Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

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Linda Blair  Richard Burton  Louise Fletcher  Kitty Winn   in
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● EXORZIST II - DER KETZER / EXORCIST II - THE HERETIC (1977)
mit Max von Sydow, Paul Henreid, Ned Beatty, Belinda Beatty und James Earl Jones
Produktion und Verleih Warner Bros.
ein Film von John Boorman


»Das Böse ist ein spirituelles Wesen. Greifbar und lebendig.«
Vier Jahre nach den entsetzlichen Ereignissen in der Stadtvilla der McNeils, als Pater Merrin (Max von Sydow) einen Exorzismus bei der kleinen Regan (Linda Blair) vornehmen musste und durch rätselhafte Umstände ums Leben kam, ist die Kirche angeblich an lückenloser Aufklärung interessiert. Für diesen Fall wird Pater Lamont (Richard Burton) abgesandt und er soll klären, wie es dazu kommen konnte, dass der gefährliche Dämon Pazusu Besitz von dem kleinen Mädchen nehmen konnte. Regan, die seitdem im Institut von Dr. Tuskin (Louise Fletcher) psychologisch betreut wird, um die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten, möchte Pater Lamont helfen, denn Dämon zu bezwingen. Mit Hilfe eines Synchronisators gelangt Lamont in die seelischen Abgründe der Beteiligten und hat die Ereignisse von damals unmittelbar vor Augen. Nun hat er die erforderlichen Ansätze und seine Spur führt ihn nach Afrika zu einem Mann namens Kokumo (James Earl Jones), der einst ebenfalls vom gleichen Dämon besessen war. Von ihm erfährt er schließlich, dass die Zeit drängt, denn Pazusu streckt erneut seine Flügel aus, um von Regan Besitz zu ergreifen. Doch die Jagd erscheint aussichtslos zu sein, da der Dämon die Welt in Form von Heuschrecken bedroht...

Vier Jahre nach William Friedkins Welt-Erfolg "Der Exorzist" schickte Warner Bros. mit "Exorzist II - Der Ketzer" deren bis zu diesem Zeitpunkt teuerste Produktion, mit einem Produktionsbudget von rund $ 14.000.000 ins Rennen, also dem Fünffachen der ursprünglich geplanten Kosten. Ein Prestige-Projekt sozusagen. Der Film präsentiert sich (nominell gesehen) zwar unmittelbar als Fortsetzung des ersten Teils, doch Regisseur John Boorman inszenierte dem Empfinden nach einen sehr eigenständigen, emanzipierten und vor allem global denkenden Film. Das Ergebnis ging schlagartig in die Filmgeschichte ein und gilt angesichts des End-Ergebnisses und des nicht erzielten wirtschaftlichen Erfolges (es wurde nur gut die Hälfte der Kosten wieder eingespielt), als weitgehend misslungen. Wenn man nach Informationen zu diesem Film sucht, spürt man ein Fließband an harten und eindeutigen Verrissen auf, so dass es sich als beinahe unmöglich heraus stellt, wohlwollende Worte zu finden. Aus persönlicher Sicht und großer Wertschätzung für diesen vielschichtigen und zugegebenermaßen komplizierten Spielfilm sollte daher gesagt werden, dass er seine Stärken vielleicht nicht auf dem Präsentierteller servieren möchte, aber dennoch als Gedankenspiel ernst genommen werden sollte, denn auf rein hypothetischer Basis liefert der Plot schon Inhalte, über die es wert ist, nachzudenken.

Als überragende Assoziationskette offeriert Borrmans Arbeit also eine Reihe alternativer Berührungspunkte, die sich eindeutig sowohl von einschlägigem Trivial-Horror, als auch von edleren Varianten abzuheben wissen. Das Ergebnis ist schließlich faszinierend ausgefallen, aber auch eigenartig zurückweisend zugleich. In den Bereichen Anspruch und Ausstattung ist ein weit unterschätztes Meisterwerk entstanden, doch betrachtet man die Thematik und deren Plot-Fragmente genau, so mutet Boorman dem Zuschauer eine nur langsam transparent werdende Komplex-Maßnahme zu, die Freunde des passiven Berieselungs-Horrors vermutlich abschrecken, und die ein mehrmaliges Anschauen von "Exorzist II" sicherlich verhindern wird. Im positiven Sinne werden tatsächlich allerhand Gedankensprünge aufzuspüren sein, die Aufmerksamkeit lässt sich daher unweigerlich nicht immer auf dem gleich hohen Niveau aufrecht erhalten lassen, welches der Verlauf allerdings auch unerbittlich zu diktieren versucht. Er streckt sich selbst um in den richtigen Momenten eindrucksvoll zuzupacken. Im Grunde genommen wirkt "Exorzist II" in vielerlei Hinsicht überambitioniert, vielleicht kann man sogar überqualifiziert sagen, man sieht der Produktion schon deutlich an, dass mit allen verfügbaren Mitteln erreicht werden wollte, an bestehende Erfolge anzuknüpfen, oder diese eventuell zu übertrumpfen.

Handlung und tieferer Sinn wirken selbst nach mehrmaligem Ansehen wie ein Phantom, das zwar unzählige Gestalten annimmt, aber nicht unmittelbar auszumachen ist. Es wirkt ohnehin so, als versuche der Verlauf Transparenz zu unterbinden, so dass man den ihn beinahe schon unberechenbar nennen kann, wofür in der Regel allerdings andere Umschreibungen, wie beispielsweise langweilig, gebraucht werden. "Exorzist II" wird immer wieder als hoffnungslos verworren und mühsam konstruiert beschrieben, was man in einer positiven Umkehrreaktion, also im Sinne von fordernd, durchaus als Hauptambition der kompletten Inszenierung ansehen sollte. Dem Vernehmen nach wurde das Drehbuch während der Herstellung immer wieder umgeändert und die augenscheinlich verworrenen Elemente werden von Regie und Drehbuch nur vage geordnet und mit Hilfe von permanent auftauchenden Allegorien aufzuschlüsseln versucht. Die umwerfende Bebilderung fügt sich als essentieller Mosaikstein hinzu und die wichtigste Aufgabe übernimmt letztlich das geneigte Publikum. Boormans Beitrag ist ein Film der Zuschauergewalt. Trotz aller Vorgaben, die teilweise sogar erdrückend und aufdringlich wirken werden, sieht man "Der Ketzer" lediglich in einer Silhouette, einer Fa­çon innerhalb der bestehenden Regeln oder Konventionen eines etablierten Genres, jedoch steckt das Ganze in keiner Zwangsjacke, oder besser gesagt, in keinem Korsett.

Somit handelt es sich um einen der bemerkenswertesten Progressiv-Beiträge im Horrorfilm-Orbit, da Grenzen mutig überschritten wurden, ohne jedoch die grundeigenen Wurzeln zu vergessen. Es gehört zum stillen Dasein aller verkannten Hochkaräter, dass es kaum, beziehungsweise ungerne Anerkennung gibt, doch hier lohnt es sich unbedingt, den Film mit einem gezielteren Blick zu belohnen. Beispiellose Ketten von Schlüsselszenen, verschachtelte Aussagen und Dialoge, die umwerfende Ausstattung und Kamera-Arbeit, sowie das Star-Ensemble wirken naturgemäß faszinierend, die satten Bilder fabrizieren Stimmungen, offenbaren Tragik, Spannung und eben Horror, Ennio Morricones einerseits sanfte Musik, die andererseits aber auch in aggressiv wirkenden Stücken gipfeln kann, die interessanten Ortswechsel, um nur einige Beispiele zu nennen, wirkten seit der Erstansicht überdurchschnittlich faszinierend. Es bleibt einer der mutigsten und vor allem intelligentesten Blicke zurück nach vorn, und wenn es aus persönlicher Sicht einmal deutlich gesagt werden darf, es bleibt sogar durchaus ein kontraktes Meisterwerk zurück, welches den brillanten Vorgänger in mancherlei Hinsicht in die Tasche steckt. Diese einleitenden Worte würden viele Kritiker von "Exorzist II" sicherlich schon zu einem Verriss vor dem eigentlichen Verriss des Films verleiten, aber gerade bei diesem zweiten Teil ist es auch einmal angebracht, die andere Seite der Medaille zu durchleuchten. Und das gerne in mehreren Etappen...
Hier der Trailer zum Film, der allerdings hin und wieder ein bisschen spoilert!

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Die Kroete
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von Die Kroete »

EXORZIST 2 wurde ja mal irgendwann zum zweitschlechtesten Film all over gewählt.

Na ja, ganz so krass würde ich es nicht benennen, aber es ist schon ein böser Stinker!

Frage mich als mal, weshalb sich Richard Burton für solche Sachen hat öfter verheizen lassen?!

Steiner 2 und Die fünfte Offensive sind ja auch so "richtige Überfilme" :palm: , nur um hier mal 2 weitere Beispiele von Titel zu nennnen, in denen er mitgewirkt hatte.

Die "ich mach in jedem Scheiß mit"-Mentalität hat so manch einem Schauspieler, eher geschadet als das es für irgendwas (außer dem jeweiligen Geldbeutel) gut gewesen wäre. :opa:
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FarfallaInsanguinata
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Exorzist II hatte ich vor Ewigkeiten auf Video gesehen und mich zugegebenermaßen vorab durch all die gehörten Verrisse negativ beeinflussen lassen. Ich habe ihn als recht zäh und langweilig in Erinnerung, im Gegensatz zum ersten Teil, der immer noch zu meinen Horror-mäßigen Lieblingen gehört.
Gerne würde ich Teil 2 aber nochmal eine Chance geben, vielleicht käme er bei mir jetzt besser weg.
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Prisma
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von Prisma »

Die Kroete hat geschrieben:EXORZIST 2 wurde ja mal irgendwann zum zweitschlechtesten Film all over gewählt.
Ist aber alles andere als gerechtfertigt finde ich. Mal unabhängig davon, wie man zum Film oder zur Handlung stehen mag, oder ob man einfach nur mit dem Vorgänger vergleicht, eine solche Beurteilung von "Der Ketzer" bedeutet nur eins: dass man wohl noch keine wirklich schlechten Filme gesehen hat. :lol:
Alleine handwerklich darf der Film für damalige Verhältnisse nach Seinesgleichen suchen.
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Prisma
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von Prisma »

FarfallaInsanguinata hat geschrieben:Gerne würde ich Teil 2 aber nochmal eine Chance geben, vielleicht käme er bei mir jetzt besser weg.
Das solltest du auf jeden Fall mal machen! Man braucht nur auf keine herkömmlichen Effekte zu warten, sonst kommt man mit "Der Ketzer" bestimmt nicht besonders gut klar, was übrigens auch für den Vergleich mit dem ersten Teil gilt. Würde ich mich vollkommen auf einen derartigen Vergleich stützen, dann würde "Der Exorzist" deutlich an Reiz verlieren, weil er im Gegensatz zum Nachfolger inhaltlich und vor allem stilistisch deutlich das Nachsehen hat. Aber den ersten Teil mag ich ja auch sehr.
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buxtebrawler
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von buxtebrawler »

Prisma hat geschrieben:Ist aber alles andere als gerechtfertigt finde ich. Mal unabhängig davon, wie man zum Film oder zur Handlung stehen mag, oder ob man einfach nur mit dem Vorgänger vergleicht, eine solche Beurteilung von "Der Ketzer" bedeutet nur eins: dass man wohl noch keine wirklich schlechten Filme gesehen hat. :lol:
Das will ich aber auch meinen... Danke, dass du uns deine Sicht auf den Film ausführlich beschrieben hast. Ich habe ihn nur 1x gesehen und als recht durchschnittlich in Erinnerung. Durch dieses Thema habe ich Lust bekommen, ihn mir noch einmal anzuschauen. In der Sammlung habe ich ihn selbstverständlich.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Prisma
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von Prisma »

buxtebrawler hat geschrieben:Danke, dass du uns deine Sicht auf den Film ausführlich beschrieben hast.
Das war nur die kurze Einführung, da kommt noch mehr. :lol:
Ich denke, der Film kann beim mehrmaligen Anschauen schon gewinnen, aber wenn man ihn vorher nur so lala gefunden hat, wird bestimmt kein persönliches Meiserwerk daraus. Aber mich würde schon interessieren, wie es ausschaut, wenn der Film nochmal ein paar zweite Chancen bekommt! ;)
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jogiwan
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von jogiwan »

Gestern die Gunst der Stunde und die durch diesen Fred erzeugte Neugier genutzt und nach jahrzehntelangem Aufschieben mehr als positiv überrascht worden: Boormans Nachfolger schließt zwar inhaltlich an Friedkins Klassiker an, geht aber inhaltlich vollkommen andere Wege und präsentiert sich trotz religiöser Thematik wesentlich weltoffener als der kammerspielartige Geisterbahn-Terror des Vorgängers. Neben dem (warum auch immer?) Todschweigen der Rolle von Jason Miller aus dem Vorgänger konzentriert sich „Exorzist II – Der Ketzer“ auch mehr auf den universellen Kampf von Gut gegen Böse und wirkt mit seiner Geschichte, seinen Figuren und über den Globus verstreuten Settings fast traumartig und auch weniger greifbar und es wird zum Glauben an die katholische Kirche ein wissenschaftliches Gegengewicht gesucht. Das Horror-Genre streift Boorman ja erst im turbulenten Finale seines mit wunderbaren Bildern und Darstellern ausgestatteten Streifens, während die Geschehnisse davor eher dramatisch und mysteriös bleiben und wohl auch hübsch gegen die damalige Erwartungshaltung des Publikums und Kirchenoberhäupter gestrickt wurden. Ich bin begeistert!
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Prisma
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von Prisma »

Eine schöne und sehr prägnante Einschätzung des Films und ich bin ja nahezu überrascht, zur Abwechslung auch einmal positive Worte zu "Der Ketzer" zu hören! Das kommt ja im Normalfall nicht so häufig vor. Der alternative Weg, den der Verlauf einschlägt, halte ich auch für die große Stärke. Hast du ihn tatsächlich Jahrzehnte lang aufgeschoben und jetzt zum ersten Mal gesehen?
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jogiwan
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Re: Exorzist II - Der Ketzer - John Boorman (1977)

Beitrag von jogiwan »

Ja, tatsächlich zum ersten Mal. Ich empfinde ja Teil 1 als guten und effektiven Film und hab den sogar in der verlängerten Fassung im Kino gesehen, kann aber mit der teils recht aufdringlichen Botschaft des Films aus persönlichen Gründen nicht wirklich etwas anfangen. Hätte ich gewusst, dass dieses in Teil 2 weit weniger der Fall ist, hätte ich aber wohl nicht so lange gewartet. In Teil 2 stecken aber auch jede Menge großartiger Szenen, insbesondere die erste Sitzung mit den Synchronzisers und die Locations des Instituts und des Apartments sind ebenfalls wow!
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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