Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Moderator: jogiwan

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Il Grande Silenzio
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Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

The Touch of Evil.jpg
The Touch of Evil.jpg (274.11 KiB) 77 mal betrachtet

Filmdaten:

Originaltitel: Touch of Evil
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1958
Regie: Orson Welles
Darsteller: Charlton Heston, Janet Leigh, Orson Welles, Marlene Dietrich, u.a.


Handlung:

In einer kleinen Grenzstadt nahe Mexico macht der Drogenfahnder Vargas (Charlton Heston) mit seiner Frau Susan (Janet Leigh) Urlaub, als er in die Ermittlungen eines Bombenattentats hineingezogen wird, hinter dem ein Drogenbaron steckt. Der ansässige Polizeichef Quinlan (Orson Welles), ein Rassist, fälscht während der Untersuchung Beweise, um den Fall schnell vom Tisch zu kriegen, während man Vargas Frau Angst einjagen will. Doch die ist zäher, als man denkt und Vargas macht weiter, um zu klären, wie weit Quinlan in den Fall verstrickt ist...

Quelle: http://www.ofdb.de/film/13323,Im-Zeichen-des-Bösen
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Il Grande Silenzio
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Re: Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

Nach "Citizen Kane" ist "Im Zeichen des Bösen" wohl Orson Welles bester Film.

Inszenatorisch, wie nicht anders von Welles zu erwarten, ist dieser Thriller über alle Dinge erhaben. Kamera, Score und Darstellerleistungen liegen auf höchstem Niveau.

"Im Zeichen des Bösen" beginnt als einfacher Kriminalfilm, entwickelt sich aber schnell zum schmutzigen Psychoduell zwischen den beiden Ermittlern, dem integren Vargas (Heston) und dem umtriebigen, korrumpierten Quinlan (Welles).

Was dann folgt, soll hier nicht erzählt werden, anschauen und den (moralischen) Schlag in die Magengrube selbst abholen. :mrgreen:

Ein Meisterwerk des Film Noir, das dessen Regeln brach, und das zu Recht als eines der besten Werke der 50er Jahre gilt.

9,5/10
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Arkadin
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Re: Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von Arkadin »

Theoretiker hat geschrieben:Nach "Citizen Kane" ist "Im Zeichen des Bösen" wohl Orson Welles bester Film.
Ich sehe zwar "F für Fälschung" und "Glanz des Hauses Amberson" noch einen Tick weiter vorne, aber stimmt schon: Ein verdammt großartiger Film, dessen Eröffnungsequenz pure Kinomagie ist.
Früher war mehr Lametta
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karlAbundzu
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Re: Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von karlAbundzu »

Gab es da nciht auch zwei Fassungen? Ich erinner mich dunkel an ein WDR Doppel-Feature, der beide hintereinander zeigte. Ich fand beide so toll, das ich die noch ein paar mal hintereinander hätte sehen können.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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supervillain
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Re: Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von supervillain »

Es gibt 3 Fassungen:

- Kinofassung von 1958

- Previewfassung von 1958

- Director's Cut Fassung von 1998

+ den Director's Cut und die Kinoversion in zwei Formaten. Wenn man so will, also sogar 5 Fassungen, da sich die Wirkung auch durch das Format stark verändert.
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buxtebrawler
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Re: Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 23.07.2020 bei Koch Media noch einmal als Blu-ray/DVD-Kombination im Mediabook:

Bild

Extras:
3 Schnittfassungen, Trailer, Interviews, Featurettes, Galerie

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=103545
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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buxtebrawler
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Re: Im Zeichen des Bösen - Orson Welles (1958)

Beitrag von buxtebrawler »

„Ich hab' so ein eigenartiges Ticken im Kopf!“

Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Orson Welles („Die Lady von Shanghai“) letzter Hollywood-Spielfilm vor seinem Gang nach Europa war der 1958 veröffentlichte Film-noir-Kriminal-Thriller „Im Zeichen des Bösen“, dessen Entstehungsgeschichte bereits interessant ist: Universal wollte den Roman „Unfehlbarkeit kann tödlich sein“ Whit Mastersons (ein Pseudonym der Autoren Robert Wade und Bill Miller) verfilmen und ließ ihn von Paul Monash in eine erste Drehbuchfassung bringen. Welles war als Darsteller einer der männlichen Hauptrollen, der des Polizei-Captains Quinlan, vorgesehen. An den Regie-Job geriet Welles, so heißt es, durch ein Missverständnis: Als man Charlton Heston („Ben Hur“) die zweite männliche Hauptrolle anbot, glaubte er, dass Welles auch Regie führen würde. Daraufhin wurde Welles die Inszenierung anboten, der annahm und sogleich das Drehbuch umschrieb. Nach Fertigstellung des Films verkannten die Produzenten jedoch Welles‘ Schnittfassung, lehnten sie ab und griffen radikal in diese ein. Das Ergebnis wurde als B-Film aufgeführt und floppte. Welles verfasste daraufhin ein 58-seitiges Memorandum, in dem er seine Wunschfassung festhielt, die im Jahre 1998 posthum von Walter Murch restauriert wurde. Auf diese bezieht sich diese Besprechung.

„Sie haben viel zu viele Gangsterfilme gesehen!“

Im US-amerikanisch-mexikanischen Grenzort Los Robles werden der vermögende Unternehmer Linnekar und eine Stripperin Opfer eines tödlichen Bombenanschlags auf ihre Limousine, dessen Zeugen der mexikanische Drogenermittler Ramon Miguel Vargas (Charlton Heston) und seine frisch vermählte US-amerikanische Ehefrau Susan (Janet Leigh, „Düsenjäger“) sind. Das Attentat fällt in den Zuständigkeitsbereich des zynischen Polizei-Captains Hank Quinlan (Orson Welles), der die Zusammenarbeit mit dem integren Vargas scheut, obwohl Los Robles ein wahrer Moloch geworden ist. Vargas indes begegnet Quinlan und der Weise, mit der dieser zusammen mit Sergeant Pete Menzies (Joseph Calleia, „Gilda“) die Untersuchungen leitet, mit Skepsis. Offenbar zurecht: Mittels gefälschter Beweise will Quinlan den Freund Linnekars Tochter Marcia (Joanna Moore, „Der Zorn des Gerechten“), Manelo Sanchez (Victor Millan, „Giganten“), als Täter dingfest machen. Und als Susan in Gefahr gerät, wird Vargas immer tiefer in die Ereignisse des kriminellen Mikrokosmos und Hotspots Los Robles hineingezogen…

„Es gibt keine Zukunft mehr für dich. Du hast sie dir selbst genommen.“

Die legendäre Plansequenz zu Beginn, bei der die Kamera über drei Minuten lang ohne Schnitt über Los Robles schwebt und die in der Bombenexplosion jäh endet, war Überlieferungen zufolge eine Zangengeburt, rechtfertigt für sich genommen aber bereits das Ansehen des Films. Welles‘ Figur Quinlan wird als pessimistischer, zynischer und rassistischer Bulle mit tonnenweise Übergewicht eingeführt, der ein Bein nachzieht, trockener Alkoholiker ist und sich selbst nicht an das Gesetz gebunden fühlt. Also ein eindimensionales Arschloch? Oder jemand, unter dessen rauer Schale doch ein humanistischer Charakter verborgen liegt, den es freizuschälen gilt, da er einst unter persönlichen Krisen und Weltschmerz verschüttet wurde? Diese Frage (nach Klischeeerfüllung…) mag ein entsprechend interessiertes und empathisches Publikum zumindest eine Weile beschäftigen und ich hoffe, ich spoilere an dieser Stelle nicht zu viel, wenn ich schreibe, dass eine deftige Mordszene bis auf Weiteres klärt, was man von Quinlan zu halten hat.

„Im Zeichen des Bösen“ scheint also weniger von der Aufklärung eines Attentats als vielmehr vom Abstieg eines Bullen zu handeln, dem seine Wahrsagerin (in einer Gastrolle: Marlene Dietrich, „Zeugin der Anklage“) keinerlei Zukunft mehr zu bescheiden imstande war. Dennoch nehmen die Handlungen und Entwicklungen anderer Figuren ebenso viel Raum ein und etablieren neue Erzählstränge, wobei die Narration bisweilen eher verwirrend als spannungsgeladen ist. Zur Quintessenz des Films – ich muss spoilern, um ihm gerecht zu werden – wird letztlich: Quinlans eigenen Kapitalverbrechens zum Trotz stellt sich heraus, dass er mit seiner Intuition richtig lag: Im ursprünglich behandelten Kriminalfall um das Attentat entpuppt sich der von Quinlan beschuldigte Sanchez tatsächlich als Täter. Dieser Umstand verleiht seiner Figur die noir-typische Ambivalenz zwischen Gut und Böse, macht ihn zum zwar extrem fragwürdigen Antihelden, aber nicht ausschließlich zum Verbrecher im Polizeidienst. Andererseits stellt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser Art der Verbrechensaufklärung, wenn dafür Quinlan selbst zum Mörder wird und somit noch mehr Menschen ihr Leben lassen müssen – inkl. letztlich Quinlan selbst. Sie mutet absurd an. Dass Quinlan diesen Weg trotzdem wählt, deutet darauf hin, dass ihm angesichts seiner Frustration, Krankheit und Einsamkeit sein eigenes Dasein nicht mehr allzu wichtig erscheint; er kann schließlich kaum damit rechnen, dauerhaft mit dieser Form der „Polizeiarbeit“ durchzukommen. Dieser Umstand weist Parallelen zur Gewissheit der Endlichkeit der eigenen Existenz auf sowie zum Treffen existenzieller Entscheidungen. Die Gewalt ist derweil allgegenwärtig, nicht nur Quinlan bedient sich ihrer.

Die Kamera ist oft extrem nah an den Figuren, die auch häufig von schräg unten gefilmt werden, was sie bedrohlicher erscheinen lässt. Auch noir-typische schräge Perspektiven werden eingenommen oder zur Handkamera gegriffen. Und inmitten all dieser dadurch erzeugten tollen und von Henry Mancini musikalisch untermalten Bilder agieren ein gelackter Charlton Heston, als dieser noch ein Gewissen hatte, und ein Orson Welles mit Mut zur äußerlichen wie inneren Hässlichkeit. Für Heiterkeit sorgt lediglich Dennis Weaver („Sturm-Angst“) als Nachtportier und Comic Relief. Neben Dietrich absolvieren Zsa Zsa Gabor („In den Krallen der Venus“), Joseph Cotten („Der dritte Mann“) und Mercedes McCambridge („Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen“) Gastauftritte. Mit Quinlan als Anti-Held im Mittelpunkt und dem Aufgreifen zahlreicher typischer düsterer Charakteristika ist „Im Zeichen des Bösen“ einerseits klar dem Film noir zuzuordnen, andererseits aber auch ein besonders innovativer Vertreter seiner Zunft:

Neben dem Verzicht auf eine Femme fatale dürfte die Verwendung folkloristischer lateinamerikanischer Filmmusik ein Novum im Film noir gewesen sein. Auch die eröffnende, rund dreieinhalb Minuten lange, schnittfreie Kamerafahrt war eine Besonderheit, die sich zumindest in diesem Ausmaß und dieser Qualität in anderen Film-noir-Produktionen nicht finden lässt. Die komplizierte Erzählweise, in der die Rollenverteilung nicht von Anfang an leicht zu durchschauen ist, sorgt für Konfusionen, während andere Produktionen trotz Analepsen oder Zeitsprüngen wesentlich geradliniger erscheinen. Auch wird komplett auf einen Voice-over-Erzähler verzichtet. Von einer Motel-Szene Susans habe sich Hitchcock für „Psycho“ inspirieren lassen. Insbesondere die Schlusspointe, die die Filmmoral nachhaltig infragestellt, ist es aber, die sich von schablonenhafteren Noirs abhebt und in ihrem Zynismus unangenehm nachwirkt. Tatsächlich läuft mir persönlich manch „typischerer“ Film noir als gutgemachte Genrekost besser rein und nicht jede Innovation dieses Films würde ich als Verbesserung durchwinken.

Filmhistorisch hat er es im Laufe der Jahre jedoch zu jenem Ruhm gebracht, der ihm gebührt. Er wird als derjenige Spielfilm betrachtet, nach dem der klassische Film noir als auserzählt galt. Wir wissen, dass dieser jedoch alsbald als Neo-noir, vor allem aber als im Kriminal-, Gangster- und Thriller-Farbfilm nicht mehr wegzudenkendes Stilelement zurückkehrte. Welles indes schmiss die Brocken in den USA hin, denn es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass er derartige Probleme mit den Produzenten hatte und eines seiner Werke von Nieten in Nadelstreifen verunstaltet worden war. Wer wollte es ihm verdenken?

Meine Bewertung in Höhe von 7,5 von 10 gefälschten Beweisen ist Ausdruck meines persönlichen Geschmacks und soll die Bedeutung dieses Films nicht schmälern.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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