Der Alte - Die Serie ab 1976

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Der Alte - Die Serie ab 1976

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DER ALTE - DIE SERIE AB 1976
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Als die Vorgängerserie "Der Kommissar" 1976 eingestellt wurde, fand das ZDF schnell Ersatz. Siegfried Lowitz als knurriger aber genialer Kommissar Köster mit trockenem Witz ermittelt auf seine höchst eigene Art und Weise, die ihn nicht selten an den Rand der Legalität bringt - etwas völlig Neues in der Tradition deutscher Kriminalserien. Schnell wurde Kommissar Köster zur Kultfigur für Millionen deutsche Fernsehzuschauer! [Zitat: "Der Alte", erschienen bei MORE]

Auch mit dieser Serie befindet sich jeder Krimi-Freund in absolut guter Gesellschaft und in diesem Thread können die einzelnen Folgen etwas näher betrachtet werden. Neben "Der Kommissar" handelt es sich beim unmittelbaren Nachfolger wohl um meine persönliche Lieblings-Kriminalserie, wobei zu erwähnen bleibt, dass es doch hauptsächlich die Lowitz-Folgen sind, die ich mir immer wieder mit Begeisterung anschauen kann. Vielleicht ist ja noch der ein oder andere Köster-Fan, oder Anhänger der laufenden Serie hier unterwegs?
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Prisma
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

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● Folge 1: DIE DIENSTREISE (1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande, Henning Schlüter, Xenia Pörtner
Gäste: Hans Brenner, Wolfgang Reichmann, Susanne Uhlen, Iris Berben, Katharina Seyferth,
Ralph Wolter, Gert Haucke, Wolfgang Wahl, Dan van Husen, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: Johannes Schaaf


»Scheiße, wenn man ne Nutte liebt!«
Kriminalhauptkommissar Erwin Köster stellt sich bei einem Banküberfall mit Geiselnahme zum Austausch zur Verfügung. So kommen die erschöpften und teils hysterischen Geiseln frei und Köster begibt sich in die Gewalt des Verbrechers, den er an jeden beliebigen Ort bringen soll. Zu seinem Auftrag gehört außerdem, mehr über den Geiselnehmer zu erfahren und über ihn an den gefährlichen und lange gesuchten Auftragskiller Teretti heranzukommen. Auf der turbulenten Fahrt durch die Umgebung von München, bei der die beiden von Reportern verfolgt werden, die man zunächst abschütteln, und außerdem an einen neuen Wagen kommen muss, lernt Köster den Bankräuber besser kennen, doch sein gefährliches Spiel droht außer Kontrolle zu geraten...

Regisseur Johannes Schaaf legte mit seinem Pilotfilm einen beeindruckenden Grundstein für die erfolgreiche Serie "Der Alte" und man legte genau so großen Wert auf eine nachhaltige Integration der beteiligten Hauptpersonen, beziehungsweise der Titelfigur. Erwin Köster bekommt also von Siegfried Lowitz Leben eingehaucht. Darunter zu verstehen ist allerdings nicht unbedingt, dass man es mit einer Art Action-Helden zu tun bekommt, Kriminalhauptkommissar Köster ist geradezu ein eigenbrödlerischer Denker, dessen wache Kombinationsgabe erfolgversprechend ist. Bereits bei den ersten Eindrücken wird dem Zuschauer verdeutlicht, mit wem man es bei Bedarf in 100 Folgen zu tun bekommen wird und Siegfried Lowitz gewinnt die Zuschauergunst hier spielend. Dabei definiert sich die entstehende Sympathie über sehr menschliche Züge. Für die Serie bietet die Pilotfolge den also den perfekten Einstieg und nicht nur die Charakterzeichnungen sind äußerst gelungen, sondern auch die Zeichnung eines augenscheinlich normalen Kriminalfalles, der mit Bankraub und Geiselnahme zumindest täglich an der Tagesordnung sein könnte. Die Konzentration liegt nicht nur auf Verbrechen und Mord, sondern auch die Arbeit und die Tricks der Polizei werden ausgiebig durchleuchtet. Was tun, wenn Komplikationen auftreten? "Der Alte" wirds schon wissen. Es ist erstaunlich, dass mit diesem Konzept nach kürzester Zeit bereits eine empfundene Verlässlichkeit oder beinahe Routine aufgebaut werden kann. Köster wird den Bankräuber also anstelle der Geiseln begleiten, um die heikle Situation zu entschärfen, Rune in die angespannte Atmosphäre zu bringen und natürlich zu ermitteln. Der Zuschauer darf sich also bereit machen für einen spannenden Trip, der mit halsbrecherischen Sequenzen und Verfolgungsjagden angereichert wurde.

Die Premieren-Besetzung leistet sowohl in der Haupt-, als auch in der Nebenhandlung hervorragende Schützenhilfe. Als Bankräuber und Geiselnehmer sieht man Hans Brenner, der aufgrund seiner Überzeugungskraft und seines Aussehens bei derartigen Rollen quasi ein Abonnement hatte. Zunächst wirkt er rücksichtslos und aggressiv, doch Köster kann ihn mit seiner authentischen Art indirekt beruhigen. Er begleitet ihn nicht mit erhobenem Zeigefinger, er bemüht sich um Ehrlichkeit und solidarisiert sich in bestimmten Situationen sogar mit seinem Gegenpart. Merkwürdigerweise entstehen trotz aller Brisanz immer wieder sensible Momente, die innerhalb dieses Vakuums beinahe freundschaftlich wirken, allerdings nur bis zum nächsten Knall innerhalb dieses Tauziehens. Haupt- und Nebenhandlung werden zum Ende hin eine intelligente Verknüpfung erfahren, was sehr gut ankommt, da gewisse Zusammenhänge nicht vollkommen geklärt waren. Insbesondere Wolfgang Reichmann als lange gesuchter Berufskiller, dem man nie etwas nachweisen konnte, überzeugt mit einer eiskalten und zynischen Darbietung und sorgt zusätzlich für das spürbare Vernehmen eines imaginären Sekundenzeigers. In der Erscheinung eines Gentleman wirkt seine Brutalität umso härter, was er insbesondere an den schwächeren Gliedern dieser Kette auszulassen pflegt. Susanne Uhlen und Iris Berben als offenbar leichte Mädchen für schwere Kundschaft bereichern das Geschehen wie jeder andere Name in der Darstellerriege ausgezeichnet. Nach dieser außerordentlichen Dienstreise wird man innerhalb dieses Nervenkrieges mit einem fulminanten Showdown belohnt, so dass man anerkennend sagen darf, dass der Einstieg in die Serie absolut gelungen ist. Action und Spannung runden diesen Eindruck ab, viele Ortswechsel sorgen für Variabilität und man darf den weiteren Verlauf der jungen Serie mit Ungeduld und Spannung erwarten.
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Prisma
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

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● Folge 2: JACK BRAUN (1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande, Jan Hendriks, Henning Schlüter, Xenia Pörtner
Gäste: Peter Bollag, Peter Pasetti, Karl Renar, Günther Maria Halmer, Hans Beerhenke, Ursula Grabley, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: Wolfgang Becker


»Worum es sich handelt? Um meine Ermordung.«
Zwei junge Männer verfolgen einen perfiden Plan. Mit einem gestohlenen Wagen überfahren sie einen alten Mann auf offener Straße. Das Auto wurde dabei allerdings nicht wahllos ausgewählt, sondern man eignete sich gezielt das Fahrzeug des prominenten Arztes Dr. Mangoli an und stellte es nach der Tat wieder zurück an seinen Platz. Ein dritter Mann im Bunde, der den Mann auf die Straße gestoßen hatte, fungierte nämlich als Augenzeuge und machte genaue Angaben über den Tathergang und den Wagen bei der Polizei. Bei der Vernehmung des Arztes ist Kriminalhauptkommissar Köster alles andere als überzeugt von der Schuld des Dr. Margolis und hinterfragt den zweifelhaften Tathergang, bis sich eine äußerst seltsame, aber ergiebige Spur offenbart...

Unter der Bearbeitung von Krimi-Spezialist Wolfgang Becker entstand mit "Jack Braun" gleich zu Beginn der Serie eine der besonders starken Folgen, die in vielerlei Hinsicht überdurchschnittlich geworden ist. Zunächst ist der vollkommen destruktive Charakter der zweiten Folge zu erwähnen und auch das vollkommene Fehlen eines Sympathieträgers lässt wenig Hoffnung für eine günstige Prognose zum Ende hin aufkommen. In einer sich zuspitzenden Atmosphäre, die durchzogen ist von Zynismus, Hass und Rache begibt sich Köster in die Manege und wird mit einem Fall konfrontiert, der zunächst ziemlich eindeutig aussieht. Ein Mann wurde überfahren und es besteht Fahrerflucht. Dass man den Wagen so schnell und präzise ausmachen konnte, weckt sein Misstrauen und es scheint ohnehin in Kösters Natur zu liegen, immer einmal mehr als die anderen zu hinterfragen, was sich offenbar immer bewährt hat. Da man als Zuschauer quasi eingeweiht ist und das Mordkomplott in allen Details veranschaulicht bekommt, steht man zunächst auf der Seite des beschuldigten Dr. Margolis, bei dem sich allerdings nach kürzester Zeit herausstellt, dass es sich um einen arroganten und emotionslosen Herrn handelt, von dem man annehmen könnte, dass er für den Hass, den er auf sich zieht, bestimmt selbst verantwortlich ist. Doch wo liegt das Motiv? Diese Frage wird im Verlauf allerdings nur mit den nötigsten Informationen versehen.

Die Titelfigur gibt einige Rätsel auf. Der Schweizer Peter Bollag gibt diesem Mann, der auf eine schwer zu beschreibende Art und Weise überaus beunruhigend wirkt, dabei ein hervorragendes Profil. Man sieht ihm in den Augen an, dass er von Gefühlen der Rache zerfressen, und von Hass angetrieben ist, sein Plan ist alles andere als ein Schnellschuss, sondern er weiß, was er erreichen will. Eine Reputation, eine Existenz vernichten. Bollag ist dabei vollkommen unbegreiflich, man könnte sogar sagen, dass er Verwirrung stiftet. Sein stechender Blick, sein unerbittliches Vorgehen, das mit einer konträr wirkenden und sanft klingenden Stimme delegiert wird, die komplette Erscheinung wirkt bizarr. Ständig in schwarz gekleidet, schleicht Jack Braun zielstrebig umher wie der personifizierte Tod, seine hochhackigen Schuhe wirken derartig grotesk, dass dieses Gesamtbild möglicherweise Schlüsse auf seinen Charakter zulässt. Er ist möglicherweise von Komplexen beladen und Neurosen gequält und versucht, seine persönliche Größe aufzupolieren. Sein Opfer und Gegenpart spielt der großartige Peter Pasetti als Arzt der besseren Gesellschaft. Dass mit seinem Wagen offensichtlich ein Mord verübt wurde lässt ihn nahezu kalt und er fühlt sich durch die unbequeme Befragung allenfalls belästigt. Insgesamt besticht die zweite Folge durch ihren schwindenden Zeitaspekt und ihre brenzligen Szenen, die einem Diktat gleich kommen. Köster hätte es hier tatsächlich jederzeit erwischen können und der Zuschauer, der erahnt, warum alles so kommen musste, bekommt im Finale allerdings noch eine kleine Lehrstunde in Sachen Rhetorik serviert. Bei der Inszenierung gibt es überraschend frische und klassische Kniffe zugleich; beispielsweise Blitzmontagen, Überblendungen oder die insgesamt großartige Bildgestaltung machen diese Folge von Wolfgang Becker zu einer immer wieder überzeugenden Angelegenheit.
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FarfallaInsanguinata
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Schöne Sache, Prisma. :)

Ich selbst muß hier leider vollständig passen. Besitze exakt eine einzige Folge auf Video (http://kommissar-koester.blogspot.de/20 ... rache.html), die ich heiss und innig liebe und zu gegebener Zeit gerne besprechen werde. Mit mehr kann ich nicht dienen, auch wenn ich natürlich recht viel damals im TV gesehen habe. Aber aus schemenhafter dreißig- bis vierzigjähriger Erinnerung kann niemand was besprechen.

Wenn ich begründen müßte wieso ... "Kommissar Keller" war ein prägender Kindheitseinfluss. Da habe ich auch richtig witzige persönliche Erinnerungen dran, z.B. eine Folge, die ich damals "heimlich" mit meiner Baby-Sitterin schaute, weil ich die Serie natürlich eigentlich nicht sehen durfte. Leider kehrten meine Eltern zu früh heim, wir mussten aprupt ausschalten und ich erfuhr erst Jahrzehnte später bei den Wiederholungen, wer der Mörder war. Meine Erzeuger rochen den Braten übrigens trotzdem, da der Fernseher ja noch warm war und sie um meinen Krimi-Spleen wussten. :lol:
Oder zwei "Der Kommissar"-Hörspielplatten, die ich als Kind bekam.

"Der Alte" startete aber erst als ich schon 11 oder fast 12 war, da hatte sich meine Macke schon stark Richtung "Horror" verschoben und so wurde ich mit "Köster" nie so richtig warm. Obwohl er mir mit seiner eigenbrötlerischen Art eigentlich sympatisch war, im Gegensatz zu "Derrick". Den konnte ich nie ab, das war so ein affektierter Arsch, der hätte sich auch nie wie "Kommissar Keller" einfach in eine Kneipe gesetzt und mitgesoffen. ;)
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Prisma
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Prisma »

Du meinst wohl eher, dass du für den Moment passen musst! :lol:
Die Serie ist eine (erneute) Sichtung wirklich wert. Klasse Inszenierungen und es wimmelt nur so von prominenten Gast-Darstellern. Ich habe die Serie erstmals auf DVD gesehen, habe ich nie im TV geschaut. Das war aber mit "Derrick" und "Der Kommissar" genau das gleiche.
Zu meiner Zeit war das eher "Mord ist ihr Hobby". :lol:

Interessant, was du zu "Derrick" sagst. Da habe ich auch ziemlich viele Boxen und war immer recht angetan, doch plötzlich war die Luft vollkommen raus und ich habe immer wieder mit Erik Ode und Siegfried Lowitz vergleichen müssen, die ihre Sache nicht nur vollkommen anders angehen, sondern irgendwie auch greifbarer wirken.
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Prisma
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Prisma »


● Folge 3: DER ALTE SCHLÄGT ZWEIMAL ZU (1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande, Jan Hendriks
Gäste: Brigitte Horney, Loumi Iacobesco, Michel Robin, Eleonore Noelle, Harald von Koeppelle, Uli Steigberg, u.a.
eine Produktion der Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: José Giovanni


»Und du hast noch die Frechheit von dieser Schlampe zu sprechen!«
Der Spediteur Erich Finberg will sich so schnell wie möglich von seiner Frau scheiden lassen, um seine wesentlich jüngere Geliebte heiraten zu können. Von einer Tour brachte er nämlich die schöne Vanessa aus Polen mit und hält sie seitdem in einer feudalen Wohnung aus. Frau Finberg wehrt sich jedoch entschieden gegen eine Scheidung und packt nach einem Streit die Koffer. Sie möchte ein paar Tage bei ihrer Mutter verbringen, wo ihr Mann sie mit seinem LKW absetzen soll. Zwei Tage später sucht die besorgte alte Dame Kriminalhauptkommissar Köster auf und erhebt schwere Anschuldigungen gegen ihren Schwiegersohn. Da ihre Tochter spurlos verschwunden ist, beschuldigt sie ihn des Mordes. Für Köster und seine Kollegen beginnen minutiös angelegte Ermittlungen...

Auch nach kürzester Zeit darf innerhalb einer noch jungen Serie keine Eintönigkeit aufkommen. Es scheint, als habe man sich bei den Verantwortlichen genau dieses Prinzip vorgenommen und die dritte Folge in Teilen mit einem Stab ausgestattet, der zumindest über die Grenzen der deutschen TV-Landschaft hinaus ragt. Auch die Besetzung steht für ein beinahe europäisches Flair, was wohl dem schweizerisch-Französischen Regisseur José Giovanni zu verdanken ist. Der Kriminalfall wirkt auf den ersten Blick ziemlich herkömmlich, eine unbequeme Ehefrau verschwindet spurlos, ihr Mann hat eine jüngere Geliebte und ein Familienmitglied bezichtigt ihn des Mordes. Interessant bei dieser Veranstaltung ist die bunt zusammen gewürfelte Besetzung die funktioniert, eben weil sie nicht konventionell zusammen passen möchte. Der Fall wird akribisch aufgerollt und ausgiebig, aber vor allem verständlich für den Zuschauer rekonstruiert, was zu einigen leichteren Längen führen wird, die allerdings durch ein hervorragendes Finale weniger gravierend erscheinen. Interessant bei dieser dritten Folge sind die Randnotizen. Es heißt, dass "Der Alte schlägt zweimal zu" damals einen Skandal ausgelöst haben soll und Polizeigewerkschaften insofern protestierten, weil die Arbeit an sich verzerrt dargestellt wurde, da der Täter mit unlauteren Mitteln überführt wurde. Die Folge wurde bei einigen Sendern aus dem Programm gestrichen und das ZDF musste sich zu rechtfertigen. Natürlich sind derartige Aufschreie immer relativ zu betrachten, aber insbesondere die Charakterisierung von Kösters Mitarbeiter Heymann schoss ein wenig über das Ziel hinaus, als er sich mit der Verdächtigen einlässt. Um dabei möglicherweise an Informationen zu kommen, oder ob er sich eben nur hat einwickeln gelassen, bleibt ein Geheimnis der Regie und man darf selbst entscheiden. Dennoch bleibt unterm Strich ein annehmbarer Fall bestehen, der trotz der klassischen Inszenierung hin und wieder richtig exotisch wirkt.

Bei der Besetzung fällt zunächst der Franzose Michel Robin auf. Er, der alles andere als einen Casanova-Typen aus dem Bilderbuch darstellt, hat ein Verhältnis mit der attraktiven Vanessa, die von der Rumänin Luomi Iacobesco mit Feuer versehen wird. Da der Spediteur Finberg offenbar recht wohlhabend ist, entscheidet sie sich für die bequemste Variante: sie lässt sich aushalten, obwohl sie nebenher für Mode-Fotos posiert. Das wichtigste ist allerdings, dass sie so schnell wie möglich einen Ring am Finger haben muss, da sie sonst ausgewiesen wird. Finbergs Frau findet für diese Dame daher sehr deutliche Vokabeln und hält ihrem Mann vor, dass sie nur auf ein besseres Leben, und auf sein Geld aus sei. Unmittelbar darauf fleht der Mann, der in seinem Verhalten eher einem kleinen verliebten Jungen gleicht, seine Frau auf Knien um die Scheidung an, doch sie bleibt hart. Bei diesen kurzen Szenen macht Eleonore Noelle eine sehr gute Figur und nach ihrem ziemlich schnellen Verschwinden hätte man sich mindestens einen weiteren Wutausbruch von ihr gewünscht. Ihre Mutter wird von der großartigen Brigitte Horney gespielt, die das Thema Mord als erste zur Sprache bringt. Wie üblich bestechend in Erscheinung und Aura, freut man sich über ein Wiedersehen mit dieser großen Dame, die trotz ihres deutsch-bürgerlichen Anstriches etwas Erhabenes zu transportieren weiß. Die ganz große Bühne ebnete man ihr jedoch nicht und das Potential wirkt etwas unausgeschöpft. Die Konzentration liegt im Grunde genommen wesentlicher auf dem Aufrollen des Falles, als auf den beteiligten Personen, was allerdings zu diesem Puzzle-Spiel dazu gehört. Als bereits nach relativ kurzer Zeit der eigentliche Fall gelöst zu sein scheint, steht man als Zuschauer für einen kurzen Moment etwas ratlos da, aber gewisse Wendungen und das perfekt geplante Katz-und-Maus-Spiel sorgen nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern auch für Zufriedenheit. Stilistisch gesehen hat diese Folge ungewöhnlich viele Außenaufnahmen zu bieten, vermutlich als Ausgleich für die grauen und kalten Büroräume bei der Kripo, in denen man sich zwangsläufig noch aufhalten muss. Letztlich ist unter José Giovannis Regie ein gut durchdachter Fall über die Ziellinie gebracht worden, der möglicherweise vor allem aufgrund seiner kontroversen Inhalte für Nachhaltigkeit sorgt.
untot
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von untot »

Ich liebe Lowitz heiß und innig, damals wie heute, erst letzte Woche habe ich meine mittlerweile dritte Sichtung der kompletten Serie beendet, herrlich!
Im Gegensatz zu Derrick, dessen Folgen auch allesamt im Regal stehen, kommt mir Köster menschlicher vor und die Folgen sind auch nicht ganz so simpel gestrickt wie bei Derrick.
Mittlerweile ziehe ich "Der Alte", "Derrick" vor, Köster ist ein Mensch mit Ecken und Kanten und dem Herz am rechten Fleck, dagegen ist Derrick schon ein aalglatter irgendwie, aber der hat durchaus auch seinen Charme!
Jedenfalls mit Kommissar Köster war nach hundert Folgen für mich auch die Serie gestorben, seit dem guck ich das nicht mehr an, nach Lowitz gibt's nix mehr für mich! :nixda:
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Prisma
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Prisma »

untot hat geschrieben:Jedenfalls mit Kommissar Köster war nach hundert Folgen für mich auch die Serie gestorben, seit dem guck ich das nicht mehr an, nach Lowitz gibt's nix mehr für mich!
Genau so habe ich das auch so gehandhabt, obwohl es danach sicherlich noch sehr interessante Folgen geben dürfte. Auch manche Gast-Auftritte fand ich schon verlockend, aber nach Lowitz hätte sich einfach alles permanenten Vergleichen aussetzen müssen. Unter den Umständen kann man sich dann nur schwer auf was Neues einlassen. So sehe ich mir dann eben die Köster-Folgen immer wieder mit großem Vergnügen an, genau wie das gerade jetzt der Fall ist. Bei "Derrick" hatte ich dieses Verlangen auch nicht, obwohl mich die Serie 10 Boxen lang sehr gut unterhalten hat.
untot
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von untot »

Nach Lowitz kam nix gutes mehr nach fand ich. Mochte alle seine Nachfolger nicht.

Derrick war bis Mitte der achtziger ok, danach wurde es mir dann zu stumpf und zu künstlich irgendwie, aber die frühen Folgen mag ich auch heute noch, meine bessere Hälfte sagt immer, bei Derrick benimmt sich niemand wie ein normaler Mensch, irgendwo hat er recht damit. Aber gerade das ist es was mich manchmal gut unterhält, kann ich aber nicht immer haben.
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Prisma »


● Folge 4: TOCCATA UND FUGE (1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande, Jan Hendriks, Xenia Pörtner
Gäste: Harry Meyen, Heidelinde Weis, Peter Fricke, Wolfgang Gasser, Gracia-Maria Kaus, Eva Christian,
Hanne Wieder, Michael Maien, u.a.
Eine Produktion der Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: Wolfgang Becker


»Langsam geht mir die ganze Clique hier auf die Nerven!«
Der Mord an einer jungen Frau im Schnellzug von Triest nach München ist nach wie vor ungeklärt, so dass Kriminalhauptkommissar Köster an die Öffentlichkeit tritt. In einer Fernsehsendung schildert er die wenigen bekannten Umstände und bittet um mögliche Hinweise. Der Mann der Ermordeten hatte seinerzeit ein wasserdichtes Alibi, denn er sei auf einer gut frequentierten Party gewesen, was zahlreiche Personen bezeugen konnten. Kurz nach Kösters Aufruf an die Öffentlichkeit meldet sich eine Dame bei ihm, die ihre Aussage korrigiert. Sie scheint sich auf einmal gar nicht mehr so sicher zu sein, dass der Tatverdächtige die ganze Zeit auf der besagten Party gewesen sei und torpediert damit das Alibi. Doch dieser plötzliche Sinneswandel weckt Kösters Misstrauen. Er durchleuchtet den Freundeskreis des Verdächtigen und stößt in dieser sogenannten besseren Gesellschaft auf hohe Widerstände und diverse Ungereimtheiten...

Wolfgang Beckers "Toccata und Fuge" kann nicht nur in aller Bescheidenheit, sondern auch in aller Deutlichkeit als eine der wohl extravagantesten Köster-Folgen bezeichnet werden und es ist überaus anerkennenswert, dass sich gleich zu Beginn solche Unikate innerhalb der Reihe hervor heben können. Was zeichnet diesen erst vierten Beitrag also insgesamt so aus? Der Kriminalfall an sich ist es eigentlich noch nicht einmal und es bleibt geradezu seltsam dass betont werden sollte, wie augenscheinlich sekundär dieser im Gegensatz zu diesem verspielten Treiben und dem beachtlichen Gesamtpaket wirkt. Bereits der anfängliche Mord im Zug vermittelt eine erstaunlich dichte Atmosphäre und unmittelbar danach sieht man einen vollkommen sachlichen Kriminalhauptkommissar Köster schon in einer Fernsehsendung, um den Zuschauern den überaus prosaischen Charakter des Falles zu schildern. Doch dieser Eindruck wird in Folge vier nur eine Momentaufnahme bleiben, denn das Umfeld der Ermordeten arbeitet mit Hochdruck an Kontrasten. Diese Herrschaften fallen sequenzenartig vielleicht hin und wieder ein wenig zu derb ins Klischee, doch es sind definitiv die einzelnen Färbungen der Charaktere, bei denen man leicht ins Staunen kommt. Die versnobte Schickeria ruft bei Köster offensichtliche Ablehnung hervor und er trägt dies mal mehr, mal weniger zur Schau. Die Spleens und Launen dieser Leute vermitteln eine empfundene Lethargie, vielleicht sogar eher schon Destruktivität, denn wenn man bereits alles besitzt oder kennt, gibt es keine Überraschungen mehr. Daher käme ein abwechslungsreicher Mord doch eigentlich wie gerufen, vorausgesetzt es hätte nicht die eigene eingeschworene Gesellschaft getroffen. Aus Verachtung, Desinteresse und Hass entwickelt sich also zunächst eine Art Solidarität und man ist an Verschleierungstaktiken interessiert, doch auch dieses Vorgehen besitzt nur eine äußerst kurze Halbwertszeit. Die sich durch den Alltag windende Langeweile schlägt daher um und alles wirkt plötzlich wie ein Spiel, dessen Einsatz ein Bauernopfer sein wird. Genau diesen Eindruck wissen Heidelinde Weis und ihre Gefolgschaft zu vermitteln, weil der Verlauf nach kurzer Zeit einem Roulette ähnelt.

Zeugenaussagen wirk(t)en choreografiert und ebenso einstimmig kommt es zum Widerruf. Das Räuber-und-Gendarm-Spiel für Fortgeschrittene wird von den Beteiligten eindrucksvoll gezeichnet. Heidelinde Weis bietet ein Konglomerat aus Traumtänzerei und weiblicher Berechnung an, das man bereitwillig annimmt. Insbesondere sie wird es bleiben, die der Geschichte ihre versteckten surrealistischen Tendenzen genüsslich herauskitzelt. Dem Empfinden nach haben sich diese Leute gegenseitig verdient und es sieht außerdem so aus, als sei jeder mit jedem schon einmal intim gewesen. Intim genug zumindest, dass man dunkle Geheimnisse haben, und sich gegenseitig verachten kann. Ironie und Zynismus durchziehen den Verlauf sehr begrüßenswert, so hört man beispielsweise Harry Meyen in einer Szene scherzhaft verkünden: »Ich hätte Regisseur werden sollen!« In gewisser Weise führt der von ihm dargestellte Frank Brack allerdings tatsächlich Regie über die Ereignisse, denn er verfügt über das nötige Kleingeld, auf das andere angewiesen sind, um ihr Leben auf der Überholspur genießen zu können. Harry Meyens teils undurchsichtige und emotionslose Leistung steht der Szenerie ausgesprochen gut und er wird quasi zum Spiegel der Launen seiner Freunde. In diesem Zusammenhang ist Peter Fricke wie immer eine Bereicherung und er reiht sich perfekt in die mondäne Clique ein. Wolfgang Gasser, Gracia-Maria Kaus und Michael Maien passen ebenso überzeugend in diese Riege und von Hanne Wieder sowie Eva Christian gibt es nette, abrundende Interpretationen geboten. Diese schöne Schauspieler-Folge bleibt also aus vielerlei Hinsicht in langer Erinnerung, weil sie mit der Exaltiertheit und dem wachsenden Realitätsverlust in einer Scheinwelt jongliert. Das alles mutet nahezu exotisch für eine Folge aus einer Kriminalserie an, in der der untergeordnete Fall dennoch, oder gerade deswegen als Klassiker in Erinnerung bleibt. Unter Wolfgang Beckers Regie ist also ein hochinteressantes und trotz vorhersehbarer Inhalte, unberechenbares Katz-und-Maus-Spiel entstanden, in dem die Maus sich im Endeffekt häufiger als nur ein Mal mit der Katze verwechselt hat. Sollte man wirklich gesehen haben!
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