Beit al ashbah - Fatin Abdel Wahab (1952)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Beit al ashbah - Fatin Abdel Wahab (1952)
Originaltitel: Beit al ashbah
Produktionsland: Ägypten 1952
Regie: Fatin Abdel Wahab
Darsteller: Ismail Yassan
Schon länger bin ich der Meinung, dass ein Weg, um die kulturellen und gesellschaftlichen Zustände an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu verstehen, vor allem auch, neben dem freilich an erster Stelle stehenden schlichten Hinreisen, das Betrachten der, sofern vorhanden, Filme sein sollte, die an jenem Ort zu der gewünschten Zeit gedreht worden sind. Da der Film das einzige bekannte Medium ist, das Vergangenheit in bewegten Bildern konserviert, führt er einem allein durch die ihm immanente Beschaffenheit die zurückliegende Realität sichtbar vor. In jedem Film, ausgenommen freilich solche, die komplett in gesichtslosen, sterilen Studios entstehen sowie welche, die bewusst jede Sichtbarkeit ihrer Gegenwart verweigern, indem sie sich freiwillig außerhalb konkret benennbarer Zeit und konkret benennbarem Raum ansiedeln, bekommen wir einen Fetzen Vergangenes zu sehen: sei es nun das Vorherrschen einer gewissen Make-Up-Mode oder Architektur im Hintergrund, die uns aufklärt, was für ein Baustil zur Drehzeit dort, wo gedreht worden ist, vorgeherrscht haben muss. Daneben können gerade Filme, die nicht mit dem Rücken zum Publikum produziert wurden, sondern primär darauf abzielten, die Herzen ihrer Zuschauer und die Kassen ihres Kinos klingeln zu lassen, nicht geringen Aufschluss darüber geben, wie dieses Publikum in etwa beschaffen gewesen ist, dass eben solche Filme ihm zur Unterhaltung haben dienen können. Ein Werk wie das vorliegende, eine ägyptische Schauerkomödie aus dem Jahre 1952 namens BEIT AL ASHBAH, was übersetzt wohl so viel heißen soll wie ein Haus voller Geister, klärt mich demnach freilich nicht darüber auf, was für ein politisches Klima über dem Ägypten der frühen 50er gelegen hat, wie es um die religiöse Situation des nordafrikanischen Staats bestellt war, wie es eigentlich mit seiner Medienlandschaft aussah, aber es bringt mich vielleicht dem recht nahe, wie normale ägyptische Bürger in den frühen 50ern gedacht und gefühlt haben.
Für mich ist BEIT AL ASHBAH allerdings nicht nur kulturwissenschaftliches Studienobjekt, er ist zudem ein Film, der seine selbstgesteckten Ziele, nämlich zu unterhalten und zu belustigen, in meinem Fall vollkommen erreicht hat. Gerade Filme aus dem unseren dann doch reit entfernten Kulturkreisen haben bekanntlich das Potential, in ihrem westlichen Rezipienten ein ganz eigenes Gefühl der Irritation hervorzurufen. Der Klang von Kulturen, die aufeinanderprallen und sich dabei, obwohl sie sich im Grunde nicht verstehen, zu einer völlig irrealen Übereinkunft kommen, lässt zunächst Stirne runzeln und Schläfen kratzen. Das war, erinnere ich mich spontan, bei dem indischen NIGHTMARE-ON-ELM-STREET-Remake MAHAKAAL genauso wie bei der pakistanischen DRACULA-Verfilmung ZINDA LAASH und, kürzlich erst, bei der ägyptischen Mixtur aus Historienfilm und Musical DANANIR. Auch BEIT AL ASHBAH hat diesen Irritationseffekt im Gepäck, wo er doch vorrangig dazu ausgerichtet ist, Gelächter zu verursachen, und der Humor des gemeinen Ägypters vor etwa einem halben Jahrhundert sich einigermaßen von dem zu unterscheiden scheint, der ein deutsches Zwerchfell im einundzwanzigsten Jahrhundert zum Schütteln bringt. Andererseits ist es eben exakt das, was mich bei BEIT AL ASHBAH aus dem Grinsen kaum hoch herausfinden lässt. Der Film an sich ist für mich nicht witzig, höchstens albern und bescheuert, sein Witz entsteht indes genau aus dieser Diskrepanz: bei vielen der Gags, sei es nun in Dialog oder in Gestik und Mimik, fühle ich mich gar an klassische Momente von Monty Python oder die augenzwinkernden Jokes der Surrealisten und Dadaisten erinnert. BEIT AL ASHBAH ist so weit draußen, dass ich gar nicht anders kann als ihn in mein Herz zu schließen.
Oben kündigte ich schon an: er ist genretechnisch gesehen wohl so etwas wie eine Horrorkomödie, und seine Prämisse könnte stereotyper kaum sein. Ein reicher Herr ist verschieden, sein Reichtum steht zum Erben bereit, in seinem Testament liest man jedoch von der Klause, dass sämtliche Erben hierzu für exakt einen Monat in seiner unheimlichen Luxusvilla zusammenleben müssen. Darunter: der obligatorische smarte junge Held sowie eine junge Dame, leider schon einem anderen Angetraut, die sich trotz oder gerade deshalb unsterblich ineinander verlieben, wobei sie die im Grunde einzigen wirklich ernstzunehmenden Rollen des Films bilden - sofern man in Anbetracht ihrer absoluten Eindimensionalität denn überhaupt von ernstnehmen sprechen kann. Alle übrigen Charaktere, mit Ausnahme vielleicht des Hausdieners und des Hausverwalters, sind schlimmste Witzfiguren aus dem Kuriositätenkabinett des Klamauks, und tragen mit ihrem konstantem Over-Acting nicht wenig zu der hysterischen Aura bei, die den Film, trotz aller kinematographischer Strenge und der der steifen Studiokulissen, von innen her aufwühlt. Die Mutter unseres Helden schreit und pöbelt pausenlos, der Gatte der holden Jungfer ist ein dickbäuchiger, schielender Trampel, dessen erster Auftritt mit munterem Tröten eingeläutet wird, dessen Mutter wiederum eine hagere, überneugierige und ungehaltene Alte. Der wahre Star des Films allerdings heißt Ismail Yassin und scheint gemäß der mauen Informationen, die ich über den Film habe finden können, wohl so etwas wie ein beliebter ägyptischer Comedian gewesen zu sein, hier einen aufschneiderischen, angeblichen Großwildjäger mimend, der zu dem angeblichen Spukhaus mit einer ganzen Delegation schwarzafrikanischer Tänzerinnen anreist, die irgendwo außerhalb der Villa in einem eigenen Lager untergebracht sind, für den Film aber, außer in einer überlangen Tanzsequenz, nicht weiter gebraucht werden. All diese Figuren, deren groteskes Gebaren man gesehen haben muss, um es zu glauben, interagieren nun auf äußerst befremdlichen Scherz-Niveau miteinander: man keift, schnattert, verwechselt sich miteinander, stößt sich die Köpfe ein. Ein Spruch jagt den nächsten, ein Witz nach dem andern zündet nicht, und ein dramatischer Gefühlsausbruch versucht den nächsten zu toppen.
Was aber ist mit den Geistern? Nun, weit her ist es mit denen nicht. Gerade mal einer, und das nach über der Hälfte der Laufzeit, taucht auf, ein kopfloser, bärtiger Hüne, der sich einen nicht näher erklärten oder in den Kontext des Films gestellten Jux damit erlaubt, vor allem Herrn Yassin nahe an den Rand eines Herzinfarkts zu bringen, indem er überall auftaucht, wo man ihn nicht vermutet, und ein bisschen mit dem abgetrennten Haupt wedelt und grimassiert. Ansonsten sind es rein weltliche Gauner und Ganoven, eine regelrechte Bande von ihnen, die in den Villenkellern lauern, um mittels ziemlich peinlicher Tricks ihren Plan in die Tat umzusetzen, alle Erben in die Flucht zu schlagen und dadurch selbst in den Besitz des Erbes zu gelangen. Ja, völlig begriffen habe ich wirklich nicht, wer da nun welche Strippe zieht und warum nun genau dies oder jenes getan wird, das ist wohl aber auch gar nicht wichtig, wo die von mir am heftigsten beklatschte Komponente doch ein Typ im lausigten Affenkostüm, das jemals auf Zelluloid gebannt worden ist, darstellt, der als dem Zoo entlaufener Gorilla durch die gesamte Laufzeit hinweg unseren grenzdebilen Cast im Atem hält. Comic- und cartoonhaft, man denke allein an Donald Ducks berühmte Zusammentreffen mit blutigen Affen, zu denen etliche Parallelen gezogen werden können, wird der Film gerade durch dieses derangierte Element zu einem Knallbonbon, mit dem man jede Party sprengen kann. Naiv, unlogisch, teilweise beinahe schwachsinnig entführt Regisseur Fatin Adbel Wahab uns in eine fremde Welt, in der all das Kopf steht, was wir von Kindesbeinen an in unsere Köpfe eingebläut bekommen haben. Wenn am Ende dann alle Verbrecher dingfest gemacht worden sind, wenn der Affe eingefangen, das Erbe verteilt ist und sogar der offensichtliche Ehebruch dadurch seines Konfliktpotentials beraubt wird, dass der Ex-Mann der Schönen einfach die Mutter ihres Angebeteten heiratet, dann fühlt man sich einfach nur noch wohl und dankbar nach Genuss eines solchen wilden Kinderfaschings.