Das Mädchen Rosemarie - Bernd Eichinger (1996)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Das Mädchen Rosemarie - Bernd Eichinger (1996)

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DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (1996) [TV]

Nina Hoss als Rosemarie Nitribitt
mit Heiner Lauterbach, Matthieu Carrière, Hannelore Elsner, Horst Krause, Til Schweiger, Ivan Desny und Katja Flint
Eine Produktion der Neue Constantin Film für Sat.1
ein Film von Bernd Eichinger


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»Und dabei denkt die ganze Welt, die Deutschen würden nur arbeiten!«
Die junge Rosemarie Nitribitt (Nina Hoss) will im Frankfurt der Fünfziger Jahre von ganz unten nach oben. Sie ist in Heimen und Pflegefamilien aufgewachsen, hat aber das klare Ziel vor Augen, zur besseren Gesellschaft zählen zu wollen, und dafür ist ihr jedes Mittel recht. Als sie als Animierdame in einem Club arbeitet kommt ihre große Chance. Die Gäste, die dort im Begriff sind eine Orgie zu feiern, zählen zu den oberen Zehntausend, und durch eine List lernt Rosemarie den Industriellen Konrad Hartog (Heiner Lauterbach) kennen, mit dem sie eine Affäre beginnt. Durch ihn gelangt sie schnell in die exklusiven Kreise der Gesellschaft. Doch Rosemarie will bedeutend mehr. Um ihren Stand zu legitimieren soll Konrad sie heiraten, doch dieser ist bereits mit der eleganten Christine Bergmann (Katja Flint) verlobt. Als sie den französischen Geschäftsmann Fribert (Matthieu Carrière) kennen lernt, der ihr eine Wohnung einrichtet, und sie auf die Geschäftsfreunde von Hartog ansetzt, macht sie sich einen Namen als Edelprostituierte, doch gerät schon bald in ein gefährliches Spiel um Erpressung, Macht und Geld, dem Rosemarie letztlich nicht gewachsen ist...

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Diese neue Adaption von "Das Mädchen Rosemarie" war 1996 der Auftakt in der Reihe »German Classics«, die die Produktionsfirma Neue Constantin damals für Sat.1 produzierte. Des Weiteren entstanden Remakes der Klassiker "Die Halbstarken", "Es geschah am hellichten Tag" und "Charley's Tante". Für das sogenannte Prestige-Projekt stand seinerzeit ein unglaubliches Produktionsbudget von satten 15 Millionen D-Mark zur Verfügung, und auch der Einstiegsfilm wurde dem Vernehmen nach zu einer bis dato teuersten TV-Produktionen überhaupt. Ich erinnere mich noch an groß und offensiv angelegte Werbe-Kampagne des Senders, was sich zumindest für "Das Mädchen Rosemarie" auch rechnete, denn der Film brachte es bei seiner Premiere auf beachtliche 8,5 Millionen Zuschauer. Bei den folgenden Beiträgen halbierten, beziehungsweise drittelten sich die Zuschauerzahlen. Bernd Eichinger, der damalige Chef der Neue Constantin, produzierte die Reihe nicht nur, er führte auch erstmals selbst Regie bei der Geschichte um die Frankfurter Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt.

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Außerdem war er noch verantwortlich für das sehr frisch wirkende Drehbuch, und brachte es insgesamt auf ein bemerkenswertes Ergebnis. Egal was man im Endeffekt von derartigen Neuverfilmungen halten mag, hier bekommt man es in allen Belangen mit einem Film zu tun, dessen Ausstattung für TV-Verhältnisse nahezu beispiellos ist. Die weitgehend fiktive Handlung mit überaus spekulativem Inhalt ist und bleibt wohl zurecht etwas umstritten, aber für meinen persönlichen Geschmack wurde hier nahezu alles perfekt gelöst, so dass es sich um ein Filmvergnügen handelt, das ich mir seit 1996 kontinuierlich und mitunter am häufigsten immer wieder bereitet habe. Es kommt nicht sehr oft vor, dass die Faszination der Erstansicht sich stets auf jedes neue Anschauen übrtragen kann, was hier allerdings definitiv der Fall ist. Zu erwähnen ist noch, dass die Produktion damals mit mehreren angesehenen Auszeichnungen bedacht wurde, darunter auch "Die goldene Kamera" für Nina Hoss als beste Nachwuchsdarstellerin.

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Hinsichtlich der beteiligten Darsteller versammelte sich in dieser Produktion wirklich die Crème de la Crème der deutschen TV-Landschaft, außerdem werden hier buchstäblich Nina Hoss-Fans geboren. Bernd Eichinger erwähnte in einem Interview, dass für die Auswahl der Titelrolle nur eine Probeaufnahme stattgefunden habe, beziehungsweise nötig war, um Nina Hoss diese Rolle anzuvertrauen. Es ist fast nicht mehr anders zu sagen, aber nach diesem Film bleibt die Verkörperung der Rosemarie Nitribitt durch Nina Hoss dem Empfinden nach ohne wirkliche Alternative. Anfangs wird sie etappenweise in jungen Jahren gezeigt, um dem Zuschauer zu verdeutlichen, wo Rosemarie tatsächlich herkommt. Dabei wird das Motiv der schweren Kindheit allerdings nicht weiter ausgeschlachtet, sondern zeigt nur den Werdegang eines jungen, resoluten Mädchens, welches mit allen Mitteln versucht weiterzukommen. Der Zweck heiligt daher alle Mittel und es kommt zu sehr eindeutigen Veranschaulichungen, die Zeit bezogen in den Vorgänger-Versionen nicht im Entferntesten möglich waren. Die 1975 geborene Schauspielerin geht vollkommen in ihrer Rolle auf und hinsichtlich ihrer Leistung darf nach Superlativen gesucht werden.

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Rosemarie erklärt allen Männern mit ihrer offensiven Weiblichkeit den Krieg, und es kommt reihenweise zu Kapitulationen, sogar bevor dieser überhaupt begonnen hat. Dabei erfindet Nina Hoss ihre eigentlich nur angelehnte, aber frischer wirkende Rolle pausenlos neu, und sie zieht die Sympathien des Zuschauers spielend auf sich. Vielleicht ist hier vieles in Wort und Tat zu zeitgemäß ausgefallen, und beißt sich hin und wieder mit der 50er Jahre Ausstattung, dafür ist der Unterhaltungswert im Vergleich zur älteren Konkurrenz allerdings noch deutlicher garantiert. Nina Hoss schildert mit Leichtfertig- und Leichtigkeit eine Metamorphose, die die Stationen ordinär, frivol, glasklar kalkulierend, elegant und damenhaft ausgezeichnet darstellt und hervorragend ineinander übergehen lässt. Temperament, Hochmut, Emotionalität und Körpersprache machen sie beinahe greifbar und man bekommt es daher weniger mit einem Mythos zu tun. Nina Hoss zählt ohne jeden Zweifel zu den besten Schauspielerinnen, die sich hierzulande finden lassen!

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Die weiteren Rollen sind bis ins Detail hochkarätig besetzt worden und es ist anzunehmen, dass die Schauspielgarde damals einen großen Teil des Produktionsbudgets verschlungen hat. Heiner Lauterbach als reicher Geschäftsmann und Objekt der Begierde macht einen hervorragenden Eindruck, wird aber hin und wieder auch zur Projektionsfläche für leichtere Sentimentalitäten. Das allgegenwärtige Motiv Liebe wird glücklicherweise nicht zum Diktat, sondern wirkt nach Beendigung des Films eher diffus, weil nicht deutlich wird, ob es überhaupt jemals existiert hat. Jeder darf also selbst entscheiden, ich persönlich bleibe eindeutig beim Kalkül einer Frau, die wohl unbändig resolut gewesen sein muss. In dieser Hinsicht stellt sich die anfangs für beide Seiten profitable Verbindung zwischen Rosemarie und dem französischen Geschäftsmann Alfons Fribert, in den Matthieu Carrière alle Finessen hineinschleuste, die er zur Verfügung hatte, als überaus fatal heraus. Beidseitiges Unterschätzen, rücksichtsloses Ausnutzen und gegenseitiges Betrügen sind die sich langsam aufbäumenden Indikatoren dafür, dass man unausweichlich auf eine Katastrophe zusteuert.

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Fribert macht eine Dame aus Rosemarie, zumindest aus ihrer Hülle, er richtet ihr ein nobles Appartement ein, staffiert sie aus, macht sie mit der Haute Couture, sowie der Etikette vertraut und führt sie aus, damit sie die potentielle Kundschaft sondieren kann. Bei den Schäferstündchen soll sie schließlich Tonbänder mitlaufen lassen, die Fribert beim Durchsetzen seiner Interessen behilflich sein sollen. Hannelore Elsner als Hartogs burschikos und überaus hochnäsig wirkende Schwester Marga zieht ebenfalls sämtliche Register und verteilt giftige verbale Peitschenhiebe und Horst Krause als großkotziger Milliardär Bruster übertrifft alles was man bislang gesehen hat. Auch Katja Flint überzeugt restlos als die Verlobte von Hartog, sie darf ohne versnobtes und majestätisches Gehabe auskommen, was der Geschichte erstaunlich zu Gute kommt, da man auf allen Seiten mehrere Sympathieträger finden kann. Nur Til Schweiger hat erhebliche Probleme sich gegen diese starken Leistungen durchzusetzen, so dass seine darstellerischen Schwächen mehr als offensichtlich werden, aber er hatte ja auch einen einfacheren Charakter zu spielen. Insgesamt gesehen sieht man aber einen traumhaften Schauspieler-Film!

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Es sind eigentlich zu viele der Lobeshymnen für eine TV-Produktion, die obendrein noch ein Remake eines altbekannten Klassikers darstellt. Die Schwierigkeit in solchen Fällen besteht immer bei der authentischen Umsetzung, aber vor allem spielt der Zeitaspekt eine entscheidende Rolle. So wurde dem Film oftmals vorgeworfen, dass er in vielen Etappen der langen Spieldauer einfach zu neu wirkt, und die Umstände der 50er Jahre lediglich durch die opulente Austattung widerspiegelt. Für meinen Geschmack bewies die Regie jedoch ein gutes Gespür in der Kopplung dieser Komponenten und wird daher jeder Seite gerecht. Die gesellschaftskritischen Aspekte der Ur-Version fehlen weitgehend und es schimmert hin und wieder eine gewisse Portion Oberflächlichkeit und Naivität durch. Auch an neuen Erkenntnissen oder gar Aufklärungen ist dieser Film nicht im Geringsten interessiert, er möchte lediglich unterhalten und vielleicht etwas neuen Stoff zum Herumspekulieren liefern. Auf mich wirkt diese moderne Mischung allerdings seit jeher wesentlich interessanter als Rolf Thieles Adaption, wobei dieser Vergleich beiden Rosemarie-Interpretationen sicherlich auch nicht gerecht wird. Was für mich persönlich bei "Das Mädchen Rosemarie" aber so überraschend war ist, dass mich das Remake sofort überzeugen konnte, da ich derartigen Neuauflagen in der Regel immer sehr skeptisch gegenüber stehe.

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Die folgenden Filme der »German Classics«-Reihe ließen mich trotz aufwendiger Inszenierungen und guter Darsteller insgesamt sogar unberührt. Bernd Eichingers Interpretation des Stoffes ignoriert den kriminalistischen Aspekt vollkommen und er konzentrierte sich beinahe ausschließlich auf Charakter-Studien. Die Musik von Norbert J. Schneider kann man für TV-Niveau wirklich als ausgezeichnet beschreiben, nicht zuletzt wegen der vielen Verdi-Stücke, die Schauplätze sind authentisch, und die Bildgestaltung ist hervorragend und fesselt in satten Farben, was besonders in den vielen Szenen mit Rosemaries signalrotem Mercedes-Benz 190 SL Cabriolet zum Hochgenuss wird. Die Regie präsentiert den Aufstieg einer Hure, den man auch problemlos in jede andere Dekade hätte hineinpacken können, außerdem hätte diese TV-Produktion sicherlich Potential für eine Kino-Auswertung gehabt. Im Endeffekt aber muss man den Hut vor der Hauptdarstellerin Nina Hoss ziehen, die hier Außergewöhnliches leistet. Neben ihr sieht sogar manchmal der deutsche Schauspiel-Hochadel ziemlich klein aus, der sich aber - und das ist das Beste - ebenfalls mit hochklassigen Darstellungen präsentiert. Nadja Tiller war definitiv vorgestern, und andererseits gab es Rosemarie Nitribitt definitiv auch nicht 1996! Also lautet mein Fazit eigentlich nur wie folgt, dass man diesen Film alleine schon wegen Nina Hoss gesehen haben sollte. Und ansonsten auch!
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Adalmar
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Re: Das Mädchen Rosemarie - Bernd Eichinger (1996)

Beitrag von Adalmar »

Klingt ja ganz gut, aber Heiner Lauterbach und vor allem Til Schweiger gehören für mich doch eher zu den abschreckenden Schauspielern.
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buxtebrawler
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Re: Das Mädchen Rosemarie - Bernd Eichinger (1996)

Beitrag von buxtebrawler »

Ich erinnere mich an diese TV-Film-Reihe, habe diesen Film aber glaube ich nicht komplett gesehen. Bei "Charley's Tante" hab ich mich aber köstlich über Max Raabe amüsiert und "Die Halbstarken" sogar so ins Herz geschlossen, dass ich meinen (längst digitalisierten) VHS-Mitschnitt gut hüte.

Aber Ich werde :offtopic:

P.S.: Lauter Heinerbach mag ich auch nicht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Prisma
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Re: Das Mädchen Rosemarie - Bernd Eichinger (1996)

Beitrag von Prisma »

Kann ich alles verstehen. Heiner Lauterbach zählt auch nicht gerade zu meinen Favoriten, doch hier beweist er, dass es auch mal anders geht als üblich. Eine überraschend diskrete, eingängige und vor allem greifbare Leistung die er hier abliefert.
Zu Til Schweiger kann ich nur sagen, dass seine Darbietung hier richtig Spaß macht und zwar insofern, dass er neben den überdurchschnittlich gut agierenden Kollegen komplett ins offene Messer läuft, weil er vergleichsweise ziellos umherirrt und seine darstellerischen Minderleistungen dementsprechend auf einem Silbertablett serviert. Mit ihm habe ich seit x-Jahren keinen Film mehr gesehen, vom Produktionsjahr dürfte "Das Mädchen Rosemarie" tatsächlich auch der lezte gewesen sein.
An die anderen Produktionen der "German-Classics"-Reihe kann ich mich gar nicht mehr so gut erinnern. Damals fand ich sie aber im Vergleich zum ersten Film deutlich schwächer.
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