Oswalt Kolle: Zum Beispiel: Ehebruch - O. Kolle / A. Neve
Verfasst: So 19. Okt 2014, 22:51
von buxtebrawler
Originaltitel: Oswalt Kolle - Zum Beispiel: Ehebruch
Herstellungsland: Deutschland / 1969
Regie: Alexis Neve / Oswalt Kolle
Darsteller: Heidrun Kussin, Kathrin Kretschmer, Marianne Lebeau, Bert Hochschwarzer, Dieter Kaiser
Quelle:
www.ofdb.de
Re: Oswalt Kolle: Zum Beispiel: Ehebruch - O. Kolle / A. Neve
Verfasst: So 19. Okt 2014, 22:56
von buxtebrawler
„Das Bett ist nicht der Mittelpunkt der Ehe!“
Mit seinem dritten Aufklärungsfilm „Deine Frau, das unbekannte Wesen“ aus dem Jahre 1969 nicht genug, nein, noch im gleichen Jahr brachte der Aufklärer der Nation, Journalist Oswalt Kolle, sein viertes Werk „Zum Beispiel: Ehebruch“ in die bundesdeutschen Kinos. Wie bei den vorausgegangenen beiden Filmen übernahm Alexis Neve die Regie, diesmal jedoch zusammen mit Kolle höchstpersönlich.
Man mutmaßt, dass die Abschaffung des Paragraphen, der Ehebruch unter Strafe stellte, im selben Jahr Anlass für Kolle war, einen Film zu eben diesem Thema zu realisieren. Damit packte er sicherlich ein heißes Eisen an und widmete sich für die damalige Zeit offen einem Tabu-Thema. Stilistisch geht er zurück zu seinen ersten Filmen, indem er sich zu Beginn in schwarzweiß vom Diplom-Psychologen Helmut Kentler befragen lässt. Kolle stellt die im Jahre 1969 in weiten Teilen der Gesellschaft bestimmt als unerhört aufgefasste These auf, dass ein Ehebruch heilsam sein könne, weil er oftmals eine Ehekrise erst aufdecke. Erneut wählt Kolle den Weg, anhand von beispielhaften Spielfilmepisoden, die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen und seine Thesen zu untermauern. Die Spielfilmszenen sind wieder von Anfang an in Farbe.
In der ersten Episode fühlt sich die Ehefrau nicht gut von ihrem Gatten behandelt, ja, als selbstverständlich hingenommen und weitestgehend mit ihren eigenen Bedürfnissen ignoriert. Als sie ihren Jugendfreund wiedertrifft, betrügt sie ihren Mann mit ihm. Daraufhin klappt es zwar sexuell wieder prima mit ihrem Mann, doch als sie sich ihm offenbart, reagiert dieser mit Unverständnis. Im Anschluss an die bisweilen kitschig gestaltete Episode, in der die Dame mit ihrem Jugendfreund auf einer Wiese herumtollt, kommt es zu einem Streitgespräch zwischen Kolle und Kentler, in dessen Rahmen Kolle richtigerweise mit dem Vorurteil aufräumt, dass nur Männer nach sexueller Abwechslung strebten.
Die zweite Episode präsentiert eine zunächst nach Friede, Freude, Eierkuchen aussehende Ehe, die die Frau aus dem Off kommentiert. Ihr Mann muss jedoch für das Klischee herhalten, sich an seine blonde Sekretärin heranzumachen. Als es zum Sex mit ihr kommt, berichtet er sein Eheverständnis aus dem Off und zeigt sich verwundert, dass seine Frau auf seinen Ehebruch mit Eifersucht reagiert – für ihn scheint sein Handeln ganz selbstverständlich. So überspitzt dieses krasse Beispiel auch sein mag, so sensibel zeigt sich der Film, als er ihre ausführlichen Gedanken, alles, was ihr durch den Kopf geht, ausspricht. Ungewöhnlich direkt fällt dann auch die Visualisierung ihrer Wutphantasien aus, in der sie der Nebenbuhlerin den Rücken blutig peitscht. Schließlich kommt es dennoch zum Versöhnungssex mit ihrem Mann und auf angenehm differenzierte Weise findet erneut die weibliche Gedankenwelt in den Film.
So richtig, aber auch skandalträchtig es für gerade für die damalige ältere Generation sicherlich auch gewesen ist, dieses Tabuthema einmal offen anzusprechen und dafür zu plädieren, nach einem erfolgten Seitensprung nicht grundsätzlich die komplette Ehe infrage zu stellen, sondern ihn als Indikator für eine Krise zu sehen, die die Chance einer Bewältigung und einer gegenseitig befriedigend und harmonisch weiterverlaufenden Ehe bietet, so fortschrittlich es anmutet, den reinen Sexualakt von seinem Podest herunterzuholen und darauf zu verweisen, dass andere Formen der Treue mitunter einen weitaus höheren Stellenwerk besitzen bzw. besitzen sollten, so wenig allgemeingültig lässt sich dieses sensible Thema natürlich anhand zwei arg konstruierter und abstrahierter Beispiele abhandeln. Inwieweit eine Ehe eine solche Störung zu verkraften imstande ist, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, die hier bestimmt nicht zur Genüge behandelt werden. Dennoch handelte es sich damals um einen Schritt in die richtige Richtung, und sei es nur aufgrund der Enttabuisierung des Themas. Inwieweit es dem aufklärerischen Anspruch des Films gerecht wird, beide Spielfilmepisoden mit zahlreichen Softsexszenen zu unterlegen, sei einmal dahingestellt – der Seriosität kam diese Herangehensweise nicht unbedingt entgegen.