Darsteller: Robert De Niro, Chazz Palminteri, Lillo Brancato, Francis Capra, Taral Hicks, Kathrine Narducci, Joe Pesci, Joe D'Onofrio, Clem Caserta, Alfred Sauchelli Jr., Frank Pietrangolare, Robert D'Andrea u. A.
Die Bronx in den 60er Jahren: Calogero liebt seinen Vater, den grund-anständigen Busfahrer Lorenzo (Robert De Niro). Aber er bewundert auch den charismatischen Mafiaboss Sonny (Chazz Palminteri). Eines Tages sieht der Junge, wie Sonny einen Mord begeht, verrät ihn aber nicht an die Polizei. Der Verbrecher nimmt Calogero daraufhin unter seine Fittiche...
Re: In den Straßen der Bronx - Robert De Niro (1993)
Verfasst: Di 29. Apr 2014, 14:26
von buxtebrawler
„Ich hatte etwas Gutes für einen bösen Menschen getan!“
Das Regie-Debüt des in Mafia-Milieus spielenden Filmen erfahrenen US-Schauspielers Robert De Niro ist der 1993 veröffentlichte „In den Straßen Bronx“, dessen halb-autobiographisches Drehbuch aus der Feder von Chazz Palminteri alias Calogero Lorenzo Palminteri stammt und auf einem seiner Theaterstücke basiert. Angesiedelt wurde die Handlung im New Yorker Stadtteil Bronx in den 1960er-Jahren, einer Zeit, in der sich der Lebensstandard der Bronx zu verschlechtern begann. Der Film ist eine Mischung aus Mafia- und Coming-of-Age-Drama.
Der neunjährige Calogero (Francis Capra, „Punk!“) lebt in der Bronx zusammen mit seinen Eltern, italienischen Einwandern, in einer bescheidenen Wohnung inmitten eines vornehmlich von italienischstämmigen Migranten besiedelten Viertels. Sein Vater Lorenzo (Robert De Niro, „Taxi Driver“) verdient als Busfahrer die Brötchen und möchte mit der örtlichen Mafia um ihr Oberhaupt Sonny ( Chazz Palminteri, „Bloody Marie – Eine Frau mit Biss“) nichts zu tun haben. Als Sonny jedoch auf offener Straße einen Mann erschießt, sieht der kleine Calogero das mit an und hält bei der anschließenden Gegenüberstellung durch die Polizei instinktiv dicht. Sonny ist Calogero dafür dankbar und wird, sehr zum Unmut Lorenzos, zu einer Art Ziehvater für den Kleinen, der fasziniert zu Sonny aufblickt und sich über die Verbote seiner Eltern hinwegsetzt. Als 17-Jähriger schließlich lernt er ein afroamerikanisches Mädchen (Taral Hicks, „Im Sumpf des Verbrechens“) kennen und verliebt sich in sie – woraufhin er den Rassismus zwischen den Schwarzen und Weißen in der Bronx am eigenen Leibe zu spüren bekommt…
Talent ist ungerecht verteilt. So entpuppt sich der erstklassige Schauspieler Robert De Niro auch noch als überaus fähiger Regisseur und spielt in seinem Debüt selbst eine größere Rolle – ebenso wie Drehbuchautor Palminteri, dem eine der Hauptrollen zuteil wurde. Zu nächtlichen Bildern der Bronx erzählt eine Stimme aus dem Off, stellt ihren Stadtteil und schließlich sich selbst vor. Zu Doo-Wop-Musik zeigt „In den Straßen der Bronx“ vergnügte Bilder scheinbar unbeschwerter Jugend auf der Straße und die Bekanntmachung des Zuschauers mit dem Viertel und seiner Bewohner fällt zunächst humoristisch aus. Das Leben in der Bronx wird aus Sicht der Kinder gezeigt, die zu Mafioso Sonny aufblicken, der der Atmosphäre des Films ihre Unbeschwertheit mit seinen Todesschüssen nimmt. Auch auf den schwelenden Rassenkonflikt Italo-Amerikaner gegen Afro-Amerikaner wird am Rande eingegangen, womit die anfängliche Fassade der Idylle weitere Risse erhält. Bestehen bleibt nichtsdestotrotz eine wunderbar authentische 1960er-Atmosphäre voller Zeitkolorit, ohne in verklärende Sentimentalität zu verfallen.
Vater und Busfahrer Lorenzo will sauberbleiben und lehnt ihm angebotene kleine Jobs für die Mafia rigoros ab. Damit wird ihm die Rolle des hart arbeitenden, ehrlichen Malochers zuteil, der in seinem simplen Gemüt auf seinen Idealen verharrt und somit den perfekten Gegenentwurf zum Lebenswandel Sonnys darstellt. Calogero wächst zwischen diesen beiden Polen auf, während das Drehbuch sich davor hütet, einen von beiden zu idealisieren. Ein Zeitsprung ins Jahr 1968 läutet Calogeros Darstellerwechsel von Francis Capra zu Lillo Brancato („Der Staatsfeind Nr. 1“) ein und zeigt nun zu mitreißender Rock’n’Roll und Soul-Musik einen Jugendlichen, der nach wie vor engen freundschaftlichen Kontakt zu Sonny hegt, aber auch Teil einer eigenen Clique von juvenilen Radaubrüdern ist und sich für das andere Geschlecht zu interessieren beginnt. Sonny nimmt noch immer eine Art Vaterrolle für Calogero ein, die nun wichtiger wird als zuvor, wenn er seinen Ziehsohn davor warnen muss, gemeinsamen gefährlichen Unfug mit der Clique zu begehen – von der er so gar nichts hält. Offen tritt nun auch der Rassismus zutage, der es Calogero erschwert, eine Beziehung zur Afro-Amerikanerin Jane aufzubauen. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in erschreckendem Ausmaße und die allgemeine Stimmung wird immer angespannter. Ihre Entladungen finden sich beispielsweise auch in einer Massenschlägerei zwischen respektlosen Bikern und den Mafiosi in ihrer Kneipe.
„In den Straßen der Bronx“ zeichnet ein angenehm unaufgeregtes und vielschichtiges Bild des Mafioso Sonny. Jegliche Romantisierungen sind dem Drehbuch fremd, doch wird suggeriert, dass Sonny eine Ordnungs- und Schutzfunktion im Viertel einnimmt, das der Polizei grundsätzlich mehr zu misstrauen scheint als ihm und das am liebsten unter sich bleibt (woran Calogero zu kratzen beginnt). Auf der anderen Seite wird deutliche Kritik an Sonny laut, einem Großkotz, vor dem die Menschen mehr Angst als Respekt haben und der niemanden vertrauen kann. Er hat einige interessante Lebensweisheiten parat, doch scheint ihm eine grundsätzlich zynische, desillusionierte Weltsicht zugrunde zu liegen. Letztlich muss auch er die Konsequenzen für sein Handeln tragen, womit der Film eine Brücke zum Beginn schlägt.
Wer einen Gangster-Action-Thriller oder großangelegte Mafia-interne Familiendramen erwartet, ist hier falsch. Vielmehr gelang Robert De Niro und Chazz Palminteri ein einfühlsames, dabei vollkommen kitschfreies und klischeearmes Porträt eines bestimmten Menschenschlags einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort und erzählt glaubwürdig eine Geschichte vom (eigenen) Erwachsenwerden, die so fantastisch geschauspielert und interessant gestaltet wurde, dass sie den Zuschauer rund zwei Stunden lang für sich vereinnahmt und ihn dabei mit viel italienischer bzw. italo-amerikanischer Lebensart vorzüglich unterhält. „In den Straßen der Bronx“ ist eher ein Film der leiseren Zwischentöne, der Zeitgeist und Lebensgefühl mehr als eine plakative oder offensichtliche Aussage transportiert. Eine lohnenswerte Zeitreise!
Re: In den Straßen der Bronx - Robert De Niro (1993)
Verfasst: Mo 8. Nov 2021, 14:44
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 15.12.2021 bei Colours of Entertainment im Müller-Exklusivvertrieb noch einmal als Blu-ray/DVD-Kombination im auf 999 Exemplare limitierten Mediabook:
In-den-Strassen-der-Bronx-FSK02.jpg (173.24 KiB) 199 mal betrachtet