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The House of Usher - Alan Birkinshaw (1989)

Verfasst: Sa 20. Dez 2014, 13:38
von Salvatore Baccaro
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Originaltitel: The House of Usher

Produktionsland: USA 1989

Regie: Alan Birkinshaw

Darsteller: Romy Windsor, Oliver Reed, Donald Pleasance, Rufus Swart, Philip Godawa, Carole Farquhar
Zum Jahresabschluss dachte ich mir, dem wahrscheinlich schlechtesten Film, den ich in letzter Zeit gesehen hab, noch die eine oder andere Zeile zu widmen, selbst wenn er die wahrscheinlich nicht verdient hat…

Poe im (frühen) Kino, Folge 8:

Ende der 80er, Anfang der 90er entschließt sich der verdiente britische Filmproduzent Harry Alan Towers, seine Tätigkeit als Lieferant kostengünstiger B-Movie-Ware auf den direct-to-video-market zu verlegen. In diesem Zusammenhang verfällt er auf die Idee, auch eine kleine Reihe von kostengünstig inszenierten Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen entstehen zu lassen, deren Titel – HOUSE OF USHER, MASQUE OF THE RED DEATH und BURIED ALIVE – ihre Bezugspunkte allesamt in den klassischen Corman-Adaption der gleichen Stoffe aus den 60ern haben. Im Fall von HOUSE OF USHER handelt sich dabei gleich um einen zweifachen, eigentlich recht dreisten Schwindel. Zum einen wird dem Zuschauer suggeriert, man würde sich die Verfilmung einer literarischen Vorlage von Poe ins Haus zu holen, zum anderen könnte man relativ problemlos auf den Gedanken kommen, Towers habe ein Remake des gleichnamigen Corman-Films von 1960 in Auftrag gegeben. Beides erweist sich indes, wenn man die knapp neunzig Minuten des vorliegenden Machwerks bei klarem Verstand überstanden hat, als himmelhochschreiendes Täuschungsmanöver. Sowohl Poe als auch Corman kann man in HOUSE OF USHER höchstens in minimalen Fetzchen wiederfinden, die meiste Zeit kochen Towers und sein Regisseur Alan Birkinshaw ihr eigenes Süppchen, und das verursachte bei mir ein Zwicken im Bauch, als habe man mir dort eine Ratte eingenäht…

Ryan und Molly sind frischverliebt wie man nur sein kann und auf dem Weg zum herrschaftlichen Anwesen von Ryans Familie, dem Usher-Clan, offiziell einzig und allein noch aus seinem Onkel Roderick bestehend, den der Knabe jedoch offenbar schon seit vielen Jahren nicht mehr besucht hat. Nun aber, mit Heiratsplänen bezüglich Molly schwanger gehend, ist der Zeitpunkt doch gekommen, an dem man das Familientreffen nicht weiter aufschieben kann. Die Ankunft im Usher-Schloss verläuft für Molly dann allerdings ganz anders als sie sich das wohl vorgestellt hat. Als sich nämlich mitten auf der Fahrbahn zwei kleine Kinder materialisieren, bei denen es sich, sagt mir mein in solchen Dingen mittlerweile geübtes Auge, nur um Geistwesen handeln dürfte, baut Ryan in seiner Überraschung einen Autounfall, der sich sehen lassen kann, sprich: er bleibt ohnmächtig und verwundet im Wrack liegen, während Molly die Beine in die Hand nimmt, um beim nahen Usher-Haus Hilfe zu holen. Dort empfängt sie nicht sofort Roderick, sondern ein schrulliger Hausdiener und die strenge Schwester Rodericks, die Molly beide versichern, um Ryan sei sich bereits gekümmert worden, er befinde sich auf dem Weg ins Krankenhaus und sie, Molly, solle erstmal die Nacht bei der Familie verbringen. Anders als jeder Mensch aus Fleisch und Blut, der sich mit derartigen halbseidenen Auskünfte nicht hätte ruhig stellen lassen, scheint die Leinwand- bzw. direct-to-video-Figur Molly Unfall und Verlobten alsbald vergessen zu haben und beginnt, sich in dem Anwesen, das, heißt es, über mehr als fünfundvierzig Schlafräume verfügen soll, häuslich einzurichten. Zwar erweist sich Roderick beim gemeinschaftlichen Abendessen als äußerst zwielichtiger Charakter, der zudem unter Sinnesüberreizungen leidet, und Butler, Ryans Tante und ein taubstummes Mädchen bilden ebenfalls keine Gesellschaft, in der Molly sich besonders wohlfühlen würde, trotzdem bleibt sie wie selbstverständlich über Nacht und kann sich gleich einmal mit fiesen Alpträumen herumschlagen. Es folgen viele Schleichszenen, d.h. Molly ergründet auf eigene Faust das weitläufige Schlösschen, um letztlich im Geäst der Katakomben Ryans aufgebahrten Leichnam zu finden, dazu Roderick, der ihr wirre Reden davon hält, dass der Usher-Clan nicht aussterben dürfe und dass sie als Ryans Fast-Angetraute nun dazu herhalten müsse, die Familienlinie nicht im Sand verlaufen zu lassen. Molly wird zur Gefangenen, muss sich einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen, jeder ihrer Fluchtversuche ist zum Scheitern verurteilt und am Ende sieht es aus, als ob sie nur der geisteskranke Bruder Rodericks, Walter, den man sorgsam in einem Dachstübchen weggeschlossen hat, davor bewahren kann, als Brutstätte für Rodericks Sperma verwendet zu werden…

Wenn Drehbuchautoren imstande sind, die Originalgeschichte Poes, THE FALL OF THE HOUSE OF USHER von 1840, noch mehr zu zerfleddern als es mit ihr bereits in Jess Francos 1982er Pseudo-Adaption LA CHUTE DE LA MAISON USHER geschehen ist, dann verdient das beinahe schon mein ernstgemeintes Lob – aber eben nur beinahe, denn das Endergebnis ist, zumindest im Fall des Towers/Birkinshaw-Projekts, eine Frechheit sondergleichen. Von Poe persönlich ist in HOUSE OF USHER exakt eine einzige originäre Idee übriggeblieben: der stetige Zusammenbruch des Usher-Schlosses, während in ihm sich eine Handlung voller Tragik abspielt. Es hat seinen Reiz für mich, wenn um die Figuren herum ständig Teile des Daches herunterpurzeln, sich einmal die halbe Bibliothek quasi selbst zerlegt und immer mal wieder Bodenerschütterungen grummelnd darauf hinweisen, wie sehr auf Sand gebaut das Ganze ist. Aber was hilft ein interessanter Einfall in einem Potpourri aus welchen, für die mir irgendein Verständnis fehlt? Immerhin, von Roger Corman entlehnt sind noch zwei Szenchen, die man, da sie in der Poe’schen Vorlage nicht vorkommen, direkt bis hin zu dessen HOUSE OF USHER von 1960 zurückverfolgen kann: das Zucken von Ryans nur scheintotem Körper im Sarg, das dazu führt, dass Roderick diesem schnell den Deckel aufdrückt, und eine Traum-Sequenz, in der Molly ihre Hochzeit mit Ryan imaginiert und dabei von der versammelten Belegschaft der noch lebenden oder bereits verstorbenen Usher-Familie auf ekligste Art und Weise umringt ist. Nicht dass den Film solche Anspielungen besser machen würden, es sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, und um einen etwas weicheren Übergang zu dem Verriss zu schaffen, der nun folgt.

HOUSE OF USHER pfeift auf Poe und schmückt sich somit mit Federn, die nicht seine sind. HOUSE OF USHER hat nicht das Anliegen, seinem Publikum den amerikanischen Dichter und sein Werk näherzubringen, stattdessen wird Poes Name und der seiner Kurzgeschichte allein dazu verwendet, einen Film interessanter zu machen, nach dem sonst kein Rabe krächzen würde. HOUSE OF USHER ist ein reines Geldgenerierungs-Produkt, vergleichbar vielleicht mit Waschpulver, auf dessen Karton mit Superlativen um sich geworfen wird, die letztlich rein gar nichts bedeuten und nur übertünchen sollen, dass dieses Waschpulver von dem im Regal nebenan nun wirklich rein gar nichts unterscheidet. HOUSE OF USHER ist, einmal abgesehen von seiner bedenklichen Vermarktungsstrategie, einfach kein sehenswerter Film geworden. Woran das liegt? Vor allem an seiner komplett biederen, nahezu braven Inszenierung. HOUSE OF USHER sieht aus wie ein Fernsehfilm für die älteren und ältesten Semester. Nichts in diesem Film, keine Kameraperspektive, kein Schnitt, kein visueller Effekt, versprüht Kreativität in irgendeiner Form. HOUSE OF USHER ist nach einer Formel gefilmt, die ich niemals auswendigkönnen möchte. Es geht dem Film allein darum, seine hanebüchene Geschichte zu erzählen. Jede einzelne Szene steht im Dienst der Erzählung, wirklich nichts weist über diese hinaus. Das geschieht so steril wie möglich, in Studiokulissen, die eben nicht phantasievoll, sondern nach einer Check-Liste ausgerüstet worden zu sein scheinen: was braucht man für den nötigen Grusel?, ein paar Särge, ein paar Spinnweben, ein paar Kerzen, und mit Schauspielern, denen ich kein Wort abkaufe – Romy Windsor als Molly beispielweise wirkt selbst dann noch seltsam abwesend und nahezu gelangweilt, wenn sie gerade erfahren hat, dass sie Rodericks Kind austragen soll und bis auf Weiteres Gefangene der Ushers ist, und über die Performances von Oliver Reed als Roderick und Donald Pleasance als sein bei Poe freilich nicht verbürgter Bruder Walter schweige ich mich aus Respektgründen wohl besser aus -, und mit einem Soundtrack, der dermaßen nach der Zeit klingt, in der man ihn fabriziert hat, inklusive sphärigen Synthies, die alles zukleistern, was die Spinnennetze nicht erreicht haben, und Metal-Gitarren-Solos, dass er den Film, im negativen Sinne, mit beeindruckendem Erfolg in seiner Epoche verortet.

Nun könnte man natürlich ausrufen: aber wieso ist HOUSE OF USHER ein Film, den man meiden sollte, wo Du doch sonst noch den allerletzten Trash vom Grund der Grünen Tonne zum Meisterwerk ausrufst? Hat HOUSE OF USHER nicht alles, wonach Du Dir sonst das Mäulchen leckst? Die Story ist völlig irreal, ohne Logik, ohne Verstand aus Versatzstücken zusammengezimmert, deren wenigste überhaupt miteinander harmonieren, ein Unsinn mit Gespensterkindern, hundsmiserablen Gore-Einsprengseln und einem Finale, in dem Donald Pleasance als Slasher-Killer sein Unwesen treibt: sollte das Dir, der Du Filme wie PAGANIN HORROR oder ZOMBI HOLOCAUST auf Sockel aus Gold stellst, so sehr gegen den Strich gehen? Nein, antworte ich, nicht der Inhalt von HOUSE OF USHER ist es, was mir mein Fell in die falsche Richtung bürstet, es ist vielmehr wie Birkinshaw mit dem verrückten Stoff verfährt, der ihm zur Verfügung steht. Regisseure wie, um nur einige zu nennen, Argento oder Rollin oder Franco stellen ihre unkonventionellen Stoffe, jeder auf die ihm eigene Weise, in eine Welt, die der unseren weitgehend entrückt ist. Bei ihnen scheint mir der primäre Fokus darauf zu liegen, ein visuelles Paralleluniversum zu schaffen, in dem, wie in einem Märchen oder einem Gedicht, die Gesetzmäßigkeit der sogenannten Realität derart außer Kraft gesetzt sind, dass selbst die nach rationalen Maßstäben abwegigste und absonderlichste Erzählung vollkommen plausibel herüberkommt, eben weil sie in einen absolut magischen Kontext eingebettet ist. Ballettschulen, in denen Hexen schlummern, und nackte Vampire, die im Sonnenschein einen Strand entlangspazieren, und Nazi-Zombies, die Oasen voller Kriegsgold bewachen wirken nur dann wie etwas, von dem man nicht weiß, ob man es belächeln oder sich deshalb beunruhigen sollen, wenn man hinter ihren Rücken eine Moderne aufragen sieht, in der kaum einmal das geringste Staubklümpchen Metaphysik überlebt hat. Die Kulissen, die Inszenierung, die Gesamtästhetik von HOUSE OF USHER ist nun aber Ausdruck einer solchen Moderne. Im Prinzip leugnet Birkinshaw in jeder einzelnen seiner Szenen, dass es im Kino so etwas wie Poesie überhaupt geben könnte. Ärgerlich wird HOUSE OF USHER dadurch, dass er nicht nur weit unterhalb seiner Möglichkeiten bleibt – was hätte Jess Franco aus dem gleichen Drehbuch nur für markerschütternde Phantasmagorien stricken können? -, sondern dieses Zurückbleiben auch noch zum Prinzip erhebt. Anti-Kino könnte man das nennen.

Vergleichen wir es am besten mit einer Fahrt durch die Geisterbahn. Plötzlich stockt der Wagen, in dem man sitzt, mitten in einer der Schauerszene. Über Lautsprecher erfährt man: es hat ein technisches Problem gegeben, die Weiterfahrt verzögert sich um ein paar Minuten. Anfangs findet man das wahrscheinlich aufregend. Man lacht, strampelt mit den Beinen, begafft die sich mechanisch bewegenden Puppen außerhalb der Sicherheit des Gefährts wie sie aufeinander einstechen, hinter Kerkerfenstern schmachten, grimmige Grimassen ziehen. Dadurch, dass man nicht weiterkann, d.h. gezwungen ist, seine Umgebung zu betrachten, erkennt man möglicherweise Dinge, die einem bei einer normalen Durchfahrt gar nicht aufgefallen wären: die Schrauben beispielweise, die so eine Figur zusammenhalten, oder wie unecht doch die Spinnennetze eigentlich aussehen, und wie blechern der Sound klingt, mit dem ein Henkersknecht oder ein Drache oder eine Furie einem zurufen, dass einem das letzte Stündchen geschlagen habe. Die Minuten verstreichen und die erste Aufregung folgt ihnen und man beginnt sich zu langweilen, die Beine holen weit aus, pendeln hin und her, man vernimmt das erste Murren hinter sich oder vor sich, wann es denn endlich weitergehe. Soweit hätten es Argento, Rollin oder Franco gar nicht erst kommen lassen, vermute ich: sie hätten spezielle Scheinwerfer herbeigebracht, um die Kulisse auf hypnotische Weise auszuleuchten und sie damit in etwas zu verwandeln, das sie unter gewöhnlichen Gesichtspunkte niemals hat sein können, oder sie hätten halbnackte Mädchen in wallenden Gewändern und mit Kandelabern durch die Szenerie geschickt und sie dabei Lyrik von Tristan Corbière rezitieren lassen, oder oder sie hätten sich die Monotonie zunutze gemacht und sie derart ausgereizt, dass sie sich irgendwann in ihr Gegenteil, in ein faszinierendes, befremdendes Nichts verkehrt. Alan Birkinshaws Ansatz ist nun aber ein anderer: er schickt die Hände in seinen Schoß, begnügt sich mit dem, was da ist, und setzt die Maschinerie neunzig todlangweilige Minuten später einfach wieder in Bewegung. Wir raten ab!

Re: The House of Usher - Alan Birkinshaw (1989)

Verfasst: So 21. Dez 2014, 18:41
von buxtebrawler
Salvatore Baccaro hat geschrieben:Nun könnte man natürlich ausrufen: aber wieso ist HOUSE OF USHER ein Film, den man meiden sollte, wo Du doch sonst noch den allerletzten Trash vom Grund der Grünen Tonne zum Meisterwerk ausrufst? Hat HOUSE OF USHER nicht alles, wonach Du Dir sonst das Mäulchen leckst? Die Story ist völlig irreal, ohne Logik, ohne Verstand aus Versatzstücken zusammengezimmert, deren wenigste überhaupt miteinander harmonieren, ein Unsinn mit Gespensterkindern, hundsmiserablen Gore-Einsprengseln und einem Finale, in dem Donald Pleasance als Slasher-Killer sein Unwesen treibt: sollte das Dir, der Du Filme wie PAGANIN HORROR oder ZOMBI HOLOCAUST auf Sockel aus Gold stellst, so sehr gegen den Strich gehen? Nein, antworte ich, nicht der Inhalt von HOUSE OF USHER ist es, was mir mein Fell in die falsche Richtung bürstet, es ist vielmehr wie Birkinshaw mit dem verrückten Stoff verfährt, der ihm zur Verfügung steht. Regisseure wie, um nur einige zu nennen, Argento oder Rollin oder Franco stellen ihre unkonventionellen Stoffe, jeder auf die ihm eigene Weise, in eine Welt, die der unseren weitgehend entrückt ist. Bei ihnen scheint mir der primäre Fokus darauf zu liegen, ein visuelles Paralleluniversum zu schaffen, in dem, wie in einem Märchen oder einem Gedicht, die Gesetzmäßigkeit der sogenannten Realität derart außer Kraft gesetzt sind, dass selbst die nach rationalen Maßstäben abwegigste und absonderlichste Erzählung vollkommen plausibel herüberkommt, eben weil sie in einen absolut magischen Kontext eingebettet ist. Ballettschulen, in denen Hexen schlummern, und nackte Vampire, die im Sonnenschein einen Strand entlangspazieren, und Nazi-Zombies, die Oasen voller Kriegsgold bewachen wirken nur dann wie etwas, von dem man nicht weiß, ob man es belächeln oder sich deshalb beunruhigen sollen, wenn man hinter ihren Rücken eine Moderne aufragen sieht, in der kaum einmal das geringste Staubklümpchen Metaphysik überlebt hat. Die Kulissen, die Inszenierung, die Gesamtästhetik von HOUSE OF USHER ist nun aber Ausdruck einer solchen Moderne. Im Prinzip leugnet Birkinshaw in jeder einzelnen seiner Szenen, dass es im Kino so etwas wie Poesie überhaupt geben könnte. Ärgerlich wird HOUSE OF USHER dadurch, dass er nicht nur weit unterhalb seiner Möglichkeiten bleibt – was hätte Jess Franco aus dem gleichen Drehbuch nur für markerschütternde Phantasmagorien stricken können? -, sondern dieses Zurückbleiben auch noch zum Prinzip erhebt. Anti-Kino könnte man das nennen.

Vergleichen wir es am besten mit einer Fahrt durch die Geisterbahn. Plötzlich stockt der Wagen, in dem man sitzt, mitten in einer der Schauerszene. Über Lautsprecher erfährt man: es hat ein technisches Problem gegeben, die Weiterfahrt verzögert sich um ein paar Minuten. Anfangs findet man das wahrscheinlich aufregend. Man lacht, strampelt mit den Beinen, begafft die sich mechanisch bewegenden Puppen außerhalb der Sicherheit des Gefährts wie sie aufeinander einstechen, hinter Kerkerfenstern schmachten, grimmige Grimassen ziehen. Dadurch, dass man nicht weiterkann, d.h. gezwungen ist, seine Umgebung zu betrachten, erkennt man möglicherweise Dinge, die einem bei einer normalen Durchfahrt gar nicht aufgefallen wären: die Schrauben beispielweise, die so eine Figur zusammenhalten, oder wie unecht doch die Spinnennetze eigentlich aussehen, und wie blechern der Sound klingt, mit dem ein Henkersknecht oder ein Drache oder eine Furie einem zurufen, dass einem das letzte Stündchen geschlagen habe. Die Minuten verstreichen und die erste Aufregung folgt ihnen und man beginnt sich zu langweilen, die Beine holen weit aus, pendeln hin und her, man vernimmt das erste Murren hinter sich oder vor sich, wann es denn endlich weitergehe. Soweit hätten es Argento, Rollin oder Franco gar nicht erst kommen lassen, vermute ich: sie hätten spezielle Scheinwerfer herbeigebracht, um die Kulisse auf hypnotische Weise auszuleuchten und sie damit in etwas zu verwandeln, das sie unter gewöhnlichen Gesichtspunkte niemals hat sein können, oder sie hätten halbnackte Mädchen in wallenden Gewändern und mit Kandelabern durch die Szenerie geschickt und sie dabei Lyrik von Tristan Corbière rezitieren lassen, oder oder sie hätten sich die Monotonie zunutze gemacht und sie derart ausgereizt, dass sie sich irgendwann in ihr Gegenteil, in ein faszinierendes, befremdendes Nichts verkehrt. Alan Birkinshaws Ansatz ist nun aber ein anderer: er schickt die Hände in seinen Schoß, begnügt sich mit dem, was da ist, und setzt die Maschinerie neunzig todlangweilige Minuten später einfach wieder in Bewegung. Wir raten ab!
Wow :shock:

Weltklasse, Salvatore!

Re: The House of Usher - Alan Birkinshaw (1989)

Verfasst: Di 23. Dez 2014, 17:03
von Salvatore Baccaro
buxtebrawler hat geschrieben:Wow :shock:

Weltklasse, Salvatore!
*knicks* :knutsch: