Der unheimliche Mr. Sardonicus - William Castle (1961)

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Der unheimliche Mr. Sardonicus - William Castle (1961)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Mr. Sardonicus

Herstellungsland: USA / 1961

Regie: William Castle

Darsteller: Oskar Homolka, Ronald Lewis, Audrey Dalton, Guy Rolfe, Vladimir Sokoloff, Erika Peters, Lorna Hanson, James Forrest, Ilse Burkert, William Castle, Constance Cavendish, Albert D'Arno u. A.
Der Arzt Cargrave (Ronald Lewis) wird von seiner Jugendliebe nach Böhmen bestellt, um dort den stets maskiert auftretenden Baron Sardonicus (Guy Rolfe) zu behandeln, welcher entstellte Menschen um sich herum zu lieben scheint. Der Grund für Cargraves Anwesenheit ist ein Muskelstarrkrampf, der Sardonicus ein diabolisches, ummenschliches Dauergrinsen verliehen hat, als er wegen eines Lotterieloses den Sarg seines Vaters öffnete. Da der Baron droht, bei Nichterfolg der Behandlung auch Jugendliebe Maud zu entstellen, verfällt Cargrave auf einen riskanten Plan...
Quelle: www.ofdb.de

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Der unheimliche Mr. Sardonicus - William Castle (1961)

Beitrag von buxtebrawler »

„Der Baron ist ein ungewöhnlicher Mann mit seltsamen Gewohnheiten!“

Im gleichen Jahr wie seinen fulminanten „Psycho 2.0“, gemeint ist natürlich der Psycho-Schocker „Mörderisch“, brachte der Marktschreier des US-Horror-Thrills, Mr. William Castle, die Gothic-Horror-Revue „Der unheimliche Mr. Sardonicus“ in die Kinos. Das war 1961 und die dem Film zugrunde liegende Kurzgeschichte Ray Russells war zuvor im „Playboy“ erschienen. Als besonderes Gimmick ließ Castle diesmal das Publikum abstimmen, welches Ende es lieber möchte: eines, in dem dem Unhold Gnade widerfährt oder eines, das ihn abstraft. Überlieferungen zufolge gab es gar kein gnädiges Ende – genauso wenig wie ein Publikum, das es hätte sehen wollen…

Mediziner Dr. Cargrave (Ronald Lewis, „Ein Toter spielt Klavier“) ereilt der Ruf seiner Jugendliebe Maude (Audrey Dalton, „Alarm für Sperrzone 7“), die ihn nach Böhmen bittet, damit er ihren Mann Baron Sardonicus (Guy Rolfe, „Dolls“) behandelt. Seit dieser an einer Art Gesichtslähmung erkrankte, als den Sarg seines Vaters öffnete, um ein dort hineingeratenes Lotterielos zurückzubekommen, trägt er stets eine ausdrucklose Maske vor seinem entstellten Antlitz. Seinen Frust lebt er durch Folterungen seiner Mitmenschen aus. Cargrave lässt er keine Wahl: Entweder er behandelt ihn oder Maude wird ebenfalls entstellt…

Gentleman-like wie eh und je eröffnet William Castle seinen Film höchstpersönlich, indem er sich mit einer Ansprache an die Zuschauer wendet und ihnen die Geschichte eines Ghuls ankündigt – obwohl Baron Sardonicus auch mit viel Phantasie als keiner zu definieren ist. Im Anschluss lernt man Dr. Cargrave an seiner Wirkungsstätte im London des Jahres 1880 kennen, bevor er sich auf die Reise zu Maude und Sardonicus begibt. Ganz dem Subgenre verpflichtet trifft er auf ein opulentes Anwesen in Form eines alten Schlosses, das die Schwarzweiß-Bilder in atmosphärischen Nebel hüllen, auf einen buckligen, einäugigen Diener (Oskar Homolka, „Sabotage“), später auf einen Folterkeller und ein geheimes Zimmer. Gute Voraussetzungen also für einen Gruselschinken der alten Schule. Dieser versucht den Zuschauer zunächst mit an jungen Mädchen saugenden Blutegeln zu schockieren, hält sich ansonsten aber in Sachen Schrecken eher bedeckt. Castle setzt vielmehr auf die geheimnisumwitterte Aura Sardonicus‘ hinter seiner Maske, den der Zuschauer nach und nach kennenlernt.

Dies geht schließlich in eine Rückblende über, die zeigt, was dem Baron zustieß. Und fürwahr, der Anblick des toten Vaters ist ein echter Schock, warum auch immer er bereits kurz nach seinem Tod bis auf die Knochen abgenagt ist. Unterschiedlich aufgefasst werden dürfte die Enthüllung Sardonicus‘ Gesichts. Auf mich jedenfalls wirkte das an Batmans Joker erinnernde, jedoch weitaus größere bizarre Dauergrinsen, das Sardonicus sogar Sprechen neu lernen lassen musste und ihn seine Nahrung nur noch schlürfen lässt, durchaus verstörend. Sein Name leitet sich übrigens von einem tatsächlich existierenden Krankheitsphänomen ab, dem Risus sardonicus, einer bakteriell hervorgerufenen Muskelverkrampfung, die zu einem hämischen Grinsen führt, das der Betroffene nicht mehr lösen kann.

In guter alter Schauermär-Manier ist dieser Mr. Sardonicus also im Grunde eine tragische Figur. Dessen sind sich Russell und Castle bewusst, wenn sie die medizinisch gewichtete Geschichte – u.a. findet die damals anscheinend neue Erfindung der Spritze zur direkten Injektion in die Blutbahn Erwähnung – letztlich in eine psychosomatische verwandeln, die Sardonicus keine Erlösung bietet. Einwandfrei geschauspielert und ohne Längen oder grobe Schnitzer inszeniert vermengt „Der unheimliche Mr. Sardonicus“ in Poe-Manier klassischen Grusel mit erschreckenden medizinischen Phänomenen und menschlicher Tragödie, von Castle comichaft (aber nicht komisch) und unter Berücksichtigung von Genrestandards unterhaltsam und liebevoll auf die Leinwand gebracht – und ob der wiederum Castle-typischen Bizarrerie länger im cineastischen Gedächtnis verweilend.
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Re: Der unheimliche Mr. Sardonicus - William Castle (1961)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Ich fand den ja ziemlich gelungen, aber wenn man Sardonicus' echtes Gesicht zu Gesicht bekommt, erinnert es mich an ein Pferdegesicht. Offenbar hat sich Sardonicus jahrelang nur von Fertiglasagne ernährt. ;)
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(Fred Olen Ray)
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buxtebrawler
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Re: Der unheimliche Mr. Sardonicus - William Castle (1961)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 22.08.2019 bei Koch Films als #1 der "William Castle Collection" als Blu-ray/DVD-Kombination im Digipak - und damit erstmals fürs Heimkino des deutschen Sprachraums:

Bild

Extras:
Booklet
Trailer
Deutsche Schnittfassung
Featurettes
Bildergalerie

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... &vid=95721

Bin mal gespannt, ob da noch mehr kommt!
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sergio petroni
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Re: Der unheimliche Mr. Sardonicus - William Castle (1961)

Beitrag von sergio petroni »

Der renommierte Londoner Arzt Cargrave (Ronald Lewis) erhält eine Botschaft seiner Jugendliebe Maude.
Überbracht wird die Nachricht von Krull (Oskar Homolka), dem Diener des Barons Sardonicus (Guy Rolfe),
der Maude geehelicht hat und mit ihr auf seinem Schloß in Transsilvanien lebt. Cargrave solle doch
die Reise zu ihr antreten, er würde es nicht bereuen. Per Schiff, Zug und Kutsche macht sich Cargrave auf
zu Sardonicus' Schloß. Baß erstaunt muß Cargrave feststellen, daß Sardonicus die ganze Zeit eine
Gesichtsmaske trägt. Diese soll die Gesichtslähmung des Barons verdecken, welcher sich durch
die neuen Behandlungsmethoden aus London Besserung verspricht. Jedoch ist Sardonicus kein
angenehmer Zeitgenosse, und ihm ist jedes Mittel recht, eine Besserung seines Zustandes herbeizuführen.
So veranstaltet Krull krude Experimente mit Blutegeln an der weiblichen Dienerschaft. Es werden
Damen auf's Schloß eingeladen, um deren Reaktion bei Ansicht des Barons' Gesicht zu testen,
was immer in einer wahren Schreiorgie endet.
Um Cargrave zu Ergebnissen zu drängen, benutzt Sardonicus Maude als Druckmittel.
So bleibt dem wackeren Arzt letzten Endes nur ein möglicher Ausweg....

Die Einleitung und das Schlußwort spricht Meister Castle persönlich zum Publikum.
Als Gimmick wurde dieses Mal ein Votum des Kinopublikums eingeführt. Kurz vor
Schluß soll dieses per Daumen hoch eine Begnadigung Sardonicus' herbeiführen
oder per gesenktem Daumen eine Bestrafung.
Ob es dieser Unterbrechung bedurft hätte, sei dahingestellt. Denn auch so ist Castle
hier wieder ein sehr atmosphärischer Streifen mit ausgewählter und effektiver Schwarzweißfotografie
gelungen, der durchaus seine Schockmomente hat. Der arme Guy Rolfe als Sardonicus erlebte
beschwerliche Tage in der Maske, brauchte es doch viele unangenehme Stunden,
sein sardonisches Grinsen zu modellieren.
Sehr gelungener Streifen, der in der Koch-Castle-Kollektion erschienen ist,
komplett mit Stimmkarte Daume hoch/Daumen runter.
7/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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