St. Pauli Nachrichten - Thema Nr. 1 - Franz Marischka (1971)
Verfasst: Mo 27. Okt 2014, 16:04
D 1971
D: Helmut Förnbacher, Brigitte Skay, Gerlach Fiedler, Gerda Gmelin, Helga Feddersen, Rolf Eden, René Durand, Thomas Astan, Horst Hesslein
Die abgebrochene Germanistikstudentin Georgine Vogt, "George" genannt, möchte sich nun im Journalismus versuchen und ist gerade mit dem Fahrrad auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch bei der Zeitschrift "Frau und Hund", als ihr aus einem vorbeifahrenden London-Taxi offeriert wird, ob sie nicht mal oben-ohne-Fotos machen lassen wolle. Zwei Gagenerhöhungen später stimmt George schließlich zu, und wundert sich alsbald, unter welch provisorischen Umstände die titelgebende Postille produziert wird.
In der Redaktion ist auch Helmut Förnbacher, gespielt von Helmut Förnbacher, aufgeschlagen, der eine Reportage über die SPN produzieren möchte, vom Verleger aber rausgeworfen wird. George hingegen fängt statt bei "Frau und Hund" kurzerhand bei den SPN an - und verguckt sich außerdem in Helmut Förnbacher. Der will die Reportage jedoch nicht ad acta legen. Könnte George da nicht einige Infos über die Anzeigenkunden rausrücken? Gesagt, getan. So gibt es auch in diesem Film die zeittypischen Straßeninterviews und neben dem Haupthandlungsstrang um Helmut und George die nicht minder typische Episodenstruktur.
Da Helmut aber nicht der überzeugteste Verfechter der Monogamie ist, kommt es jedoch zu einem Zerwürfnis zwischen ihm und George, bevor am Ende...
Ein durchaus interessanter Ansatz, ein real existierendes Blatt als Ausgangsbasis für einen Kinofilm zu machen (ein paar Jahre später machte Bornhauser ja das gleiche mit der "Deutschen Sex-Partei"). Der ist in der Tat überraschend unterhaltsam ausgefallen, so wird z.B. in einer Szene Förnbacher von der Polizei verfolgt, was als klassische Slapstickszene (mit entsprechender Musike) inszeniert wurde. Anderes versandet im Nichts, wenn George auf die glorreiche Idee kommt, dass die SPN nach dem potentesten Mann Deutschlands suchen soll! Zu diesem Zweck wird ein Radrennen (!) veranstaltet, dessen Sinn mir nicht unmittelbar einleuchtet, und dessen Ausgang auch nicht aufgelöst wird.
Als Produktionsgesellschaft wurde "Borro Film", Hamburg angegeben, die ansonsten nichts weiter auf die Beine gestellt haben. http://explore.bfi.org.uk/4ce2b970856ba Maybe they had to borro too much money and couldn't pay it back...
Richtig toll in der Hauptrolle der George überzeugt Brigitte Skay Den Chef der SPN gibt Gerlach Fiedler, der angeblich nie seine Gage für diesen Film bekommen haben soll! Helmut Förnbacher spielt hier ja einen gewissen Helmut Förnbacher, dessen Rolle eventuell auch auf realen Ereignissen beruhen könnte, wenn man sich dieses Interview mit Henryk Broder durchliest http://www.tagesspiegel.de/medien/henry ... 39938.html (einen weiteren Text von Broder über seine Zeit bei den SPN gibt's unter http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... Jahre.html), und er bekommt die Brigitte. Helmut in the Skay with Diamonds!
Sehr schön fand ich ja, die angesehene Hamburger Theaterdirektorin Gerda Gmelin als Anzeigensekretätin der SPN zu zeigen. Das hätte man nur mit Heidi Kabel noch toppen können! Ebenfalls zum SPN-Staff gehört hier Thomas Astan, den man vielleicht schon mal als "Hitzkopf Tommy" in Alfred Vohrers "Das gelbe Haus am Pinnasberg" gesehen hat.
In den Episoden tauchen noch Rolf Eden (mit Fake-Ehefrau, da sonst kein Partnertausch), Helga Feddersen (enttäuscht vom Ehegatten auf der Suche nach Abwechslung) und Horst Hesslein als "unersättlicher" Mechaniker auf. Und natürlich das Pflichtprogramm im Pauli-Film jener Zeit, the one and only René Durand, Master of the "Salambo" (wie ich gestern feststellte, ist mittlerweile das letzte Überbleibsel jener Ära, das "Safari" auf der Großen Freiheit, auch nicht mehr existent).
Die Kinorolle, die wohl bei Ausgrabungen in Österreich gefunden wurde, litt leider unter einem Rotstich und bei den Aktwechseln ist auch jeweils etwas Material vermisst worden. Auch das Ende kam sehr abrupt, könnte sein, dass da auch was fehlt. Da aber der Film selbst lange als vermisst gemeldet wurde, ist das verkraftbar, und es ist sehr bedauerlich, dass sich im Hamburger B-Movie gerade mal 10 Personen eingefunden hatten, um dieses Werk dem Vergessen zu entreißen. Gelangweilt dürfte sich aber keiner haben, und wer weiß, vielleicht nimmt sich ja mal jemand diesem Werk an.
Wer nicht davor zurückschreckt, dass hier auch schon mal ein Blick auf einen Penis zu erhaschen ist und der Humor auch schon mal auf dem Level "Als Fachkraft ist sie eine Pflaume, aber als Pflaume ist sie eine Fachkraft!" liegt, wird sich hier gewiss amüsieren. Eine Portion Gesellschaftskritik gibt es (nicht nur) in der Gerichtsverhandlungsszene, in der der Chef, des Verbreitens unzüchtiger Schriften angeklagt, den Richter auffordert, das elektrische Licht auff seinem Tisch durch eine Petroleumfunzel zu ersetzen, weil das Gesetz, nach dem er verurteilt werden solle, aus dem Jahr 1871 stamme und da habe es eben nur Petroleumleuchten gegeben, und wie absurd es sei, dass 100 Jahre später noch das gleiche Gesetz gelten solle, gratis draufzu...