Oswalt Kolle: Dein Mann, das unbekannte Wesen - Werner Lenz
Verfasst: Mi 29. Okt 2014, 22:22
von buxtebrawler
Originaltitel: Oswalt Kolle: Dein Mann, das unbekannte Wesen
Herstellungsland: Deutschland / 1970
Regie: Werner M. Lenz
Darsteller: Heidi Maien, Michael Maien, Angelika Baumgart, Volker Frey, Barbara Lankau, Walter Herbst, Christina Weber, Peter Wallrath, Martina Grohn, Marie-Claude Sebudandi, , Ingrid Steeger, Aurore Wend u. A.
Quelle:
www.ofdb.de
Re: Oswalt Kolle: Dein Mann, das unbekannte Wesen - Werner Lenz
Verfasst: Mi 29. Okt 2014, 22:25
von buxtebrawler
Nach diversen Aufklärungsfilmen unterschiedlicher Thematik und Qualität, darunter „Deine Frau, das unbekannte Wesen“, mit denen Ende der 1960er der Journalist Oswalt Kolle antrat, die verklemmte BRD sexuell aufzuklären, machte er sich im Jahre 1970 daran, das kommerziell erfolgreiche Konzept fortzuführen und seinen bereits fünften Film, „Dein Mann, das unbekannte Wesen“, ins Kino zu bringen. Die Zusammenarbeit mit Regisseur Alexis Neve beendete er indes, stattdessen nahm Werner M. Lenz, der neben zwei weiteren „Kolles“ zwei Sex-Report-Filme drehte, auf dem Regiestuhl platz.
„Du gefällst mir besser, wenn du ganz nackt bist!“
Nun soll also der Mann im Mittelpunkt der Aufklärung stehen. Wieder greift Kolle dafür auf das Konzept des Episodenfilms zurück und versucht, anhand verschiedener beispielhafter Spielfilmsequenzen sich exemplarisch mit der Sexualität des (heterosexuellen) Mannes auseinanderzusetzen. Obgleich die sexuelle Revolution mittlerweile auch im Kino vorangeschritten war, zählte der Anblick eines nackten Mannes mitsamt seiner Geschlechtsorgane noch längst nicht zum alltäglichen Anblick – ein solcher steht nämlich im Vorspann einfach so da. In der ersten Episode läuft ein junges Paar, das erst seit vier Wochen liiert ist, in einen Wald, wo er sie zur Rede stellt, weshalb sie noch keinen Sex miteinander gehabt hätten. Als sie sich, wieder im heimischen Bett, ihm endlich hingeben möchte, kann er jedoch nicht! Zunächst gibt er ihr die Schuld, entschuldigt sich aber stante pede. Später möchte er arbeiten, sie ihn verführen. Es gelingt und nun klappt auch endlich der Beischlaf, aber anschließend möchte er weiterarbeiten. Sie stört ihn dabei andauernd und zieht schließlich zu einer Freundin ab. Kolle kommt ins Bild und erklärt das Gesehene:
„Die zunehmende sexuelle Befreiung der Frau hat den meisten Männern neue Probleme gebracht!“
Bevor man zur nächsten Spielfilmepisode übergeht, greift Kolle wieder das Bild eines nackten Mannes auf, den er als Demonstrationsobjekt verwendet und wie im Sexualkundeunterricht die einzelnen Geschlechtsorgane erklärt. Als weiteres Novum im Nicht-Porno-Kino wird dabei auch das erigierte Glied des Mannes gezeigt.
„Du hast eine krankhafte Beziehung zu Uhren!“
Mit einem Streit am Frühstückstisch beginnt die nächste Episode. Im Straßenverkehrt starrt er eine andere Frau an, was erneut Anlass zu Streit gibt. Zuhause springt er nackt zu ihr aufs Bett und stürzt sich auf sie, kommt jedoch sehr schnell zum Höhepunkt, was ihr entschieden zu schnell geht. Das Ergebnis: Streit. Nach diesem Einblick in sein Beziehungsleben findet er sich bei Kolle im Studio wieder, der sich mit ihm darüber unterhält, was sich seit den Dreharbeiten verändert habe. Laut Kolle hätten 42% der Männer dasselbe Probleme, doch seit sein Darsteller mit ihm darüber redete und die Medikamente einnahm, die sein Arzt ihm verschrieb (!), hält er im Bett länger durch und schafft es, seine Frau zu befriedigen. Im Anschluss an das Gespräch plädiert Kolle für Üben durch Onanie.
„Du wolltest doch jetzt nur mit mir schlafen, weil du dich langweilst!“
Die nächste Episode und damit das nächste Thema wird eingeleitet von Kolle: Unterschiedliches sexuelles Begehren der Geschlechter. Ihn törnt ihre Hausmütterchenrolle ab, er geht saufen. In einer Rückblende erinnert er sich an die wesentlich sexualitätsbetonteren Anfänge der Beziehung. Sie trieben’s u.a. im Straßenverkehr und gingen tanzen (was Anlass für unfreiwillig komische Tanzszenen bietet). Wehmütig hadert er mit seinem Leben und findet sich schließlich in einer gestellten Talkrunde mit Kolle und dessen Schauspielern wieder.
„Weiber wachsen nach wie Unkraut – und Unkraut vergeht nicht!“
Die letzte Episode: Sie zickt herum, doch er möchte Sex und hat sich mittels eines Erotikmagazins in Stimmung gebracht. Sie kleidet sich daraufhin überraschend exakt wie das Mädchen im Magazin lediglich mit hohen Stiefeln. Beide haben ausgiebigen Sex miteinander. Sie gehen essen, er wird angeflirtet von der dunkelhäutigen Bedienung und zwei weiteren Mädels, die alte Bekanntschaften von ihm sind. Anschließend unterhalten sie sich über sexuelle Phantasien. Kolle schaltet sich kurz ein und versichert, dass männliche sexuelle Phantasien ganz normal wären. Als hätte sein Schützling in der Spielfilmepisode ihn gehört, eröffnet er seiner Freundin, dass er Lust auf eine Negerin hätte. Kolles Regie lässt die Phantasie justamente visualisieren und damit nicht genug, der Lümmel schwadroniert seiner Frau gegenüber sogar von einem Dreier mit den Mädels aus der Bar – und wundert sich, dass ihr die Lust auf Sex vorerst vergeht. Entschlossen stapft er von dannen, trifft die Objekte seiner Begierde tatsächlich in der Bar wieder und geht mit ihnen aufs Zimmer. Sie versuchen, ihn zu verführen, doch er möchte eigentlich gar nicht und kehrt zu seiner Frau zurück. Er beichtet ihr alles, doch sie glaubt ihm kein Wort und lacht ihn aus. Abrupt endet der gesamte Film.
Während andere europäische Filmemacher längst beachtliche, durchaus über flachen, belächelnswerten Soft-Sex hinausgehende, mutige und sinnliche Erotikfilme drehten und die Freiheiten der cineastischen sexuellen Revolution genossen, hält Kolle an seinem Aufklärungskonzept fest, obwohl spätestens dieser Film – der schwächste der bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten „Kolles“ – nur noch marginal etwas mit tatsächlicher Sexualaufklärung zu tun hat und dadurch wie der verklemmte, peinliche Versuch wirkt, sich unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit erotisch auszutoben – was in diesem Falle zum Scheitern verurteilt ist. Ja, der skandalträchtige Oswalt Kolle wirkt plötzlich selbst verklemmt, wenn er Laiendarsteller, die so hölzern sind wie nie zuvor, ins Rennen schickt, um sich innerhalb von oberflächlichen, nicht exemplarisch, sondern voller Rollenklischees steckenden Episödchen mindestens einmal dem simulierten Liebesspiel hinzugeben, das die Kamera dann ausgiebig voyeuristisch begleitet und von mehr oder weniger stimmungsvoller Musik begleitet wird. Die vermeintlichen Alltagssituationen sind näher an Billigporno-Alibihandlungen als einer realistischen Darstellung von Ehe- bzw. Beziehungsproblemen und wirken in ihrer Gestelltheit mehr belustigend als alles andere. Der Tiefpunkt in dieser Hinsicht sind die Gespräche Kolles mit seinen Darstellern, die uns als authentisch verkauft werden sollen. Was seine Aussagen betrifft, war der einst so um Fortschrittlichkeit bemühte Kolle nie konservativer: Das transportierte Frauen-, aber auch Männerbild wirkt ebenso überholt wie Kolles Problemlösungsansätze, die eigentlich gar keine sind – außer, dass er die Frauen um Verständnis für quasi alles bittet. Einerseits ist das alles gerade auch wegen seines geballten Zeitkolorits auf unfreiwillig komische Weise unterhaltsam, andererseits graut es mir jetzt schon davor, wie Kolle in seinen letzten Filmen die Themen Pornographie und Gruppensex behandelt...