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Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: So 4. Jan 2015, 18:28
von CamperVan.Helsing
USA 1996
D: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Peter Stormare
Es könnte der Plan zum perfekten Verbrechen sein: Der abgebrannte Autoverkäufer Jerry Lundegaard engagiert zwei Galgenvögel, die seine Ehefrau entführen und vom ebenso reichen wie geizigen Schwiegervater ein Lösegeld erpressen sollen. Doch die beiden Schmalspur-Gangster, der eine ein hypernervöses Wrack, der andere ein schweigsamer Psychopath, gehen derart stümperhaft zu Werke, daß mit einemmal drei Menschen tot in der verschneiten Einöde Minnesotas liegen. Ein Fall für Marge Gunderson. Die hochschwangere Polizistin nimmt die Spur auf - Blutstropfen für Blutstropfen. (OFDB)
Ist das wirklich schon fast 20 Jahre her?
Ich bin ja durchaus nicht immer ein Freund der Coens ("Hudsucker" und "O Brother, Where Art Thou" waren durchaus nicht meine Tasse Kaffee), aber hinsichtlich etwas schräger Kriminalgeschichten sind sie wirklich schwer zu schlagen. Und hier gibt es wieder mal eine grandios schiefgegangene Entführungsgeschichte im Schnee, eine hochschwangere Ermittlerin, Leichenentsorgung im Häcksler (die Blutspuren sind ja auch unauffällig...) und präzise Zeugenaussagen ("Er sah irgendwie schräg aus"; "Er war nicht beschnitten"). Hier passt einfach alles zusammen.
Und vielen Dank für die Ausstrahlung an ZDF Neo! Dafür zahlt man doch gerne seine Rundfunkbeitrag.
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Mo 12. Feb 2018, 14:56
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 16.02.2018 bei FilmConfect noch einmal auf Blu-ray im Mediabook:
Extras:
Booklet
Audiokommentar des Kameramanns Roger A. Deakins
Dokumentation: Minnesota ist nett zu jedem
American Cinematographer Artikel
Trivia Track
Fotogalerie
TV Spot
Kinotrailer
Quelle:
https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... &vid=83603
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Do 28. Jan 2021, 18:49
von buxtebrawler
„Jesses!“
Der sechste Spielfilm der Coen-Bruder Ethan und Joel ist zwischen „Hudsucker - Der große Sprung“ und „The Big Lebowski“ entstanden und wurde im Jahre 1996 veröffentlicht: Es handelt sich um die Thriller-Groteske „Fargo“, die 1987 im nördlichen Mittleren Westen der USA spielt (im titelgebenden Fargo, hauptsächlich aber in Minnesota – der Heimat der Coens) und für die die Filmemacher auf den etwas abgeschmackten Gag zurückgriffen, sie basiere auf wahren Begebenheiten. Zwei Oscars konnte man trotzdem einheimsen: die Coens fürs beste Drehbuch und Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin.
Autoverkäufer Jerry (William H. Macy, „Tödlicher Betrug“) ist mit seiner Gesamtsituation unzufrieden: Für seinen vermögenden, aber offenbar nicht sonderlich viel von ihm haltenden Schwiegervater Wade Gustafson (Harve Presnell, „Westwärts zieht der Wind“) muss er buckeln, zu Hause zerren Frau (Kristin Rudrüd, „Pleasantville“) und Kind (Tony Denman, „Little Big Boss“) an seinen Nerven. Doch Jerry hat einen ausgeklügelten Plan entwickelt: Er lässt sich zwei Ganoven vermitteln, die seine Frau entführen und Lösegeld erpressen sollen. Gegenüber seinem Schwiegervater will er eine wesentlich höhere Summe als die geforderte angeben, um von dessen Kohle die Entführer zu bezahlen und den anderen Teil für sich selbst zu behalten. Bei den Angeheuerten handelt es sich um den „irgendwie schräg“ aussehenden Carl (Steve Buscemi, „Reservoir Dogs“) und den einfältigen, aber skrupellosen Gaear (Peter Stormare, „Verhängnis“), die nach der Entführung außerplanmäßig einen Polizisten und zwei Zeugen erschießen. Für den schwangeren Sheriff Marge Gunderson (Frances McDormand, „Darkman“) gibt es also einiges zu tun, dabei muss sie sich doch bereits um ihren von Selbstzweifeln geplagten Ehemann (John Carroll Lynch, „Im Fadenkreuz - Konvoi des Schreckens“) kümmern…
Eine Texttafel beteuert den Wahrheitsgehalt der Geschichte, bevor die komödiantisch inszenierte Entführung mit einem unvermittelten Kopfschuss und Gaear als eiskaltem Killer erschreckt. „Fargo“ entpuppt sich als Thriller-Groteske, die von skurrilen, karikaturistisch überzeichneten Figuren lebt, die sich immer etwas neben der Spur befinden, entweder dröge und tumb oder verhaltensauffällig sind und dadurch die Handlung, eine Art Chronik des Scheiterns, vorantreiben. Die Kamera liefert ihre skurrilen Fratzen in Großaufnahme, die Drehorte tauchen das Geschehen in ein verschneites, hinterwäldlerisches Ambiente. Die recht grafischen Gewaltspitzen lassen immer mal wieder aufschrecken, im Mittelpunkt stehen aber der nervöse, überforderte und ständig übervorteilte Jerry sowie die herzensgute, schwangere, dauerfutternde Marge – zwei Figuren, die viel Freude bereiten, während einem Gangster Carl fast leidtun kann.
Diese Ambivalenz, die die Figuren nie nur vorführt und bloßstellt, sondern ihnen eine solche Lebendigkeit verleiht, dass man als Zuschauer(in) eine gewisse Empathie für sie zu entwickeln in die Lage versetzt wird, dürfte Teil der Erfolgsrezeptur dieses Films sein. „Fargo“ scheint zudem die Mentalität der Region, in der er spielt, zu karikieren, mit ihren verschrobenen Bewohnern, mit deren naiven Träumereien und ungesunden Neurosen. Dabei pendeln die Coens beständig zwischen den Polen Spott und Herzlichkeit – und erzählen dabei vor winterlich trister und klimatisch schroffer Kulisse ihre fast schon tragikomische Geschichte, von der man zu glauben beginnt, dass sie nirgendwo anders als in diesem, die Menschen zu Improvisation und Entschleunigung zwingenden Landstrich stattgefunden haben könnte.
Das ist zweifelsohne gute, kurzweilige Unterhaltung, die ihrem Publikum jedoch darüber hinaus nicht wirklich viel mit auf den Weg gibt. Der Gangster-Farce-Anteil ist gewissermaßen typisches ‘90er-Kino, das Gespür für regionale Eigenheiten wiederum ist eines der Markenzeichen der Coen-Brüder, das hier auf die Spitze getrieben wird. Der Humor ist eigen und mitunter etwas gewöhnungsbedürftig, die Figurenzeichnung hingegen lässt bereits erahnen, wozu die Coens mit ihrem nächsten Film „The Big Lebowski“ letztlich fähig geworden waren. Alles in allem macht man mit „Fargo“ also sicherlich nichts falsch, den großen, hochdekorierten Geniestreich vermag ich in ihm allerdings nicht zu erkennen.
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Do 28. Jan 2021, 23:05
von CamperVan.Helsing
Im Abspann heißt es übrigens (wie üblich), dass jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen rein zufällig sei.
Während der große Lebowski für mich ein Film ist, der sich wie ein guter Wein im Laufe der Zeit entfaltet und dann erst das Regal richtig gemütlich hat, hat "Fargo" mich bereits damals 1996 geflasht mit seiner immer noch weiter eskalierenden Geschichte. Eigentlich sollte es nur um einen Betrug gehen, dann kommt die Entführung dazu. Ein saudämlicher Fehler der Entführer und schon gibt es die erste Leiche, und zum Schluss färbt sich der Schnee rot durch Blut, frisch aus dem Häcksler. Und dazwischen agiert Marge Gunderson, als ob sie nichts aus der Fassung bringen kann.
BTW: Bereits 1998 veröffentlichen Annette Kilzer und Stefan Rogall ihr Buch "Das filmische Universum von Joel und Ethan Coen", in das ich immer wieder gerne reinschaue. Frau Kilzer gehörte seinerzeit zum Autor(inn)enstab der SI. Was mag aus ihr geworden sein?
PS: Es geht nichts über gute Personenbeschreibungen. ("Er war nicht beschnitten.")
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 05:59
von purgatorio
ich bin ja einigermaßen erschrocken (und muss mir auch an die eigene Nase fassen). 2010 (?) Gründung dieses Forums, 2015 ist dieser Thread hier eröffnet worden. Und dann hat es bis 2021 gedauert, bis sich mal jemand zu FARGO äußert? FARGO!!! Wie konnte das nur passieren? Film ist eine Bombe! Eine Serie gibt es auch... Comics? Ich weiß nicht. Aber verdient wäre es
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 09:28
von buxtebrawler
purgatorio hat geschrieben: ↑Fr 29. Jan 2021, 05:59
ich bin ja einigermaßen erschrocken (und muss mir auch an die eigene Nase fassen). 2010 (?) Gründung dieses Forums, 2015 ist dieser Thread hier eröffnet worden. Und dann hat es bis 2021 gedauert, bis sich mal jemand zu FARGO äußert? FARGO!!! Wie konnte das nur passieren?
Eigenartig, oder? Scheint sich um einen Film zu handeln, den wohl viele früher mal geguckt und wahrscheinlich auch für gut befunden, dann aber nie wieder eingelegt haben.
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 09:31
von jogiwan
Ich schrieb 2014 folgendes:
Über den schwarzhumorigen Streifen „Fargo“ der beiden Coen-Brüder muss man wohl nicht mehr großartige Worte verlieren. Die Mischung aus bitterböser Thriller-Groteske mit schrulligen Charakteren und viel Lokalkolorit traf Mitte der Neunziger gleichermaßen den Nerv der Kritiker und dem Publikum, stand Pate für eine Unzahl ähnlicher Filme und neben insgesamt sieben Nominierungen und den Oscar für das beste Originaldrehbuch und weiteren Preisen auf diversen Filmfestivals, gab es auch für Frances McDormand für ihre Darstellung der schwangeren Polizisten Marge die begehrte Statue.
„Fargo“ ist auch ein sehr gelungenes Werk und überrascht durch seine für seine Entstehungszeit ungewöhnliche Mischung aus Drama, Komödie und spannender Geschichte über Habgier, Mord mit einer Vielzahl seltsamer Charakteren, die sich scheinbar wie von selbst immer weiter ins Schlamassel manövrieren. Dabei entstehen im Verlauf des Streifens groteske Situationen, in denen es durchaus heftig zur Sache geht und zahlreiche brutale Momente, die von den Coen-Brüdern trotzdem auch immer augenzwinkernd präsentiert werden. Außerdem sind die Figuren vom gutbürgerlichen Autoverkäufer, über die strickende Hausfrau bis hin zum dauerquasselnden Verbrecher so derart Klischee-lastig ausgefallen, dass ebenfalls kein Auge trocken bleibt.
Zwar ist mittlerweile das Motiv dieser schwarzhumorigen Filme mit seltsamen Figuren samt lokalen Eigenheiten zwar mittlerweile etwas überstrapaziert, aber im Jahr 1996 haben die beiden umtriebigen Coen-Brüder in ihrem sechsten Spielfilm mit winterlichen Mittelamerika-Setting einfach alles richtig gemacht. „Fargo“ beinhaltet auch alle Zutaten, die man sich mittlerweile von einem Coen-Film erwartet und war trotz vergleichsweise niedrigem Budget von 7 Millionen Dollar ein großer Erfolg, sodass es der Streifen neben einem TV-Remake mit Kathy Bates am Regiestuhl sogar zu einer aktuellen TV-Serie mit Billy Bob Thornton als Darsteller gebracht hat, die lose auf die Charakteren der Vorlage aufbaut und seit April 2014 in den Staaten ausgestrahlt wird.
Neben der originellen Geschichte, die entgegen der Titeleinblendung jedoch nicht auf einer wahren Begebenheit beruht, funzt der Streifen aber hauptsächlich aufgrund seines Casts, der hier auch herrlich aufspielt. Ob Frances McDormand den Oscar als beste Darstellerin in dem Streifen ohne gängiger Hauptrollenverteilung verdient bekommen hat, darüber könnte man durchaus streiten und meines Erachtens hätte auch eher William H. Macy als naiver Verkaufsleiter mit Pechsträhne die Statue verdient. Aber auch Steve Buscemi und Peter Stormare als ambivalentes Verbrecherduo agiert kongenial und sorgen mit den restlichen Cast für ein mehr als gelungenes Gesamtergebnis.
Kein Wunder, dass der gelungene Streifen neben Kino-Auswertung und zahlreichen Free-TV-Ausstrahlungen auch auf VHS und DVD ausgewertet wurde und bereits das dritte Blu-Ray-Disc-Release erfährt. Die im April 2014 veröffentlichte „4K-Remastered-Version“ besticht neben der fairen Preisgestaltung durch eine sehr gute Bildqualität, schicken Cover-Artwork und allen erdenklichen Sprach- und Untertitel-Optionen. Zwar ist „Fargo“ sicher kein Werk, bei dem die Blu-Ray-Disk ihre Stärken voll ausspielen kann, aber besser hat das Werk der Coen-Brüder auch noch nie ausgesehen. Auch das Bonusmaterial ist durchaus interessant und neben Kino-Trailer, TV-Spot und Audiokommentar gibt es auch noch die informative Doku „Minnesota Nice“ in der die Macher und Beteiligten ausführlich über die Entstehung des Filmes und dessen Nachwirkungen berichten.
Unterm Strich bleibt einer der großen Kultfilme der Neunziger, der dank skurriler Figuren, schwarzhumoriger Geschichte im winterlichen Kleinstadt-Ambiente auch knapp 18 Jahre nach Erstveröffentlichung trotz inflationärer Nachahmer noch immer gut funktioniert und mir mit jeder erneuten Sichtung auch besser gefällt. „Fargo“ bietet mit lustigen Dialogen, schräger Situationskomik, den Blick hinter die Fassade des Spießbürgertums und unerwarteten Wendungen auch alles, was man sich von einem Streifen der Coen-Brüder erwartet und wer die Möglichkeit hat, sollte trotz gelungener Synchro immer noch die Originalfassung wählen. Sollte es daher noch irgendjemanden geben, der diesem herrlich schrägen Streifen bislang entkommen sein sollte, ist dank der schicken BD-VÖ der ideale Zeitpunkt bekommen, dieses cineastische Versäumnis schleunigst nachzuholen.
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 09:58
von Blap
buxtebrawler hat geschrieben: ↑Fr 29. Jan 2021, 09:28
Eigenartig, oder? Scheint sich um einen Film zu handeln, den wohl viele früher mal geguckt und wahrscheinlich auch für gut befunden, dann aber nie wieder eingelegt haben.
Nö, der landet bei mir alle paar Jahre im Player. Die Staffeln 1 & 2 der TV-Serie habe ich ebenfalls geschaut, beide großartig.
Nebenbei bekam ich fast einen Herzinfarkt, als eine mir näher bekannte Dame sagte:
"Fargo ist ganz gut, aber "Ein einfacher Plan" ist besser ...".
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 15:22
von CamperVan.Helsing
Blap hat geschrieben: ↑Fr 29. Jan 2021, 09:58
Nebenbei bekam ich fast einen Herzinfarkt, als eine mir näher bekannte Dame sagte:
"Fargo ist ganz gut, aber "Ein einfacher Plan" ist besser ...".
Nicht aufregen!
Eine Dame, die sowohl "Fargo" als auch "Ein einfacher Plan" kennt, ist stets für ihren guten Geschmack zu belobigen.
Re: Fargo - Joel Coen (1996)
Verfasst: Fr 29. Jan 2021, 17:57
von Maulwurf
buxtebrawler hat geschrieben: ↑Fr 29. Jan 2021, 09:28
Eigenartig, oder? Scheint sich um einen Film zu handeln, den wohl viele früher mal geguckt und wahrscheinlich auch für gut befunden, dann aber nie wieder eingelegt haben.
Ich habe den zweimal versucht zu sehen, und bin beide Male eingeschlafen ... Ich kenne den Anfang, ich weiss wie es ausgeht, und dazwischen bleibt ein schwarzes Loch