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Herstellungsland: Belgien / Frankreich / Luxemburg (2004)
Regie: Fabrice du Welz
Darsteller: Laurent Lucas, Jackie Berroyer, Philippe Nahon, Jean-Luc Couchard, Brigitte Lahaie, Gigi Coursigny, Philippe Grand'Henry, Jo Prestia, Marc Lefebvre, Alfred David, Johan Meys, Alain Delaunois u. A.
Der Sänger Marc Stevens (Laurent Lucas) reist quer durch die belgische Provinz, um auf Feiern oder in Altersheimen aufzutreten. Als er sich während eines nächtlichen Unwetters auf dem Weg zu einem Weihnachtsauftritt befindet, hat sein Kleinbus in einem entlegenen Waldstück ein Panne. Ein scheinbar verwirrter Mann namens Boris (Jean-Luc Couchard), der auf der Suche nach seiner Hündin ist, bringt Marc zur nahe gelegenen Pension des ehemaligen Komikers Bartel (Jacky Berroyer), der ihm sofort ein Zimmer und die Reparatur seines Wagens anbietet, als er erfährt, dass Marc ein Entertainer ist. Marc nimmt das Angebot dankend an und beschließt in dem heruntergekommenen Hotel zu übernachten. Wie sich schon wenig später herausstellt, erweist sich dies als großer Fehler, denn der einsame Bartel will Marc nicht mehr gehen lassen und auch die restlichen Bewohner des entlegenen Landstrichs entpuppen sich als äußerst unangenehme Zeitgenossen...
Ganz anders als von mir erwartet. Eigenwillige, ruhige Inszenierung, bei der ich gestern tatsächlich mehrmals kurz weggeknackt bin. Viele Fragezeichenszenen. Gestern hat mich der Film verwirrt und teilweise schockiert, heute zaubert er mir, insbesondere wenn ich an die Tanzszene in der Kneipe zurückdenke, ein Grinsen aufs Gesicht.
Werde ich mir in Bälde noch einmal ansehen müssen, um mir ein wirkliches Urteil bilden zu können.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
buxtebrawler hat geschrieben:... insbesondere wenn ich an die Tanzszene in der Kneipe zurückdenke, ein Grinsen aufs Gesicht. .
das ging mir ähnlich beim ersten mal schauen, leider ein sehr unterschätzter Film, dem man mehr Beachtung schenken sollte!
Muss mir den auch unbedingt mal wieder geben.
McBrewer hat geschrieben: das ging mir ähnlich beim ersten mal schauen, leider ein sehr unterschätzter Film, dem man mehr Beachtung schenken sollte!
Muss mir den auch unbedingt mal wieder geben.
Ich hab das Gefühl, dass das ein "Grower" ist, der von Sichtung zu Sichtung besser wird... oder?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Fabrice du Welz beschritt mit dem 2004 veröffentlichten „Calvaire – Tortur des Wahnsinns“ aus dem belgisch-französischen Raum etwas andere Wege. Wähnt man sich zunächst in einem typischen Backwood-Terror-Film, fällt einem bereits recht früh die ungewöhnlich ruhige Inszenierung auf, die fast gänzlich auf Filmmusik verzichtet und eine bedrohliche, triste Atmosphäre schafft. Als der Liebeslieder singende, etwas verweichlicht wirkende Protagonist nach einer Autopanne auf einen anscheinend leicht verrückten Mann trifft, der ihn wiederum zum zunächst normal wirkenden, alten Bartel führt, denkt man unweigerlich an bewaffnete Hinterwäldler, die früher oder später Marc nach dem Leben trachten werden. Doch statt mit Hieb- und Stichwerkzeugen schwingenden Freaks bekommt es der Zuschauer zunächst mit den tiefen seelischen Abgründen Bartels zu tun, der seiner Ex-Frau nachtrauert und nach und nach seine viel tiefer liegende Verrücktheit offenbart – unter der Marc schließlich zu leiden hat. Hier vermischt sich dann die typische Backwood-Thematik mit Psychothrill á la „Misery“ und bekommt eine ausgeprägte tragische Note. Im Dorf, in dem Sodomie zum guten Ton zu gehören scheint und die Geräuschkulisse geprägt ist vom Schreien des Viehs, versucht Marc verzweifelt, seiner unwirtlichen Situation zu entkommen – muss jedoch die Erfahrung machen, dass Bartel und der verwirrte Typ vom Beginn nicht die einzigen sind, die sich geistig ziemlich neben der Spur befinden… Dabei kommt es zu wunderbar verschrobenen Szenen, die mich zunächst verwirrten und schockierten, mir im Nachhinein aber das eine oder andere Lächeln aufs Gesicht zaubern. Bei allem Respekt und Wohlwollen gegenüber der gewagten, „sanften Dramaturgie“ hätte ich mir zwischenzeitlich dann aber doch etwas mehr gewünscht, was den Zuschauer bei der Stange zu halten vermag. Über die Gesamtlänge des Films waren mir einige Passagen ZU entspannt und… einschläfernd. Trotzdem lohnt es sich, aufmerksam zu bleiben und Zugang zu diesem interessanten, etwas anderen Backwood-Terror-Film zu finden – der zu mehrmaligem Ansehen einlädt und sich womöglich von Sichtung zu Sichtung in seiner Wirkung umso mehr entfaltet. Meine Kurzkritik entstand nach dem ersten Ansehen und ich bin selbst gespannt, inwieweit ich meine Meinung evtl. noch ändern werde.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Eine Autopanne in einem abgelegenen Waldstück zwingt den herumtingelnden Sänger Marc Stevens die Nacht im Hotel eines gewissen Bartel zu verbringen, einem mehr als seltsamen Kauz. Doch schon bald muss Marc feststellen, dass nahezu alle Personen in der Umgebung dieser Absteige sehr seltsame Wesenszüge an den Tag legen. Als Bartel ihm eröffnet, dass er Mitnichten ein einfacher Gast ist, sondern sein Gefangener, beginnt für Marc eine Zeit gewalttätiger Grausamkeit. Denn um an das heranzukommen, was der mysteriöse Hotelbesitzer in dem Entertainer vermutet, bedarf es einer besonderen Foltermethodik.
Wenn man sich einmal die Meinungen über diesen Film anschaut, die so im Umlauf sind, dann bemerkt man doch recht schnell, das "Calvaire" ganz eindeutig zu den Filmen zählt, die die Meinungen extrem spalten. Für viele handelt es sich hier um absoluten Schund, andere widerum halten dieses Werk für schlichtweg genial. Meiner Meinung nach liegt die Wahrheit genau dazwischen, ich kann es aber durchaus nachvollziehen, das die hier erzählte Geschichte nicht jeden Geschmack trifft und viele sich sogar eher von ihr abgestossen fühlen, als das sie ihr viel Positives abgewinnen können. Was für mich viel eher unverständlich erscheint, ist die Tatsache, das es nicht gerade Wenige gibt, die in diesem Film einen Backwood-Slasher sehen, was ich doch für ziemlich weit hergeholt halte. Vielmehr wird man mit einer äusserst gelungenen Mischung aus Drama-und Thriller konfrontiert, die eine gewisse Anlaufzeit braucht, umso richtig in Schwung zu kommen, aber in ihrer Einführungsphase dennoch keine einzige Minute so etwas wie Langeweile aufkommen lässt.
Gerade das erste Drittel des Filmes hat mir am besten gefallen, denn der Spannungsaufbau, der vielen vielleicht etwas zähflüssig vorkommen mag, ist wohlbedacht und steigert sich auf eine ganz eigene und sehr schleichende Art immer mehr und entfaltet dabei eine so starke Intensität, die man zuerst gar nicht richtig wahrnimmt, da man viel mehr mit den äusserst skurrilen und bizarren Charakteren beschäftigt ist, die sich einem von beginn an präsentieren. Denn bis auf den Hauptcharakter Marc bekommt man es durch die Bank mit anscheinend mehr oder minder vollkommen durchgeknallten und teils schon grotesk erscheinenden Personen zu tun, die man am Anfang noch als recht witzig empfindet, die dem Titel des Films "Tortur des Wahnsinns" aber ein unglaubliches Gewicht verleihen. Ganz egal, ob es sich dabei um eine alte Oma handelt, die beim Anblick des Sängers Marc auf einmal ihren zehnten sexuellen Frühling erlebt und sich selbst als Hure bezeichnet, eine liebestolle Altenpflegerin, die sich nichts sehnlicher wünscht, als den Sänger zu beglücken, oder auch die scheinbar völlig fehlgeleiteten Dorfbewohner, in deren Gegend es Marc nach einer Autopanne verschlägt.
Dort trifft er auf den geistig verwirrten Boris, der verzweifelt nach einem entlaufenen Kalb sucht, er sieht Dorfbewohner, die sich sexuell mit einem Kalb vergnügen und ausgerechnet im ehemaligen Gasthof des alten Bartel kommt er unter. Hat man zuerst noch den Eindruck, das Bartel einfach ein etwas seltsamer Einsiedler ist, der sich unglaublich darüber freut, das er endlich einmal wieder einen Gast beherbergen kann, stellt sich diese Annahme doch recht schnell als vollkommene Fehleinschätzung heraus, denn gerade Bartel ist der schlimmste der durchgeknallten Charaktere, die man während dieser Geschichte kennenlernt. Der arme Marc muss dies auf sehr schmerzvolle Art und Weise feststellen und gerät in eine Situation, die er sich ganz sicher nicht in seinen schlimmsten Träumen vorgestellt hätte.
"Calvaire" ist kein Film, der durch extreme visuelle Härte auffällt, was aber keineswegs bedeuten soll, das hier keine Härte vorhanden ist. Es gibt auch einige heftigere Passagen, die meiner Meinung nach allein aber längst noch nicht die Freigabe des Films erklären würden. Hier sollte man wirklich die Wirkung des Gesamtwerkes sehen und die ist doch sogar stellenweise extrem verstörend. Man muss sich nur einmal vorstellen, das man sich selbst in der Lage befinden würde, in die es unsere Hauptfigur verschlagen hat, wenn man dann noch die Absgeschiedenheit des Schaplatzes mit einwirken lässt und die irren Charaktere berücksichtigt, befindet man sich in einem Szenario, das einem einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken jagt und das Blut in den Adern gefrieren lässt. Man ertappt sich selbst dabei, das man heilfroh darüber ist, das man das Geschehen aus sicherer Entfernung betrachten kann. Wenn man sich allerdings auf das hier gezeigte Geschehen einlassen kann, muss man erschreckt feststellen, das man sich trotzdem phasenweise als Teil des Szenarios sieht, da man richtiggehend mitleidet und vor allem den psychischen Schmerz nachempfinden kann, dem der gute Marc ausgesetzt ist.
Die Authenzität, die hier von der Szenerie ausgeht, ist ganz sicher auch den erstklassigen Darstellern zu verdanken, die hier allesamt einen mehr als nur überzeugenden Job abliefern, vor allem Laurent Lucas in der Rolle des Marc und Jackie Berroyer als Bartel wissen hier durch ihr Schauspiel zu brillieren, aber auch die anderen Protoganisten müssen mit ihren Leistungen keineswegs hinter dem Berg halten, denn sie alle leisten ihren Beitrag zu einem extrem intensiven und schockierenden Film-Erlebnis, das sich hier dem Zuschauer offenbart. Ob man "Calvaire" unbedingt als Film-Vergnügen ansehen sollte, das wage ich zu bezweifeln, doch darauf ist der Film meiner Meinung nach auch gar nicht ausgerichtet. Der Nebentitel "Tortur des Wahnsinns" ist absolut perfekt gewählt, hier kann man getrost behaupten, das der Titel auch gleichzeitig Programm ist. Von der ersten bis zur letzten Minute wird der Betrachter mit dem immer intensiver wirkenden Wahnsinn konfrontiert, der auch in seiner immer mehr ansteigenden Wirkung nahezu perfekt dosiert ist. Und diese häppchenweise immer stärker werdende Dosierung ist im Endeffekt das geheimnis dafür, warum dieses Werk so wahnsinnig gut funktioniert, wenn der Zuschauer dazu bereit ist, sich darauf einzulassen, denn das, was zu Beginn noch eher zum Schmunzeln anregt, entpuppt sich mit der Zeit zu einer wirklichen "Tortur des Wahnsinns".
Fazit:
"Calvaire" ist definitiv ein Film, der die Meinungen extrem spaltet, doch ich glaube, das er das auch genau so beabsichtigt. Wenn man dieses Werk als reine Unterhaltung ansieht, dann kann es sehr gut möglich sein, das man letztendlich etwas enttäuscht sein wird. man muss sich dem hier gezeigten Stenario öffnen, sich darauf einlassen und sich in die Situation des Hauptcharakters einfühlen. Wenn einem das gelingt, dann bekommt man ein äusserst intensives und auch nachhaltig wirkendes Film-Erlebnis geboten, das man ganz sicher nicht so schnell vergessen wird.