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Santo vs. Blue Demon in Atlantis (1970)

Verfasst: Mi 24. Sep 2014, 18:36
von Salvatore Baccaro
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Originaltitel: Santo contra Blue Demon en la Atlántida

Produktionsland: Mexiko 1970

Regie: Julián Soler

Darsteller: Santo (!), Blue Demon (!), Jorge Rado, Augustín Martínez Solares, Rafael Banquells, Magda Giner

Nachdem ich nun unzählige mexikanische B-Movies in einer gesundheitsschädlichen Überdosis genossen habe, um zurück in die normale Welt zu finden, und darunter natürlich der eine oder andere Santo-Film gewesen ist, möchte ich meine Eindrücke, sozial wie ich nunmal bin, niemandem vorenthalten.

Tausend Pesos für den Titel! Santo kämpft also gegen Blue Demon in Atlantis? Aber ist Blue Demon nicht sein Freund und Waffengefährte? Sicher, nur ist dieser in die Fänge eines verrückten Nazi-Wissenschaftlers namens Hugo Olvrich geraten, der nicht nur ein Serum erfand, mit dem es möglich ist, den Verfall der körpereigenen Zellen soweit hinzuhalten, dass es praktische Unsterblichkeit zur Folge hat, sondern zudem in den Tiefen des Ozeans ein Untersee-Reich namens Atlantis begründete, das freilich auf dem mythologischen Ort gleichen Namens basiert und außerdem, seiner NS-Vergangenheit gemäß, als Schauplatz der Agenda herhalten muss, eine auf hellenistischem Vorbild gegründete weiße Herrenrasse heranzuzüchten, mit der irgendwann in naher Zukunft die oberirdische Erde bevölkert werden soll. Dafür hat Olvrich einige Atombomben im Gepäck, mit denen er unsere Welt erpresst: sollten wir nicht innerhalb eines bestimmten Zeitlimits kampflos kapitulieren, steht uns eben die allumfassende Annihilation bevor. Die Köpfe der Politiker, Wissenschaftler, UNO-Generäle kochen schon vor Grübeln darüber, wie man diese Gefahr nur abwende könne, da taucht Santo auf und erklärt sich bereit, die Welt einmal mehr im Alleingang zu retten. Was folgt, ist ein absurder, stellenweise ordentlich unlogischer Film, der über weite Strecken wie die groteske Kopie eines James-Bond-Thrillers funktioniert, nur eben mit dem Unterschied, dass sein Held permanent in einer Silbermaske herumläuft, und dass das Budget derart dürftig gewesen sein muss, dass der Raubbau, den man bei fremden Filmen betreibt, ausreicht, SANTO CONTRA BLUE DEMON EN LA ATLANTIDA als durchaus heißen Anwärter auf den Bruno-Mattei-Preis für den dreistesten Bilderdiebstahl handeln zu dürfen. Dem in viele Richtungen verzweigten Plot gemäß können die Verantwortlichen so ziemlich alles Material unterbringen, das ihnen in den Archiven in die Finger gerät: Aufnahmen, die offenbar primär wissenschaftlichen Zwecken gedient haben dürften, wie von Raumsonden, Bombenexplosionen in der Wüste und für das Jahr 1970 hochmodernem Fluggerät, dazu noch einiges aus irgendwelchen italienischen Monumentalfilmen, haushohe Statuen zum Beispiel, mit denen Olvrich angeblich sein unterseeisches Arier-Reich geschmückt haben will, und vor allem die eine oder andere Katastrophenszene, die, sollte ich mich nicht täuschen, aus zeitgenössischen japanischen Monsterfilmen stammen müsste. Überhaupt ist Godzilla, meiner Meinung nach, bei diesem Santo-Film gar nicht weit. Würde man den Silbermaskierten gegen die Echse austauschen, würde das vielleicht einen gar nicht so fundamental anderen Film ergeben. Natürlich meine ich nicht den Godzilla wie er unter der Regie von Ishiro Honda 1954 als Chiffre für die Tragik der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki toben und zerstören durfte, sondern den quietschbunten, kindertauglichen Godzilla der Jun-Fukuda-Jahre. Mit einem Werk wie KAIJU SÔSHINGEKI (deutscher Titel: FRANKENSTEIN UND DIE MONSTER AUS DEM ALL) teilt Santos Ausflug in die Tiefsee nämlich einiges: überzeichnete Comic-Ästhetik, trotz aller Action eher betuchtes Tempo, krude Plotentwicklungen etc. Nur die Nazis, die hat Honda nicht bieten können.

Überraschend ist indes, wie fundiert für deren Darstellung scheinbar recherchiert worden ist. Atlantis und Hitler, das ist keine Kombination, die auf den Mist der Santo-Skripter gewachsen wäre. Tatsächlich kann man Atlantis als angebliche Brutstätte des gemeinen Ariers bis in die national-völkische Literatur des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts zurückverfolgen. Schlagt nach bei Houston-Stewart Chamberlain oder etwas später bei Julius Evola oder noch etwa später in den Abhandlungen des NS-Historikers Karl Georg Zschaetzsch und ihr werdet feststellen, dass die Drehbuchautoren selbst in das eine oder andere Buch geschaut haben müssen, bevor sie ihren Ideen die Zügel schießen ließen. Freilich ist das ganze Nazitum in vorliegendem Film nur Mittel zum Zweck. Wie immer gilt: die einzelnen Bausteine sind komplett austauschbar, man kann den Film in beliebig kleine Segmente zerlegen, sie neu zusammenmontieren und das Ergebnis wäre genauso sinnvoll oder sinnlos wie die Variante, die der derzeitige Zusammenschnitt anbietet. Mal ist Blue Demon unter Hypnose auf Seiten des Bösen, dann wieder kämpft er mit Santo gegen die halbnackten Herrenmenschen, es wird viel gejagt und verschleppt und die Faust passt auf jedes Auge, und der Versuch, die Story in einen größeren Kontext zu strecken, nämlich den der internationalen Geheimdienste und Weltpolitik, scheitert nicht nur an den mauen ökonomischen Mitteln, sondern bereits an der einen oder anderen Szene, bei der man am besten nichts mehr fragt, sondern sich nur noch das Bäuchlein hält vor Lachen. Ein Beispiel gefällig? Santo, der hier im Nebenjob Geheimagent ist und zu diesem Behuf unter dem Decknamen X21 firmiert, steht auf der Abschussliste einer Spezialeinheit von Halunken, die mit Olvrich unter einer Decke stecken. Was tut man nun, um sich des Wrestlers zu entledigen? Genau, man postiert zwei Männer vor den Aufzug seines Wohnhauses, wo sie ihm weismachen, der sei außer Betrieb, er müsse die Treppe nutzen. Als Santo das tut, wartet ein dritter Bösewicht schon auf den Stufen, um ihn zu verprügeln. Natürlich sind Santos Hiebe deftiger und die drei angeblichen Meisterkiller müssen verbeult das Weite suchen. WTF?!

Ein Wort vielleicht noch zum Frauenbild, das in SANTO CONTRA BLUE DEMON EN LA ATLANTIDA vertreten wird. Insgesamt sind es drei Damen, deren Wege sich mit denen Santos kreuzen. Zwei davon sind wahre Teuflinnen, von der Gegenseite auf ihn angesetzte Spioninnen, die eines verdienten Todes sterben. Die dritte steht zunächst auf Seiten Olvrichs, entschließt sich dann aber, dem Guten, d.h. Blue Demon und Santo, zu folgen und stirbt im Schlussakt den Opfertod. Statt dass ich das nun weiter kommentiere, verweise ich noch auf eine himmelschreiende Prügelszene in Santos Wohnung, wo der mit einem weiteren Gegenagenten balgt. Die halbe Einrichtung wird in Schutt und Asche gelegt und die anwesende Dame, die Santo ins Bett locken wollte, um ihn dort vermutlich kaltzustellen, trifft zwischendurch eine auf unseren Helden abgegebene Pistolenkugel in die Brust. Das klingt nun alles noch recht normal und vernünftig, die Umsetzung indes, bei der Santo vollen Körpereinsatz gibt und sich auf Tische und gegen Stühle wie ein Wurfgeschoss schmettert, hat so wenig mit Normalität und Vernunft zu tun, dass ich den Film jedem empfehle, dem die alten Bond-Filme mit Sean Connery oder Roger Moore noch viel zu seriös und viel zu professionell sind.