Fear City – Das Buch einer Bestie
Fear City
USA 1984
Regie: Abel Ferrara
Tom Berenger, Billy Dee Williams, Jack Scalia, Melanie Griffith, Rossano Brazzi, Rae Dawn Chong, Joe Santos, Michael V. Gazzo, Jan Murray, Janet Julian, Daniel Faraldo, Maria Conchita Alonso
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OFDB
New York in Angst und Schrecken: Ein Unbekannter überfällt Nachtclubtänzerinnen auf dem Heimweg und verstümmelt oder ermordet sie. Die Mädchen wollen nicht mehr auftreten, die Clubs bleiben leer, die Geschäfte leiden. Die Besitzer der Starlite-Agentur, Matt und Nicky, wollen den Mörder fangen, aber es gibt nicht den geringsten Hinweis, wer das sein könnte. Jemand von der Konkurrenz? Möglich, aber irgendwann wird auch dort das erste Mädchen getötet. Die Familie, zu der Matt und Nicky gehören, beginnt langsam nervös zu werden, und die vollkommen unfähigen Cops der Mordkommission werden noch viel nervöser. Und mitten drin in diesem Hexenkessel sind Matt und Loretta, die mal ein Liebespaar waren, und jetzt wieder zusammenfinden. Loretta tanzt, und Matt hat Angst. Beide gehen auf ihre Art damit um: Sie mit Heroin, er mit Whiskey …
Was jetzt schon in der Inhaltsangabe relativ klischeehaft klingt, entpuppt sich beim Ansehen als – klischeehaft. Im Ernst: Der weitaus größte Teil der Handlung ist vorhersehbar, bis dahin, dass der Ausgang vieler Szenen von vornherein klar ist. Und was noch viel schlimmer ist: Die ganze Chose ist banal und wird vor allem zum Ende hin immer platter. So schön vor allem die Vorbereitung zum Showdown fotografiert ist, so einfallslos ist die Narration: Matt bezieht ein Zimmer in einer Absteige, läuft durch New York, bestaunt die Sonnenuntergänge und joggt wie ein Wilder, derweil der Killer in seinem Trainingsraum den Bruce Lee gibt, und die Nebendarsteller in kurzen Szenen nachdenklich neben die Kamera stieren. Eine zielgerichtete und spannungsgeladene Suche nach dem Unbekannten findet nicht statt. Alle warten auf den Zufall, dass sich Jäger und Gejagter (was für hochtrabende Worte) über den Weg laufen.
Die Figuren (und nicht nur die) sind zelluloidgewordenes Schemata: Matt ist ein Ex-Boxer, der im Ring mal jemanden getötet hat, und sich jetzt mit Schuldvorwürfen und dem damit zusammenhängendem, übermäßigen Alkoholkonsum rumärgern muss. Nicky ist der Sohn eines Mafiosos, der, genauso wie Matt, lieb und nett zu seinen Mädels ist, und wenn sie mal nicht tanzen wollen, dann dürfen sie halt daheim bleiben. Auch die Clubbesitzer müssen nicht unbedingt zahlen wenn sie nicht wollen. Alles liebe Menschen, wie wir es vom organisierten Verbrechen in New York ja schon immer geahnt haben … Der Obercop Wheeler ist ein dummes und nochmal extradummes Dreckschwein, der seine eigene Einfallslos- und Machtlosigkeit hinter Wut und Aggression versteckt, die er am liebsten an den bösen bösen Jungs auslässt (obwohl die doch ganz liebe Menschen sind, siehe oben …), und sein Partner Sanchez ist ein kleiner dummer Mann mit hässlichen Klamotten, der an Dudley Moore erinnert und auch genauso ereignislos ist. Last but not least Loretta, die aufregend tanzt, von allen Männern begehrt wird, und natürlich harte Drogen zum Überleben im Großstadtdschungel benötigt.
Figuren, wie wir sie schon hundertmal gesehen haben, und wie sie einfach nur langweilen. In einigen Momenten merkt man, was Abel Ferrara eigentlich vorschwebte, nämlich ein, mit Gewalt und Sex aufgepeppter, Neo-Noir, der die Hintergassen New Yorks genauso zeigen soll wie die kaputten Gestalten die diese Gassen bevölkern. Eine Hommage an den klassischen Noir der 50er-Jahre, wie an der Musik klar zu bemerken ist. Herausgekommen ist aber nur ein flacher Versuch mit wenig Gewalt und kaum Sex, Figuren vom Reißbrett durch eine düstere und neon-beleuchtete Welt zu scheuchen, und dieser Versuch mündet am Ende stellenweise sogar in eine Parodie auf die gängigen Actionreißer seiner Zeit. Oder soll man die letzten 20 Minuten mit der Hinleitung zum Showdown und dem selbigen wirklich ernst nehmen? Dinge wie Charakterisierungen oder Tiefe werden den Personen nach Schema F aufgedrückt, alles spielt sich auf dem Niveau einer Vorabendserie aus früheren Zeiten ab. Keine Figur ist wirklich beachtenswert, keine Figur weckt Interesse an ihrem Schicksal.
Manche Szenen erinnern stark an die italienischen Gialli aus den 70ern, ohne aber deren Raffinesse und Stilsicherheit auch nur ansatzweise zu erreichen. Nicht einmal die Verkommenheit und der Schmutz eines NEW YORK RIPPER ist zu spüren, dafür ist FEAR CITY wiederum nicht dreckig genug. Der narrative Aufbau hingegen ist eher der eines Slashers: Ein bekannter Mörder geht umher und macht halt das, was Mörder in Filmen im Allgemeinen so machen. Dafür allerdings sind die Morde nicht hauptsächlich genug dargestellt, hat es zuviel ablenkende Handlung. Und für einen Psychothriller ist die Figur des Mörders erheblich zu eindimensional. So richtig passt es an keiner Stelle …
Was dem Film nicht anzukreiden ist, ihm dann aber einen weiteren bösen Tritt versetzt, ist die sterile deutsche Synchro, die sich auch nicht entblödet, aus dem italienischen Wort Pazzo (= verrückt) einen Namen zu machen („Er heißt Pazzo“) und das Wort capisci (“Verstehst Du?“) aus dem englischen Dialog tatsächlich zu “übersetzen“ mit capisco (“Ich verstehe“). Nein, ich verstehe nicht …Tatsächlich ist FEAR CITY in Deutschland eine Video-Premiere gewesen, und alle alle Vorurteile gegenüber Video-Synchros werden hiermit mal wieder bestätigt …
Positives gibt es aber tatsächlich auch zu vermelden: Wie bereits erwähnt ist der Film gut fotografiert, und gerade die nächtlichen Eindrücke der Vergnügungsmeile sind oft sehr stimmungsvoll. Die deutsche Fassung bietet einiges an nackten und gewalttätigen Schauwerten (die amerikanische Fassung hält sich da extrem zurück), und Tom Berenger und Melanie Griffith spielen tatsächlich einigermaßen erfolgreich gegen das dümmliche Skript an. Gerade Tom Berenger gibt den harten Jungen mit dem weichen Herzen recht gekonnt. Ein Mann, den man und frau gerne als Freund hätte, der immer für einen da ist und hilft. Auch hier also wieder diese klischeebeladene Charakterisierung, aber wenigstens sehr gut gespielt und rübergebracht. Was dann tatsächlich ausreicht, um dem Maulwurf wenigstens ein klein wenig Vergnügen bereitet zu haben. Aber ganz ehrlich: Eine Folge einer x-beliebigen Krimiserie aus dem 80ern ist oftmals abwechslungsreicher, spannender und interessanter. Was zu vier von zehn Boxhandschuhen reicht, aber mit schwerem Hang zum Bodensatz …
4/10