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Santo attacks the Witches - 1968 - José Diaz Morales

Verfasst: Mo 6. Okt 2014, 18:59
von Salvatore Baccaro
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Originaltitel: Atacan las brujas

Produktionsland: Mexiko 1968

Regie: José Diaz Morales

Darsteller: Santo (!), Lorena Velázquez, María Eugenia San Martin, Ramón Bugarini, Fernando Osés

Nachdem ich nun unzählige mexikanische B-Movies in einer gesundheitsschädlichen Überdosis genossen habe, um zurück in die normale Welt zu finden, und darunter natürlich der eine oder andere Santo-Film gewesen ist, möchte ich meine Eindrücke, sozial wie ich bin, niemandem vorenthalten.

ATACAN LAS BRUJAS ist, ästhetisch gesehen, mit Abstand der beste all der Santo-Filme, die ich mir in einem hirnerweichenden Marathon die letzten Tage löffelweise einverleibt habe. Seine Schwarzweißphotographie lässt mich auf die Knie gehen, seine Kulissen sind ein Traum, bei dem es mich fast stört, dass ein maskierter Wrestler in ihnen herumspaziert, und er nicht von Regisseuren wie beispielweise Jean Rollin oder Philippe Garrel in seiner Heroin-Chic-Phase benutzt worden ist, sein Gespür dafür, eine wahrhaft schauerromantische Stimmung heraufzubeschwören, finde ich bewundernswert. Dabei ist er storytechnisch auf das Wesentlichste reduziert. ATACAN LAS BRUJAS hat sage und schreibe zwei Kulissen, in denen sich die ganze Handlung abspielt. Da wäre zunächst Santos Büro, wo es nicht viel zu sehen gibt. Man sitzt dort eben herum, plaudert, heckt Pläne aus, wie die titelgebenden Hexen, die ein mit dem Wrestler befreundetes Liebespaar bedrängen, am besten zu bekämpfen seien. Dann wäre da das alte Landhaus, das Ofelia nach dem Tod ihrer Eltern von diesen geerbt hat, und in der ihre bitterböse Stiefschwester, ihres Zeichens Anführerin eines Hexenzirkels, ihr Unwesen treibt. So minimalistisch dieses Häuschen, stilecht mit verwinkelten Giebeln, knirschenden Mansarden und unterirdischen Grüften, auch sein mag, sein Effekt ist weitgreifend. Viele feine Details wie spinnwebverhangene Betten, uralte Grabsteine, halbdunkle Säulenhallen verdichten sich zu einer Atmosphäre, die viel von frühen Schauerfilmen wie Christensens HÄXAN oder Dreyers VAMPYR atmet, und wenn das geschieht, komme ich aus dem Schwärmen sowieso nicht mehr heraus. Wundervoll beispielweise auch die schlichte Darstellung des Leibhaftigen, eine schwarze Gestalt mit Ziegenhaupt: es ist alles so einfach, so problemlos selbst herstellbar, dass dieser Film mir zuzuflüstern scheint, ich könne mich nicht mehr herausreden, ich müsste eine Kamera satteln und im nächsten leerstehenden Landhaus meinen eigenen Beitrag zum kinematographischen Hexentanz zu leisten.

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Aber so weit sind wir noch nicht, erst darf Santo in vielen und langen Kämpfen seine Prügelkünste unter Beweis stellen, wobei der Film, obwohl es anfangs scheint, als sei die Story so klar, dass man gar nicht anders kann als ihr zu folgen, irgendwann derart wirr und unverständlich wird, dass ich nicht mehr begriffen habe, was da nun genau geschieht. Ständig wird jemand von den Hexen entführt, ob nun Ofelia oder deren Verlobter Arturo oder Santo selbst, dann wieder befreit, dann beratschlagt man in Santos Büro, dann beginnt der Reigen von vorne, und immer so weiter bis der Film irgendwann endet und in meinem Kopf einzig die Erinnerung an ein undurchdringliches Dickicht an nicht nachvollziehbaren Plotentwicklungen zurückgeblieben ist. Zum Beispiel beginnt der Film, noch vor den Credits, mit Santo in voller Aktion. Ohne dass das irgendwie kontextualisiert werden würde, dringt unser Held in das Landhaus ein, balgt sich mit den Hexenhelfern, steht schließlich schon nach Minuten der Oberhexe gegenüber. Das alles entpuppt sich schließlich als Traum Ofelias, aus dem sie schweißgebadet hochschrickt. Sie erzählt ihrem Verlobten davon: sie habe geträumt, ihre Schwester sei eine Hexe und ein mysteriöser Mann mit Silbermaske habe sie vor dieser gerettet. Da lacht Arturo nur: diesen Mann, den gibt es wirklich, und er ist mein bester Freund. Damit wäre Santo in die Handlung integriert, auf den Traum wird später kein einziges Mal mehr rekurriert, und Ofelia darf endlich den Freundeskreis ihres Zukünftigen kennenlernen, während ich erstaunt darüber bin, wie heftig um die Ecke der Drehbuchautor gedacht haben muss, um das Ganze so bemüht konstruiert zusammenzuführen. Ansonsten habe ich der Handlung wenig Aufmerksamkeit geschenkt, stattdessen in den expressionistischen Licht-Schatten-Spielen geschwelgt und den großartigen Katakombenaufnahmen, in denen Santo genügend Gelegenheit hat, wortlos umherzustreifen. Von mir aus hätte der Film gut und gerne nur aus solchen Szenen bestehen können. Vielleicht sogar ohne Protagonisten. Einfach die Kamera in den Grüften aufstellen und die Kulissen für sich selbst sprechen lassen. Das hätte mir gefallen. So ist es fast schon störend, wenn, um die beiden Handlungsorte zu verbinden, lärmender mexikanischer Großstadtverkehr gefilmt wird. Dass Teufelsanbeter außerdem die Kunst des Wrestlings beherrschen, das ist auch so eine Sache, mit der ich mich nicht so leicht abfinden mag. Aber gut: ich habe mir die ergreifendsten Szenen sowieso als aufgeblähte Screenshots über den Kamin gehängt, damit die zuckenden Flammenschatten sich auf ihnen wälzen können.

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Eine Bemerkung noch zum religiösen Subtext des Films. Kreuze töten Vampire, heißt es. Zumindest, das wusste schon Polanski, Vampire, die dem Christentum angehört haben. Bei denen in ATACAN LAS BRUJAS ist das der Fall, nur weiß Santo offenbar nichts davon. In der Szene, die ich meine, steht er der teuflischen Übermacht nahezu hilflos in den Schlosskatakomben gegenüber. Er klettert auf einen Altar und breitet intuitiv beide Arme aus, was zwangsläufig das Kreuzeszeichen ergibt. Sofort flüchten die Hexen kreischend. Santo kann sich das indes nicht erklären. Später sitzt er mit Arturo in seinem Büro, der plötzlich Experte in allem Okkulten ist, und ihm versichert, gegen Hexen helfe im Grunde nur das Kreuz. Santo kratzt sich an der Schläfe: aber er habe doch bei der letzten Attacke gar keins mit sich geführt, wie konnte es dann sein, dass die Biester vor ihm gekuscht haben? Darüber musste ich nicht wenig schmunzeln.