellerlip Girl", eine Riesenschnecke hat Sex mit einem Kirchturm, Kinder werden angepinkelt... und das ist nur ein kleiner Ausschnitt - der Film schlug ein wie eine Bombe! :mrgreen:

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This Sound is very hip! :D Absoluter Burner!

Zum Thema angepinkelte Kinder ein paar Off Sprecher Texte aus der Feder von Christian Keßler:

„Der Harndrang der Minister war im ganzen Land bekannt“
(…)
„Der tiefe Schlaf der Kapitänskinder wird jäh unterbrochen, durch einen linden Frühlingsregen“.
Währenddessen sieht man die Minister mit dem Ausspruch „Morgenstund hat Gold im Mund“ auf die Kinder urinieren. Brillant.

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 15:58
von supervillain
jogiwan hat geschrieben:professionell heißt ja nicht gleich besser und perfekt ist ohnehin langweilig!
So ist es! :thup:

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: Mo 28. Apr 2014, 10:05
von karlAbundzu
Wow, hier stimmt doch mal der Begriff abgefahren, um nicht zu sagen: polymorph pervers.
Die Mannschaft des Schneckenschiffes besteht aus Tieren und "ausgestorbene Eingeborene". Die Tiere werden voice-over gesprochen (der erste Offizier, ein echter Bär, von Harry Rowohlt), und die Farbigen haben einen wunderbaren Song von Max Raabe!
Bei der königlichen Inselgesellschaft in schönen Phantasie Rokoko Kostümen hüpft auch Jörg Buttgereit mit, der wohl auch bei den sfx half.
Allein die Ausstattung des Schneckenschiffs und des Schlosses. Da kann man sich stundenlang sattsehen, goldangesprühte Spaghetti-Gabeln an der Wand, hier was und dort was. In seiner Surrealität erinnert es an die 80ern Der Plan / Rainer Kirberg Filme, in seinem Humor an die besten Sachen der Titanic in den 90ern.
Alleinstehend und fast unvergleichlich ist er hier in seinen Stop Motion Animationen die wirklich toll sind. Wie zum Beispiel die dem Making of titelgebende Szene. Oder dieser Roboter. Oder die Schneemann-Orakel-Anfangsszene.
Auch interessant: Haufenweise Urinierszenen, sieht man ja sonst eher selten. Durch Wenzels Vorerzählen weiß man da auch die Inspirationsquelle. Ebenso über die Machart.
Was aber auch eine der Schwächen der Filme aufzeigt: Die Macher ließen sich von ihren spontan leiten und zimmerten dann die Story dazu, eine sich durchziehende Dramaturgie gibt es nicht so recht. Das mag auch mit der 10 Jahre langen Produktionszeit zusammenhängen. Zweite Schwäche, die meisten Tiere haben dann doch eine allzuhafte klischeeige Stimme.
Aber marginal: das macht alles so viel Spaß. Und dann noch die Erzählerstimme, die mich in selige Kinderhörspielzeiten zurückschickte.
Sowieso alles märchenhaft, aber weit weg von den ard versuchen in letzter Zeit, den alten Grimmschen Atem einzuhauchen.
Alles in allem ganz tolles Undergroundkino!

Re: Die Reise ins Glück - Wenzel Storch (2004)

Verfasst: So 7. Mai 2017, 09:44
von jogiwan
Nach Wenzel Storchs „Sommer der Liebe“ dauerte es zwölf Jahre bis sein bisheriges Meisterwerk „Die Reise ins Glück“ erscheinen sollte und die Zeit wurde wohl wieder dazu genutzt um die Sperrmüllhalden dieser Welt nach verwertbaren Requisiten abzuklappern. Herausgekommen ist ein vor Fantasie überbordender Streifen über den herzensguten Kapitän eines Schneckenschiffes, der mit seiner Familie die Welt bereist um den Menschen aus den verschiedenen Ecken der Erde Gutes zu tun. Dabei ist „Die Reise ins Glück“ nicht minder durchgeknallt als „Sommer der Liebe“ bietet aber dazu noch die bessere Geschichte in der auch alles seinen Platz hat. Von sprechenden Tieren und bösen Propaganda-Ministers, explodierenden Köpfen bis hin zu Zeitreisen ist hier auch alles vertreten und macht „Die Reise in Glück“ zu einem knallbunten und vollkommen einzigartigen Trip in die Gedankenwelt des Wenzel Storchs, der sich hier seinen Ruf als unkonventionellster Regisseur Deutschlands zementiert. Was hier auf den Zuschauer wartet lässt sich auch kaum in Worte fassen und zählt zu den schönsten Erfahrungen, die ich im Laufe meiner langjährigen Leidenschaft zu Filmen erleben durfte. Wie Wenzel Storch so einen Trip wie „Die Reise ins Glück“ noch toppen möchte ist zwar fraglich, aber dennoch kann ich es kaum erwarten, irgendwann einmal die Antwort auf diese Frage zu erfahren.