Seite 1 von 1

The Mummies of Guanajuato (1972)

Verfasst: Mi 24. Sep 2014, 18:37
von Salvatore Baccaro
[thumbnail]http://moviecovers.com/DATA/zipcache/SA ... AJUATO.jpg[/thumbnail]

Originaltitel: Las momias de Guanajuato

Produktionsjahr: Mexiko 1972

Regie: Federico Curiel

Darsteller: Blue Demon (!), Mil Mascaras (!), Santo (!), Julio Cesar, Manuel Leal, Jorge Pinguino (!)

Nachdem ich nun unzählige mexikanische B-Movies in einer gesundheitsschädlichen Überdosis genossen habe, um zurück in die normale Welt zu finden, und darunter natürlich der eine oder andere Santo-Film gewesen ist, möchte ich meine Eindrücke, sozial wie ich bin, niemandem vorenthalten.

Falls jemand vorhaben sollte, die zentralmexikanische Stadt Guanajuato zu besuchen, für den ist LAS MOMIAS DE GUA-NAJUATO genau der richtige Film, beginnt er doch wie ein Werbevideo, das im Auftrag der örtlichen Behörden hätte gedreht worden sein können. Nach einer ausufernden Stadtbesichtigung führt ein Liliputaner namens Pinguin (sic!) uns und eine Truppe Touristen durch das legendäre Mumienmuseum, in denen die natürlich mumifizierten Leichen einiger Choleraopfer aus dem neunzehnten Jahrhundert ausgestellt sind – und, zumindest im Paralleluniversum, in dem vorliegender Film spielt, zudem die Überreste eines gewissen Satan, eines einstmals gefürchteten Wrestlers, der mit seiner ebenfalls mumifizierten Bande vor knapp hundert Jahren gegen einen Vorfahren Santos, der wie es der Zufall will ebenfalls Santo hieß, gekämpft und verloren haben soll. Eine Legende ranke sich um den konservierten Körper und die enthält der Pinguin uns nicht vor: nach weiteren hundert Jahren soll Satan, der, sein Name verrät das schon fast, mit dem Leibhaftigen im Bunde steht, zu neuem Leben erwachen und Rache an Santo und der Menschheit und Gott und überhaupt an allem dafür nehmen, dass er damals im Ring unterlegen ist – und, stellt der Liliputaner mit Schaudern fest, das fragliche Jahrhundert ist just in dieser Nacht vergangen! Natürlich verschwindet Satans Leichnam kurz darauf spurlos aus dem Museum und Pinguin wittert Unheil, weswegen er – nein, nicht Santo, sondern, fragt mich nicht weshalb, Blue Demon und Mil Máscaras aufsucht, letzterer ein Wrestler, der nach jedem Schnitt eine Maske in anderer Farbe aufhat. Da Pinguin zudem mit der einen oder anderen Nachtclubtänzerin befreundet ist, liefert LAS MOMIAS DE GUANAJUATO, der nur äußerst mühsam in die Gänge kommt, erstmal ein paar Tanz- und Gesangseinlagen, dann noch einen Wrestling-Kampf zwischen Blue Demon, Mil Máscaras und zwei unmaskierten Hünen, bis endlich die auferstandenen Mumien damit beginnen, eher sinnfreie Morde in der Stadt zu verüben, und Satan in einer ergreifenden Szene durch den leeren Ring schleicht, in dem Santos Ahnherr ihn einst in seine Schranken verwiesen hat: beinahe traurig blickt das halbverweste Gesicht, während von der Tonspur der Applaus der Vergangenheit ertönt.

Ziemlich deplatziert klingende Musik begleitet fortan die holprige Handlung, die, wie so oft, wirkt, als habe man sie aus drei oder vier unabhängigen Drehbüchern zusammengeschrieben. Beispielweise werden die Familienverhältnisse Blue Demons en detail auseinandergenommen. Er hat einen kleinen Sohn, Julio, der offenbar bei der Mama lebt, und auch nicht sein richtiger Sohn ist, sondern sein Adoptivkind, und der besucht den Papa übers Wochenende, was Stoff für viele herzzerreißende Liebesbezeugungen gibt. Mil Máscaras hat ebenfalls ein großes Herz, das für eine junge Dame schlägt, mit der er herumschäkern darf. Die Mumien, die in der Etruskergarde von Bianchis LE NOTTI DEL TERRORE überhaupt nicht negativ aus der Reihe fallen würden, sind da fast schon Nebensache, wenn sie kurzerhand Pinguin ermorden und Guanajuato ansonsten nicht wirklich in Angst und Schrecken versetzen, dafür die Polizei, deren Ermittlungen der Film auch noch bebildern muss, auf Trab halten, ohne dass die Geschichte von der Stelle treten würde. Blue Demon, das scheint Gesetz zu sein, muss von den Ermittlern freilich für einer der Halunken gehalten werden, und das kommt so: nach einem Kampf mit Satan, bei dem er unterliegt, d.h. bewusstlos zu Boden geht, hält es der Anführer der Mumien nicht für nötig, seinen Feind, was problemlos möglich gewesen wäre, endgültig kaltzumachen, sondern raubt ihm einzig die blaue Maske, die dann eine der anderen laufenden Leichen übergezogen bekommt, und derart maskiert ein, zwei Morde verübt, mit dem Hintergrund, dass Blue Demon für den verantwortlichen Killer gehalten werden soll. Keine Ahnung, was die Mumien damit bezwecken, zumal es Satans erklärtes Ziel doch ist, sich bei Santo zu revanchieren, doch der Plan geht auf und fortan steht Blue Demon auf der Fahndungsliste der Polizei und in der Pflicht, seine Unschuld zu beweisen.

Ich dachte schon, Santo würde gar nicht mehr auftauchen, doch kurz vorm Finale scheinen die Drehbuchautoren dann wohl doch der Meinung gewesen zu sein, sein Auftreten könne dem Film mehr nutzen als schaden, weshalb er mit seinem Manager zufällig nach Guanajuato gelangt, ohne von der dortigen Mumienplage etwas gewusst zu haben, und, nachdem er von Blue Demon und Mil Máscaras ins Bild gesetzt worden ist, dem ganzen Spuk ein Ende bereitet. Der Zufall will es nämlich, dass er in seinem Wagen mehrere pistolenartige Flammenwerfer mitführt. Wozu, das weiß keiner, nicht mal der, von dem der Einfall stammt, schätze ich, wichtig ist sowieso nur, dass Santo die Mumien im wohl kürzesten Showdown aller Zeiten mühelos in Brand steckt und sie wie morsches Holz runterbrennen ohne eine Spur zu hinterlassen. Was für ein merkwürdiger Film!, sage ich mir, noch den Rauch der versengten Bandagen in der Nase, und kann mich nur wundern, dass ein derartiger filmischer Surrealismus in Mexiko offenbar zum Mainstream gezählt wird.